Junge Menschen suchen Kneipen, Kinos, das pralle Leben und genügend Freunde, die potentiell mit dem Fahrrad erreichbar sind. Gleich einem Schwarm von Vögeln steigen sie auf in den ländlichen Regionen und siedeln in den urbanen Zentren, in denen “was los ist”.
Gesucht: Das pralle Leben
In einer Münchner Kneipe
Diese Städte sind relativ leicht auszumachen, sagt Professor Harald Simons, der die Studie “Schwarmstädte in Deutschland” im Auftrag der Deutschen Wohnungsbau- und Immobilienwirtschaft erstellt hat:
“Das sind ganz einfach die Städte, wo Sie und ich auch gerne hinziehen würden. Die Bevölkerung sortiert sich innerhalb Deutschlands neu – wie ein Vogelschwarm, der in diesen begehrten Städten einfällt und dort für knappen Wohnraum sorgt.”
Professor Harald Simons
München, Regensburg, Nürnberg, Landshut, Augsburg
In Bayern sind das – keine Überraschung – München, Regensburg, Nürnberg, Landshut und Augsburg. Wenn man nach den Ursachen forscht, tritt Erstaunliches zu Tage: In den letzten Jahren wurden viele Hochschulen außerhalb der Zentren gebaut und es sind viele Jobs in eher kleinstädtischen Regionen entstanden. Aber das nutzt alles nichts. Was zählt, ist nicht der Job oder die Uni, sondern eine Mindestdichte an Menschen und den damit verbundenen Freizeitaktivitäten.
Alten-Wanderung
“Wenn die Stadt, in der man Arbeit findet, als nicht akzeptabel angesehen wird, pendelt man lieber – durchaus auch lange Strecken. In Zukunft bilden sich aus den Schwarmstädten heraus die Staus am Morgen, und abends das gleiche Spiel zurück in die Stadt.”
Professor Harald Simons
Verrückte Welt!
Und auch ein Hinweis darauf, dass alle Förderprogramme der Politik am Ende die Abstimmung mit den Füßen nicht aufhalten können. Und auch das bei Kommunalpolitikern beliebte Verteilen auf dem Land, hier eine Schule, da ein Einkaufszentrum und an einem dritten Ort dann das Kino, funktioniert nicht. Wichtiger wäre, auch in der Provinz, kleine Zentren zu haben, wo zum Beispiel die Studenten der örtlichen Fachhochschule für Leben sorgen und Neubürger davon ausgehen können, dass es auch in 20 Jahren noch einen Bäcker vor Ort gibt. Jeder sollte gleich wissen, was gemeint ist, wenn man sagt “ich fahr’ mal in die Stadt”.
Berufsanfänger-Wanderung
Mit der enormen Zuwanderung von Flüchtlingen verstärkt sich einerseits dieser Effekt, andererseits ist es aber auch eine Chance für die ländlichen Regionen. Auch die Flüchtlinge gehen am liebsten in die Städte, von denen sie schon gehört haben oder wo Bekannte oder Familienangehörige wohnen. Insofern verhalten sie sich ganz ähnlich wie der deutsche “Schwarm”. Andererseits klappt Integration auf dem Land oft besser als in der Stadt. Jedenfalls dann, wenn die Behörden bei der Zuteilung von Flüchtlingen mit Augenmaß vorgehen.
Arbeitsmangel auf dem Land
Und gerade auf dem Land herrscht Arbeitskräftemangel, besonders bei Handwerkern. Die Arbeitsämter in der Provinz können ein Lied davon singen. Auch der Wohnungs-Leerstand ist auf dem Land weitaus größer als in den Städten, allerdings sind diese Wohnungen oft unattraktiv und abgewohnt. Die Mietpreisbremse ist für die sich leerenden Regionen übrigens eher ein Ärgernis. Die Provinz punktet mit dem Prinzip “gut wohnen, wenig Miete zahlen”. Das klappt umso weniger, je billiger der Gesetzgeber den Wohnraum in den Schwarmstädten macht.
Der Präsident des Verbandes der deutschen Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, sieht jedenfalls keinen Grund für Panik angesichts der Zuwanderung.
“Wir haben schon seit Jahren ein Problem damit, dass zu wenig günstige Wohnungen gebaut werden. Das verschärft sich natürlich durch den enormen Zuzug von Flüchtlingen noch mal. Aber wenn uns die Politik hilft, nicht nur mit finanzieller Förderung, sondern auch mit Vereinfachungen im Baurecht, dann können wir das ohne Weiteres stemmen. Und ich betone auch ausdrücklich: Wir brauchen mehr Wohnungen für alle, nicht nur für die Flüchtlinge.”
Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes der deutschen Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen (GdW)
Auf Wohnungssuche in München
Bei der Verteilung der Gelder für den Wohnungsbau sind die Länder ganz unterschiedlich aufgestellt. Während viele Bundesländer zum Beispiel nur verbilligte Kredite vergeben oder die Fördermittel gleich ganz im Haushalt versenken, nutzt Bayern die Zuschüsse aus Berlin direkt für den Wohnungsbau. Bayerns beliebteste – und teuerste – Schwarmstadt München kann übrigens mit einer Besonderheit aufwarten: bei den Älteren, den 55-75-jährigen, ist München Rekordhalter der Abwanderung. Jeder sechste Münchener zieht im Alter weg. Spitzenposition in ganz Deutschland.
Fazit der Studie
Sogenannte Schwarmstädte gewinnen immer mehr an Attraktivität. Neue Wohnungen müssen her, und auf dem Land sollte man sich darauf konzentrieren, kleine, lebenswerte Zentren zu schaffen. Die Flüchtlinge werden mit um den Wohnraum in den Schwarmstädten konkurrieren, aber andererseits auch helfen, sich leerende Landstriche wieder mit Leben zu füllen.
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