An Franck Ribéry scheiden sich in Frankreich weiter die Geister: Während der 30 Jahre alte französische Supertechniker bei Bayern München der ungekrönte Fußball-König, wenn nicht gar der zweite Kaiser ist, geben ihm in einer Internet-Blitzumfrage der Fachzeitschrift „France Football“ 48 Prozent der Abstimmenden die Hauptschuld an dem 0:2 (0:0) am Freitag in Kiew gegen die Ukraine im Play-off-Hinspiel.
Die Kritiker meinen, Ribery habe sich zu sehr unter Druck gesetzt und mehr an den Gewinn des persönlichen Titels „Weltfußballer des Jahres“ gedacht als an die WM-Qualifikation seines Heimatlandes. „Alarmstufe Rot“, titelte L‘Equipe. Das Umfrage-Ergebnis stellt allerdings keine wirkliche Überraschung dar, denn Europas Fußballer des Jahres wird nach den Vorkommnissen bei der WM 2010 in Südafrika in der französischen Öffentlichkeit immer noch sehr kritisch beurteilt.
Nach dem Spiel gratuliert Schwedenstar Zlatan Ibrahimovic (l) Portugals Siegtorschützen Cristiano Ronaldo. Foto: Tiago Petinga
Die Grande Nation muss nun befürchten, erstmals seit 20 Jahren die WM-Teilnahme zu verpassen. Damals war bekanntlich der Bulgare Emil Kostadinow der große Spielverderber für die Equipe Tricolore gewesen. Er hatte in der Qualifikation am 17. November 1993 zwei Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit das 2:1 erzielt.
Am Freitag wurde Ribéry von den Ukrainern weitgehend beherrscht und aus dem Spiel genommen – das Bayern-Ass konnte nicht wie gewohnt brillieren, gab erst in der Schlussphase seinen einzigen Torschuss ab und verschwand hinterher kommentarlos im Mannschaftsbus. Trainer Didier Deschamps nahm seine Lichtgestalt gleich nach dem Spiel indes in Schutz: „Es gab wenige Eins-zu-Eins-Situationen, Ribery wurde fast immer gedoppelt. Natürlich wusste die Ukraine um seine Gefährlichkeit. Sie haben sehr aggressiv gegen ihn gespielt, viele Fouls begangen und die Räume eng gemacht.“
#gallery
Die Medien hingegen fordern von ihm, am Dienstag über sich hinauszuwachsen, mehr in die Mitte zu wechseln statt links zu kleben, häufiger zu schießen und seine Mitspieler in seinem Windschatten zu einer besseren Leistung zu zwingen. Kurzum: Ein Wunder muss her. Denn noch nie hat eine europäische Mannschaft in einem K.o.-Spiel zur WM-Qualifikation ein 0:2 gedreht.
Den Führungstreffer für die Ukraine, die bisher nur einmal den Sprung zu einer WM-Endrunde (2006 in Deutschland) geschafft hatte, erzielte vor 70 000 Zuschauern in Kiew Roman Sosulja (61.). Für die Entscheidung sorgte Andrej Jarmolenko (82., Foulelfmeter). In der Nachspielzeit sah Frankreichs Laurent Koscielny die Rote (90.+1) und Ukraines Alexander Kutscher (90.+5) die Gelb-Rote Karte. Das Spiel hatte übrigens nur eine Einschaltquote von 9,3 Millionen Zuschauern (Marktanteil für TF1: 37,5 Prozent), und das entscheidende Match am Dienstag im Stade de France von St. Denis ist noch nicht ausverkauft.
Auch Chefcoach Didier Deschamps gerät wegen der Aufstellung von Samir Nasri auf der Position des Spielmachers in die Kritik. Sein wenig optimistisches Fazit („Wir müssen dran glauben. Und alle Kräfte bündeln“) wirft die Frage auf, ob der Trainer nicht im Grunde schon resigniert hat, statt zu einer Trotzreaktion zu blasen. Ex-Bayern-Profi Bixente Lizarazu formulierte das so: „Frankreich muss kämpferischer auftreten. Das ist die Grundvoraussetzung für eine Überraschung. Aber können sie aggressiv sein und gleichzeitig kaltblütig bleiben?“ Der Dienstag wird es zeigen. (sid)