Mittelfeld des FC Bayern: Künstler und Krieger – FAZ

Rein inhaltlich wird Pep Guardiola seinen Landsmann Vicente del Bosque nicht verstehen. Verzichtet der spanische Nationaltrainer in den anstehenden Qualifikationsspielen für die EM 2016 gegen die Slowakei und in Mazedonien doch auf die Künste von Mittelfeldspieler Thiago. Dennoch wird es Guardiola freuen, so kann Thiago von nächster Woche an in Ruhe an der Säbener Straße daran arbeiten, seine Topform wieder zu erlangen. Denn noch ist Thiago nicht der Thiago, den sich Guardiola vorstellt.

Thiago Alcántara do Nascimento war 2013 Guardiolas Wunschspieler, ihn hatte sich der Katalane ausdrücklich gewünscht, als wäre er ein Teil seines Trainerstabs. „Thiago oder nix“ – dieser Ausspruch klebt auch im dritten Jahr seines Bayern-Jobs noch an Pep wie „Flasche leer“ auf ewig an Giovanni Trapattoni. 25 Millionen überwiesen die Münchner schließlich nach Barcelona.

„Ich habe viele Lieblingsspieler“

In dieser Woche hat Thiago seinen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis 2019 verlängert, eine hübsche Gehaltsaufbesserung inklusive. „Er ist jung und ein wichtiger Spieler für die Zukunft des Klubs“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Wieder darauf angesprochen, dass Thiago doch sein Lieblingsspieler sei, antwortete Guardiola am Freitag in München recht wortkarg: „Seine Vertragsverlängerung war wichtig für Bayern und Thiago. Ich habe viele Lieblingsspieler.“ Alle sind gleich, manche sind gleicher.

Denn Thiago ist der Spieler, der wie kein anderer die Spielphilosophie von Guardiola verkörpert. Schnelle Auffassungsgabe, direktes Spiel. Immer den Kopf oben, den Blick zum Mitspieler, zum freien Raum. Der Ball am Fuß soll eine Selbstverständlichkeit, wie eine Uhr am Handgelenk, auf die man nur gelegentlich schaut. Guardiola nannte Thiago einmal einen „Spieler mit 1000 Leidenschaften“. Er habe „eine große, große Qualität und ein überragendes Selbstbewusstsein, keine Angst, egal, wo wir spielen“, schwärmte der Coach. Kurz gesagt: Thiago denkt, Pep lenkt.

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Doch das war viel zu selten der Fall. Thiago kommt in zwei Jahren auf lediglich 41 Pflichtspiele und fünf Tore sowie sechs Vorlagen. Keine überragende Bilanz, die Pep-Ära hat Thiago bisher nicht (mit)geprägt. 371 Tage, mehr als ein Jahr, hatte er pausieren müssen, weil er sich drei Mal das Innenband riss, worüber ein Streit um seine Behandlung entbrannte und den Verein lähmte. Anfang April kehrte Thiago zurück. Doch der Körper bremst ihn schon wieder etwas aus. In den ersten beiden Saisonspielen wurde der 24-Jährige lediglich eingewechselt, noch fehlt die nötige Fitness.

Am Samstag gegen Bayer Leverkusen (18.30 Uhr / Live auf Sky und im Bundesliga-Ticker auf FAZ.NET) dürfte ein Platz in der Startelf frei werden für Thiago, da Guardiola seine Defensive umstellen muss. Der Coach hat nach den Ausfällen von Jérôme Boateng (gesperrt nach Gelb-Rot), Medhi Benatia (Muskelverletzung), Holger Badstuber, Javi Martínez und Jan Kirchhoff (alle im Aufbautraining) nur noch einen gelernten Innenverteidiger zur Verfügung: den Brasilianer Dante. Doch erste Wahl ist er selbst in größter Not nicht. „Wir haben Xabi Alonso, David Alaba, Dante, Rafinha“, zählte Guardiola die Möglichkeiten für die Abwehrmitte auf. Dante wird gehen dürfen, wohl nach dem Wochenende. Sein früherer Verein Mönchengladbach, Wolfsburg und Leverkusen sind interessiert.



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© dpa, reuters




Leverkusen gibt sich bescheiden vor dem Duell gegen die Bayern

„Ich liebe Mittelfeldspieler“, ruft Pep gerne aus, als wären diese Expressionisten des Spiels die einzig wahren Künstler. Er lebte seine Leidenschaft derart intensiv aus, dass er auch Philipp Lahm, ein Rechts- oder Linksverteidiger, ins kreative Zentrum schickte. Zu Beginn dieser Saison hieß es: Kommando zurück, Diagnose Überangebot. Und Alonso gilt nun als Teilzeitlösung im Abwehrverbund – wie schon beim 2:1 in Hoffenheim. Ohnehin wird der 33 Jahre alte Spanier, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, nicht mehr so viele Spiele bestreiten wie in seiner Debütsaison. Englische Wochen steht Alonso nicht im Vollstrom-Betrieb durch, er braucht Pausen.

So bleiben für die Mittelfeld-Zentrale neben Talent Joshua Kimmich vor allem Thiago und Arturo Vidal, der Gegenentwurf zu Thiago, die Abteilung Rustikales. Der Chilene, Kampfname „Krieger“, bearbeitet Ball und Gegner. Sein Rauhbein-Image passt ihm nicht: „Ich trete mit Kraft auf, aber ich gehe auf den Ball. Ich finde nicht, dass ich speziell aggressiv bin.“ Am Samstag will er Bayer, seinen ehemaligen Verein, bei dem er von 2007 an vier Jahre spielte, jedoch nicht verschonen.

Um dem Gedränge im Mittelfeld zu entgehen, sucht Pierre-Emile Höjbjerg das Weite. Der dänische Nationalspieler wird bis Saisonende an Schalke 04 ausgeliehen werden. Thiago Vidal – es wird das Herzstück des Bayern-Mittelfelds werden. Ob die langfristige Planung ein Fingerzeig auf die Zukunft von Guardiola ist? Schwer zu sagen. Der Trainer zögert, kann oder will sich nicht entscheiden, ob er über den Sommer 2016 hinaus weitermacht. Der Verein hat mit dem Thiago-Deal zweierlei gezeigt. Einerseits: Lieber Pep, wir kümmern uns um deinen Lieblingsspieler. Andererseits aber auch: Señor Guardiola, wir können unsere Spieler ganz unabhängig von dir bei uns halten. Es gibt ein Leben nach Pep.



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