Von Shirin Sojitrawalla
Ein Augenblick für die Ewigkeit: Die Gäste sitzen im 35 Grad heißen Außenbecken des Schwimmbads und staunen hinüber zu den schneebedeckten Spitzen des Watzmanns, die gerade im überirdisch leuchtenden Abendrot versinken. Das ist wie Kino, nur schöner. Das Becken mit Aussicht gehört zum ausgiebigen Spa-Bereich des Hotels Intercontinental Berchtesgaden, auf dem Obersalzberg, dem einzigen Hotel weit und breit. 2008 wurde die hochpreisige Herberge eröffnet und bietet ihren Besuchern wohltuend exklusiven Urlaub. Dabei lassen sich in der Bergwelt rund um Berchtesgaden unterschiedliche Ferienvorlieben mühelos verbinden.
Selbstverständlich steht hier oben Wandern, Wandern, Wandern auf dem Programm. Doch mit der Dauerausstellung zur Geschichte im Dokumentationszentrum Obersalzberg versteht es die Region eben auch, ihre geschichtlichen Eigenheiten ins Blickfeld zu rücken. Hoch oben auf dem gleichnamigen Berg thront das Kehlsteinhaus, Amerikaner und Engländer sprechen vom „Eagle’s Nest“, andere von „Hitlers Teehaus“. Jeden Tag schlängeln sich Besuchermassen in Bussen die steile Straße hinauf, für Privatleute ist sie gesperrt, um erst gar keinen rechten Massentourismus anzufachen. Dasselbe gilt für das Intercontinental, dessen Preise sich nur Ausgewählte gönnen können. Das mit klaren Proportionen protzende Hotel befindet sich auf einstigem „Führersperrgebiet“. Nicht weit vom Hotel stand früher die Villa Hermann Görings. Und wer morgens einen geführten Rundgang rund um das Anwesen wagt, sieht sich mit der Historie konfrontiert. Ansonsten aber fühlt sich der Besucher hier, als sei er unvermittelt in eine Fototapete spaziert. Die Betten im Hotel sind nicht zufällig so ausgerichtet, dass man von dort aus durch breite Panoramafenster die naturgewaltige Bergwelt bewundern kann. Wer Glück hat, erwacht am Morgen und wird von einem kreisrunden Mond zwischen pathetisch auftrumpfenden Bergspitzen überrascht. Der Rundumblick in die Natur verdreht einem in dieser Gegend immer wieder den Kopf. Nur eine halbe Stunde von Salzburg entfernt, darf sich der Städter wie in einem anderen Universum fühlen. Dabei erinnert alles ein wenig an die Ideallandschaften einer Spielzeugeisenbahn. Saftiges Grün, friedlich glotzende Kühe, rote Geranien vor den Balkonen. Zweifellos gehört die wohl geordnete Region zu denjenigen, die den angeblichen Tugenden am ehesten entspricht. Trotzdem oder gerade deswegen stammen die meisten Besucher aus Deutschland. Dabei bietet es sich geradezu an, einen Wanderurlaub mit einer Wellness-Auszeit zu verbinden. Seine Muskeln nach dem Abstieg beim Saunieren oder einer Massage wieder entspannen zu lassen, ist nicht nur angeraten, sondern schlicht heilsam. Und man muss gar nicht bis nach Indien fliegen, um sich asiatischen Heilkünsten hinzugeben, sondern kann auf Kräuterhexereien der Region vertrauen. Ingrid Priebe hat sich auf so genanntes „Almyurveda“ spezialisiert, was meint, dass sie mit Zutaten aus dem Garten allerlei Wehwehchen kuriert. Im Berghotel Rehlegg in Ramsau bietet sie ihre Künste an, breitet warm gemachte Apfelstückchen auf verspannte Rückenpartien, massiert geplagte Füße mit Rettich, rührt alles mögliche aus der Küche für Gesichtsmasken an, legt Kartoffelpackungen auf Nacken und wickelt Kohlblätter um entzündete Sehnenscheiden. Ayurveda auf Bayerisch. Die Rückbesinnung auf Heilkünste, die schon Paracelsus und Hildegard von Bingen predigten, bestätigt einen Trend, der das Zurück zum Herkömmlichen fordert. Das Wandern als ein Zurück-zur-Natur ist dabei Breiten- wie Trendsportart in einem. Rund um Ramsau, das mit dem Nationalpark Berchtesgarden vorbildlich geschützte Landschaften vorweisen kann, lässt sich auf allen Niveaus und Anstrengungsgraden unterwegs sein. Wer sich neben Sport und Wellness nach Kultur sehnt, für den gibt es einen Rundgang der bildenden Kunst. Schon im 19. Jahrhundert hat die malerische Landschaft viele Künstler angezogen. An den Stellen, an denen sie damals ihre Staffeleien aufstellten, warten jetzt kleine Hinweisschilder, die das hier entstandene Bild zeigen und Informationen zum Werk bereithalten. Nicht weit vom Hotel Rehlegg entfernt, fertigte Wilhelm Busch 1859 eine Bleistiftzeichnung von Ramsau an. „Das waren die ersten Werbeprospekte“, sagt Franz Lichtmannegger, der gemeinsam mit seinem Cousin Johannes das Hotel Rehlegg den neuen Zeiten anpasst. Dazu gehören ausgedehnte Spa-Bereiche sowie Yogastunden. Besucher verwöhnen sie schon mal mit einem Frühstück hoch oben, etwa auf der Freiluftterrasse der Berggaststätte am Hirscheck. Mit klopfenden Herzen und verschwitzten Rücken kommen die Erholungssuchenden dort an, begaffen ergriffen die Bergwelt ringsum und fühlen sich einfach nur wohl. W