Kaderplaner Michael Reschke: So geht der perfekte Transfer

Kaderplaner Michael Reschke spricht über die goldenen Regeln der Wechselperiode.

Zehn Jahre Kaderplaner in Leverkusen (hier noch im alten Stadion), jetzt beim FC Bayern: Michael Reschke.

Zehn Jahre Kaderplaner in Leverkusen (hier noch im alten Stadion), jetzt beim FC Bayern: Michael Reschke.


Witters

Zehn Jahre Kaderplaner in Leverkusen (hier noch im alten Stadion), jetzt beim FC Bayern: Michael Reschke.

Berlin. Zehn Jahre lang hat Michael Reschke bei Bayer Leverkusen Spieler verpflichtet und die Kader geplant. Nun wechselt er zum FC Bayern. Höchste Zeit zu fragen: Was macht eine Mannschaft erfolgreich?

Herr Reschke, was ist die ideale Größe für einen Bundesliga-Kader?

Michael Reschke: Das hängt davon ab, ob ein Klub internationale Spiele zu bestreiten hat. Es gibt immer einen Kern von Spielern, die einem die Ernte einfahren. Bei internationalen Spitzenklubs absolvieren die ersten 20 Spieler in der Regel über 95 Prozent der Nettospielzeit einer Saison. Bei deutlich mehr Spielern im Kader hat man womöglich ein hohes Investment, das in keiner Relation zu den Einsatzzeiten steht. Zudem birgt dies die Gefahr, dass Spieler unzufrieden werden. Bei einem Club, der nicht international spielt, bilden 16 Feldspieler plus zwei Torhüter den Kern. Damit ist man gut aufgestellt, wenn es daneben noch ein paar junge Ergänzungsspieler gibt. Die maximale Kadergröße sollte 25 Spieler aber nie überschreiten.

Braucht man vor allem Spezialisten für eine bestimmte Position oder Spieler, die möglichst flexibel sind?

Reschke: Natürlich gibt es immer wieder Spieler, die in mehrere Rollen schlüpfen können. In Leverkusen ist Gonzalo Castro ein gutes Beispiel. Aber auch vielseitige Spieler haben eine Kardinalposition, auf der sie am besten sind. Und es funktioniert nicht, lauter flexible Spieler zu haben. Man braucht als Ausgangsbasis ein festes Kaderbild, in dem alle Positionen klar besetzt sind.

  • Kooperation

Der Text ist ein Abdruck aus dem Donnerstag erschienenen 11FREUNDE-Magazins, das ein Bundesliga-Sonderheft ist. Weitere Themen: – Interview mit Thomas Schaaf – Didi, der Erlöser: Wie Beiersdorfer den HSV retten will. – Erhöhte Ticketpreise: Wie die Bundesligisten an der Preisschraube drehen – Echte Liebe – bare Münze: Der BVB und das liebe Geld.

Müssen Spieler zu dem vom Trainer favorisierten Spielsystem passen?

Reschke: Bayer Leverkusen ist etwa in die Verhandlungen mit André Hahn vom FC Augsburg nicht eingestiegen, obwohl er ein sehr guter Spieler ist, an dem Mönchengladbach eine Menge Spaß haben wird. Aber Hahn ist aus meiner Sicht ein klassischer 4-2-3-1-Spieler, der über die Außenbahn kommen muss. Als es um ihn ging, hieß der Trainer in Leverkusen noch Sami Hyypiä, und er hat ein 4-3-2-1-System bevorzugt. Die beiden offensiven Mittelfeldspieler agieren dort im Zentrum, wo Hahn seiner Stärken beraubt gewesen wäre.

„Wir haben Carvajal rund 20 Mal beobachtet“

Gibt es in einem Kader das richtige Mischungsverhältnis aus Knallköpfen und braven Spielern?

Reschke: Man sollte nicht zu sehr die Klischees bedienen. Sicherlich gibt es immer ein paar sogenannte „Typen“, aber die heutige Spielergeneration ist so professionell, dass man von „Knallköpfen“ eigentlich nicht mehr sprechen kann. Ein Kevin Großkreutz beispielsweise, der zuletzt für Schlagzeilen gesorgt hat, ist aufgrund seiner Leistungen im Training und im Spiel ein absoluter Musterprofi. Wichtiger finde ich, dass viele deutschsprachige Spieler im Kader stehen, denn die Kommunikation fällt dann leichter.

Wie sehr kann man im schnelllebigen Fußballgeschäft überhaupt vorausplanen?

Reschke: Man muss sich klarmachen, dass es unterschiedliche zeitliche Ebenen gibt. Eine davon ist kurzfristig, da schaut man von einer Transferperiode zur nächsten. Die nächste Ebene ist die mittelfristige. In Leverkusen war schon im August 2012 weitgehend klar, dass André Schürrle uns im Juli 2013 verlassen würde. Dann kann man sich früh nach Alternativen umschauen. Und es gibt es wichtige Perspektivverpflichtungen, so wie in Leverkusen zuletzt mit Julian Brandt und Levin Öztunali.

Adrian Babic, unser Nachwuchsscout, hatte mir ein Jahr lang bei jedem Treffen immer wieder Brandt ans Herz gelegt. Bei einem Spiel der U17-Nationalmannschaft in Hannover habe ich mich dann selbst von Brandt überzeugen können. Auch bei Öztunali war mir dort sofort klar: Der Junge ist auch etwas Besonderes! Leverkusen hat für beide eine Gesamtablöse von 520 000 Euro gezahlt. Heute, nur ein Jahr später, müsste man weit über 15 Millionen Euro bieten, damit Leverkusen anfangen würde zu überlegen, diese beiden Juwele zu verkaufen.

Kann man auch bei den Transfers gestandener Spieler noch echte Schnäppchen machen?

Reschke: Die gibt es immer wieder mal, etwa weil ein Spieler ablösefrei zu haben ist, wie in diesem Sommer Aaron Hunt oder Maxim Choupo-Moting. Nur relativiert sich das oft durch die dann entsprechend höheren Gehaltsvorstellungen bzw. Handgeldforderungen.

Was ist beim Scouting eines Spielers am wichtigsten: Erfahrung, Spieldaten, Bauchgefühl?

Reschke: In Leverkusen fließen statistische Daten nur marginal ein. Entscheidend waren immer die Gesprächsrunden mit den Scouts auf der Basis ihrer Reports. Wie so ein Entscheidungsprozess gehen kann, zeigt das Beispiel Daniel Carvajal. Ich hatte den Chefscout vom FC Barcelona gefragt, welchen Nachwuchsspieler von Real Madrid er gerne verpflichten würde. Er schwärmte von Carvajal, der damals nur in der zweiten Mannschaft von Real spielte, in der dritten Liga – und trotzdem fünf Millionen Euro kostete.

Also haben die Scouts von Bayer 04 und ich ihn rund zwanzig Mal beobachtet. Dani war ein Volltreffer. Leider zog Real schon nach einem Jahr die Rückkaufoption. Zurecht: Carvajal war Stammspieler beim Champions-League-Sieger. Das freut einen, aber man muss sich klarmachen, dass es nur um Wahrscheinlichkeiten geht. In Leverkusen wurde in den letzten zehn Jahren trotzdem kein Transfer getätigt, der uns im Nachhinein mehr als 1,5 Millionen Euro Verlust eingebracht hat.



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