Herr Bedford-Strohm, wie war Ihr erstes Jahr im Amt?
Heinrich Bedford-Strohm: Es war eine ungeheuer reiche Erfahrung, das hätte ich mir vorher kaum erträumen können. Das Schönste war für mich der Kontakt mit den Menschen überall in Bayern. Ich bin sehr viel gereist, habe Gemeinden und Dekanate kennengelernt und viele beglückende Gottesdienste gefeiert. Das Engagement der Menschen, das ich dort erlebt habe, hat mich sehr beeindruckt.
Was ist der größte Unterschied zu Ihrer vorigen Arbeit als Universitätsprofessor?
Bedford-Strohm: Die Terminfolge ist viel dichter – und jeder Satz, den sich sage, kann potenziell eine große Beachtung finden. Lautes Nachdenken, was einen Wissenschaftler auszeichnet, ist als Landesbischof nicht immer eine Tugend.
Was vermissen Sie ?
Bedford-Strohm: Die Freiheit, ohne Zeitdruck am Schreibtisch zu arbeiten. Ich habe so viele Termine zugesagt, dass ich zum Lesen kaum mehr Zeit habe. Aber irgendwann muss ich mir auch wieder neue Gedanken zuführen.
Was sehen Sie als Hauptziel Ihrer Amtszeit?
Bedford-Strohm: Ich möchte die Kraft der christlichen Überlieferung für Menschen heute neu aufschließen. Im Hinblick auf Fragen, die öffentlich diskutiert werden, möchte ich Orientierung geben: den Umgang mit der Natur, soziale Gerechtigkeit, die Frage nach der Anwendung militärischer Gewalt oder die bioethischen Fragen, die Beginn und Ende des Lebens betreffen.
Das ist ein ziemlich weites Feld.
Bedford-Strohm: Unsere Welt ist ein weites Feld, und christlicher Glaube bezieht sich immer auf die Welt. Die Kirche ist eine wichtige gesellschaftliche Kraft und deswegen darf man von ihr auch erwarten, dass sie zu den großen Zukunftsfragen, die die Menschen bewegen, Orientierung gibt.
Entsteht aus dieser Vorstellung auch Ihr Satz: „Wer fromm ist, muss politisch sein“?
Bedford-Strohm: Das ist in der Tat damit eng verbunden. Das Doppelgebot der Liebe heißt: Gott lieben und den Nächsten lieben. Wenn ich den Nächsten liebe und mich für seine Not interessiere, dann muss ich daran interessiert sein, die Ursachen dieser Not zu beseitigen.
Sie sind auf Facebook sehr aktiv. Warum?
Bedford-Strohm: Weil viele Menschen heute viel Zeit im Internet verbringen und sich dort wichtige Diskussionen abspielen. Ich finde, dass wir als Kirche in diesem Lebensbereich präsent sein sollten. Außerdem möchte ich meine Tätigkeit transparent gestalten. Vor allem aber ist Facebook spannend, weil ich Rückmeldungen höre zu wichtigen Fragen, die uns als Kirche beschäftigen. Facebook ist natürlich nur ein Ausschnitt.
Aber Sie schreiben Facebook-Meldungen nicht selbst, oder?
Bedford-Strohm: Doch, natürlich! Davon lebt es doch. Jedes Wort, was dort unter meinem Namen erscheint, ist von mir selbst. Das ist nicht so schwierig, ich kann das zwischendrin machen. Und mir macht die Kommunikation einfach Freude.
Was bedeutet der Reformationstag für Sie persönlich?
Bedford-Strohm: Das ist für mich der Tag der Freiheit. Die reformatorische Botschaft von der Freiheit eines Christenmenschen, gegründet in Christus, aber engagiert in der Welt, ist für mich die Grundlage unseres evangelischen Glaubens.
Also ein richtiger Feiertag?
Bedford-Strohm: So ist es, ein absoluter Feiertag, ein Tag der Freude über Gottes Liebe, die sich in der Welt zeigt und die jeder von uns erfahren kann.
Donaukurier