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Der Wahlfälschungsskandal in Geiselhöring wird immer bizarrer: Erntehelfer stimmen für ihre Chefin, die so für die CSU in den Kreisttag einzieht. Und jetzt werden auch noch schwere Vorwürfe gegen die ermittelnde Beamte bekannt.
Josef Rothammer gehört keiner Partei an, für ein politisches Amt hat er sich nie beworben. Schon gar nicht hat er ein solches ausgeübt. So betrachtet ist er im Moment der ideale Bürgermeister für Geiselhöring. Seit gut 40 Jahren versieht Rothammer, 61, seinen Dienst als unbescholtener Beamter, im Landratsamt Straubing-Bogen leitet er das Sachgebiet für kommunale Angelegenheiten. Gesucht war eine Person, welche die niederbayerische Kleinstadt nach Monaten von Misstrauen und Verdächtigungen unaufgeregt zur nächsten Wahl führen soll. Einer wie der Regierungsrat Rothammer, der mit der Neutralität eines Staatsbeauftragten nun das Tagesgeschäft im Rathaus abwickelt.
Vor einer Woche hat das Landratsamt die Stadtrats- und Bürgermeisterwahlen in Geiselhöring wegen “Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften” offiziell für ungültig erklärt. Der Kreistag von Straubing-Bogen wurde laut Bescheid der Regierung von Niederbayern ebenfalls aufgelöst. Sollte gegen die Beschlüsse keine Klage eingehen, werden die Wahlen wiederholt – vermutlich Anfang nächsten Jahres. Dann soll berichtigt werden, was zuletzt so gründlich misslang: Geiselhöring und der Kreis sollen gewählte Vertreter bekommen, die über jeden Verdacht erhaben sind.
465 Erntehelfer setzten das Kreuz bei ihrer Chefin
Dass es bei den Wahlen am 16. März nicht mit rechten Dingen zuging, daran lassen die Bescheide der Behörden keinen Zweifel mehr. 499 überwiegend rumänische Erntehelfer waren in Geiselhöring mit Hauptwohnsitz gemeldet. 465 beteiligten sich an der Wahl, 460 per Briefwahl. Wohl alle waren über Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) beim Spargel- und Beerenbetrieb Baumann beschäftigt. Wohl alle gaben ihre Stimmen für ihre Chefin Rosemarie Baumann sowie fünf weitere Stadtratskandidaten auf der CSU-Liste ab. CSU-Mann Herbert Lichtinger setzte sich am Ende mit 303 Stimmen Vorsprung gegen Bürgermeister Bernhard Krempl (Freie Wähler) durch. Sowohl Baumann, die wegen Verdachts der Wahlfälschung im Fokus staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen steht, als auch Lichtinger bestreiten, sie hätten mit der Sache etwas zu tun.
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Namen von möglichen Tätern werden in den Prüfberichten nicht genannt, wer jedoch Einblick in die Ermittlungsunterlagen hatte, berichtet von offenbar lange geplanten kriminellen Machenschaften. Demnach wurden die rumänischen Erntehelfer teils kurzfristig bei der Stadt Geiselhöring angemeldet. Nach Zustellung der Wahlbenachrichtigungen wurden die Briefwahlunterlagen aus dem Internet heruntergeladen – und offenbar per Kurier nach Rumänien gebracht. Von den Erntehelfern unterschrieben, wurden die Zettel wieder nach Geiselhöring zurückgefahren – wo sie dann erst ausgefüllt worden sein sollen.
Einige Rumänen gaben bei der ermittelnden Kriminalpolizei Passau an, sie hätten zwar etwas unterschrieben, aber keine Kreuzchen gemacht. Blankostimmzettel und Wahlschein seien von einem Busfahrer wieder nach Deutschland gebracht worden. Ein Schriftgutachten des Landeskriminalamts ergab, dass die Eintragungen in zunächst 272 untersuchten Kreistagsstimmzetteln zu 99,99 Prozent nicht von jeweils verschiedenen, unabhängig voneinander handelnden Wählern ausgefüllt worden seien. Vieles spreche dafür, dass die Zettel nur von zwei oder drei, maximal fünf Personen ausgefüllt worden seien.
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