Vom Deppen zum Helden: Robbens Märchen

London – Überschwängliche Freude, unbändige Wut, unglaubliche Genugtuung: Als Arjen Robben Bayern München im “German Endspiel” zum Champions-League-Sieger machte, explodierte seine Gefühlswelt. Am 19. Mai 2012 war der Superstar beim “Drama dahoam” noch der Depp – ein Jahr und sechs Tage später führte er den Rekordmeister mit dem Siegtor gegen Borussia Dortmund auf Europas Fußball-Thron.

Nach seinem Treffer in der 89. Minute zum 2:1 eilte Robben in die Bayern-Kurve – und plötzlich kam alles wieder hoch. Der verschossene Elfmeter gegen den FC Chelsea beim “Drama dahoam”, die Pfiffe der eigenen Fans “zu Hause” in der Arena nur wenige Tage später, all die Verletzungen, Degradierungen und bitteren Niederlagen einer großen, aber bis zu diesem Abend in Wembley unvollendeten Karriere.

“Ich habe nicht vergessen, was im letzten Jahr passiert ist”, sagte Robben, “da kam alles hoch. Ich will nicht sagen, die ganze Karriere, aber doch schon sehr viele Momente.” Schaut! Mich! An!, schrie Robben mit jeder Faser seines Körpers. Ihr wolltet mich nicht mehr – und nun habe ich euch euren größten Traum erfüllt! Vergessen die Final-Niederlagen mit den Bayern 2010 und 2012, weggewischt die Pleite im WM-Endspiel 2010 mit den Niederlanden, die man ihm wegen einer verpassten Großchance angekreidet hatte. “Es war mein viertes großes Finale, am Ende willst du nicht der Loser sein”, sagte er.

Der Mann des Tages

Diesen besonderen Druck, der die Bayern zu Beginn lähmte, spürte er besonders. Robben begann nervös und vergab Chance um Chance. Die Bayern-Fans raunten bereits. Doch anders als in der Vergangenheit haderte er nicht mit sich, er machte einfach weiter. Als er in der Halbzeitpause vom Platz ging, legte er die Hand auf die Stirn und schüttelte kurz den Kopf. Dann unternahm er einen neuen Anlauf.

Und wie! Erst legte der 29-Jährige das 1:0 von Mario Mandzukic auf, dann schoss er die Bayern in den siebten Fußball-Himmel. Klar, dass Robben vom großen Alex Ferguson als “Man of the match” geehrt wurde. Als Schiedsrichter Nicola Rizzoli abpfiff, übermannten ihn erneut die Gefühle. Er ging auf die Knie, bearbeitete den Rasen mit den Händen wie ein Heavy-Metal-Schlagzeuger seine Drums und weinte hemmungslos. “Das bedeutet mir sehr viel, ich kann es nicht fassen. Es ist wie ein Traum nach all den Enttäuschungen”, sagte er später.

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Negativerlebnisse “in positive Energie umwandeln”

Diese “negativen Dinge”, wie er sie nannte, habe er im Vorfeld versucht, “in positive Energie umzuwandeln”. Als er auf den Rasen schritt, habe er nur verstohlen auf den Henkelpott geschielt. “Ich wollte nicht zu viel daran denken, dachte nur: Wir sehen uns später! “

Und dann kam es tatsächlich zu einem zweiten, viel intensiveren Rendezvous mit den Cup an diesem Abend. Danach startete Robben seine ganz persönliche Show. Mit der niederländischen Fahne um die Hüften gab er sich als Vorsänger, die Fans skandierten seinen Namen. Der Matchwinner stand dabei auf einer Werbebande, auf der der Slogan “go further” leuchtete. Weiter, immer weiter – es war Robbens Leitmotiv.

Robben entführt den Pokal

Lange umarmte er Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Masseur Fredi Binder, bei der Feier im Londoner Stadtzentrum gehörte er zu den Vortänzern. Klar, dass Robben den Pokal um kurz nach halb drei mit in die Nacht entführen durfte. Ein letzter Blick zurück? Nein, vorbei, sagte Robben. “Ich bin nur noch stolz, dass ich Teil dieses Teams bin.”

Und dass er noch mehr will im Pokalfinale am nächsten Samstag gegen den VfB Stuttgart, konnte man schon am Sonntagmorgen erahnen. Nach einer sehr kurzen Nacht stand Robben um kurz vor zehn im Anzug wie aus dem Ei gepellt schon wieder vor dem Teamhotel und schrieb fleißig Autogramme.

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