Der Mann gegen Rechts

Bad Alexandersbad – Es war die bisher öffentlichkeitswirksamste Aktion gegen Neonazis, die Martin Becher, der Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus in Bad Alexandersbad, organisiert hat: Der unfreiwillige “Spendenmarsch” von Neonazis im November in Wunsiedel hat den Rechtsextremen weltweit Schlagzeilen und zugleich jede Menge Hohn und Spott eingetragen. Mit jedem Meter, den die Neonazis zurücklegten, flossen Spenden auf ein Konto der Initiative Exit Deutschland, die Neonazis beim Ausstieg aus der Szene unterstützt.

“Die Idee dazu stammt aus dem Umfeld von Exit”, erklärt Martin Becher im Gespräch mit unserer Zeitung. Er habe die Aktion nach Bayern geholt und sich um deren Organisation und Finanzierung gekümmert.
Seit 2011 führt der gebürtige Münchberger die Geschäfte der Projektstelle gegen Rechtsextremismus und des Bayerischen Bündnisses für Toleranz. Man sollte meinen, es gibt angenehmere Tätigkeiten, als sich hauptamtlich mit Neonazis auseinanderzusetzen. Aber Martin Becher liebt seinen Job. “Mir gefällt es sehr, Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus gegen die Neonazis zusammenzubringen”, sagt er. In Oberfranken sei das fast überall gelungen. “Das Bündnis ist unglaublich bunt.” Gewerkschafter gehörten ebenso dazu wie Sportler, Christen, Juden oder Muslime, politisch links Stehende oder Konservative. “Ich finde diese Vielfalt faszinierend”, betont Becher.

“Bei der Hofer Demonstration gegen Neonazis im Jahr 2012 hing das Plakat der DKP neben dem der CSU”, verdeutlicht Becher die Bandbreite des Bündnisses für Toleranz. Bei solchen Veranstaltungen übernehme er die Rolle des Moderators, was von allen als hilfreich empfunden werde. Denn natürlich gebe es im Vorfeld die ein oder andere Streitigkeit, “das ist ganz logisch”. Becher nennt es “eine wunderbare Arbeit, die positiven Energien, die diese Leute mitbringen, zusammenzuführen”. Diese Energien stünden in krassem Gegensatz zur Ausstrahlung der Neonazis.

Sein Lieblingsbeispiel für eine solche Zusammenführung spielt in einem kleinen Dorf bei Kulmbach, das sich gegen Neonazi-Aufmärsche gewehrt hat. “Ein türkischer Mann hatte dort angekündigt, die Ditib-Gemeinde werde sich an der Gegendemonstration beteiligen und türkische Pizza anbieten.” Daraufhin habe ihn die Bäckersfrau aus dem Ort spontan umarmt. “Das zu sehen, ist einfach toll”, erklärt Becher. “Plötzlich stehen alle zusammen, die sonst nichts miteinander machen. Das ist der schönste Sieg über die Nazis.” Wenn eine “gestandene oberfränkische Bäckersfrau ihrem türkischen Mitbürger um den Hals fällt, haben die Nazis doch verloren”. Solche Vorkommnisse geben ihm Kraft, weiterzumachen – ebenso wie “die vielen Menschen, die sich hochmotiviert im Bündnis engagieren”.

Mittlerweile sei das Bündnis für Toleranz in Fragen der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus “zu einer Macht in Bayern geworden”, betont der Leiter der Projektstelle. Im geschäftsführenden Ausschuss säßen Innenministerium, Kultusministerium, beide große Kirchen, Gemeindetag, Gewerkschaftsbund, Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), Bayerischer Jugendring und die Stadt Wunsiedel an einem Tisch. “Wenn die sich einig sind, dann bewegt sich was im Land”, erklärt Becher.

Sehr wichtig ist ihm auch die Rückendeckung für seine Arbeit durch die evangelische Landeskirche. “Ich weiß den Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel zu 100 Prozent hinter mir”, betont der 53-jährige Oberfranke.

Mehr Engagement wünscht sich Martin Becher allerdings von der Politik in Bayern: “Die Auseinandersetzung mit Neonazis und das Eintreten für Demokratie ist eine öffentliche Aufgabe.” Deshalb brauche es dafür auch öffentliche Mittel. “Die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg bekommt aber bisher so gut wie keine öffentlichen Gelder, obwohl sich darin weit mehr als 200 Kommunen und Organisationen engagieren”, betont der Mann gegen Rechts. Allein die Stadt München gebe für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Nazis mehr Geld aus als der Freistaat Bayern insgesamt. “Ich wünsche mir, dass der Freistaat hier nachzieht.”

Wenn eine gestandene oberfränkische Bäckersfrau ihrem türkischen Mitbürger um den Hals fällt, haben die Neonazis doch verloren.

Martin Becher

 

Martin Becher, 53, ist gebürtiger Münchberger. Er hat in Bamberg und Berlin Politik- und Erziehungswissenschaft studiert. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität in Berlin war er drei Jahre lang pädagogischer Leiter an der Franken-Akademie in Schney (Landkreis Lichtenfels). Danach wechselte er nach Nürnberg als Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der evangelischen Landeskirche. Seit 2011 ist Martin Becher von der Landeskirche beurlaubt und leitet als Geschäftsführer die Projektstelle gegen Rechtsextremismus – Bayerisches Bündnis für Toleranz in Bad Alexandersbad.

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