Die Villa Kennedy ist gewohntes Terrain für Manuel Neuer. Wann immer der Fußball-Weltmeister in Frankfurt zu Gast ist, residiert er in dem Fünf-Sterne-Hotel in unmittelbarer Nähe zum Main. Also lässt sich der 29 Jahre alte Torhüter von Bayern München im Atrium gelassen auf eines der Loungemöbel fallen und erwartet im Interview gleich eine Frage zum EM-Qualifikationsspiel gegen Polen am Freitag (20.45 Uhr/RTL und in unserem Live-Ticker). Doch es kommt anders
Herr Neuer, wir starten kulturell: Welches Museum haben Sie zuletzt besucht?
Manuel Neuer: Ach herrje, ehrlich?
Nur raus damit.
Neuer: Die Vereinsmuseen von Schalke und Bayern.
Sie ziehen also in kultureller Sicht den Sport der Kunst oder Wissenschaft vor.
Neuer: Ich bin kein typischer Museumsgänger. Während meiner Schulzeit habe ich ein Kunstmuseum besucht und das Bergbaumuseum in Bochum. Das war’s.
Im künftigen DFB-Museum in Dortmund wird Ihre Torwartkluft vom WM-Viertelfinale gegen Frankreich zu sehen sein. Mal angenommen, Sie stünden jetzt davor: Woran würden Sie zuerst denken?
Neuer: Es bleibt immer etwas Besonderes, allerdings gibt es so viele Momente, die in Erinnerung bleiben. Und nicht mal diejenigen so sehr, die auf dem Platz stattgefunden haben. Stattdessen eher die Menschen in Brasilien und im Campo Bahia, das Wetter, der Erfolg und die schöne Zeit mit den Kollegen.
Der Kampf um den Platz im DFB-Tor hinter Manuel Neuer ist eröffnet. Bundestorwarttrainer Köpke hat auch Schalke-Keeper Ralf Fährmann auf dem Zettel.
Und wir dachten, Ihre unbeschreibliche Reaktion gegen Karim Benzema in der Schlussphase wäre es gewesen. Welche Parade hat Sie zuletzt beeindruckt?
Neuer: Beim Elfmeter, den Xabi Alonso im Supercup gegen Wolfsburg in die Mitte schießt und den Koen Casteels hält, weil er sein Bein richtig schnell hochbekommt. Das hat er richtig gut gemacht.
Lernt man mehr aus erfolgreichen Rettungsaktionen oder aus vermeidbaren Gegentoren?
Neuer: Man lernt aus allem. Wenn in einem ansonsten guten Training bei mir eine Aktion schlecht läuft, bin ich sehr unzufrieden und sehr kritisch mit mir selbst. Auch wenn andere sagen, spinnst du, das war doch gut, bin ich dann doch so ehrgeizig. Bei Spielen ist der Ärger auch dann längst nicht verflogen, wenn ich unter der Dusche stehe. Ich bin grundsätzlich der Meinung: So, wie ich trainiere, spiele ich auch. Deshalb nehme ich alle Einheiten ernst.
Nach der WM hieß es: Sie haben das Torwartspiel verändert, wenn nicht gar revolutioniert. War es Ihnen zu langweilig, nur zwei-, dreimal im Spiel im Mittelpunkt zu stehen?
Neuer: Das Aufbauspiel, die Ausflüge aus dem Sechzehner haben ja auch schon vorher zu meinem Spiel gehört. In Deutschland und Europa kannte man meine Spielweise, das war kein Geheimnis. Eine WM ist aber noch einmal eine andere Plattform für Zuschauer in Südamerika, Afrika oder Asien. Deswegen hat das so eine Dimension angenommen.
Hat Sie der WM-Erfolg in irgendeiner Form verändert?
Neuer: Ich stehe nicht anders auf als früher. Natürlich habe ich seit dem letzten Sommer ein Lächeln mehr im Gesicht, aber ich würde nicht sagen, dass ich mich persönlich verändert habe.
Das DFB-Team muss am Freitag im Rückspiel der EM-Qualifikation gegen Polen ran. Kapitän Bastian Schweinsteiger betont:” Wir brauchen Punkte”.
Dabei sind Druck und ebenso ständiges Lob ja nicht einfach zu verarbeiten.
Neuer: Ich habe meine wahren Experten um mich, also die Torwarttrainer und ein, zwei Vertraute, mit denen ich über Fußball rede. Die schauen noch einmal anders auf den Sport als Außenstehende, die einfach nur sagen: Junge, top gespielt. Das klingt natürlich toll, du hörst aber doch eher auf diejenigen, die noch Feinheiten und Nuancen sehen, was man besser machen kann. Das sind deine besten Kritiker.
Was überwiegt in Ihnen auf dem Platz bei einer Entscheidungsfindung – Vernunft oder Risiko?
Neuer: Es ist eine Mischung. Ich will die eine Lösung haben, wie ich den Ball halte. Ich weiß, dass ich manchmal ein Risiko eingehe. Aber das sind Situationen, in denen ich der Mannschaft helfen und nicht mich zeigen will. Darum ist es eigentlich auch eher die Vernunft, mit der ich Angriffe abwehren will. Das passiert instinktiv.
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