Anzeige
Rauchverbot, Atomausstieg – und nun die Studiengebühren: Bei all diesen Themen wollte die Möchtegern-Volkspartei CSU zunächst etwas anderes als das Volk. Die Wendemanöver von Ministerpräsident Seehofer haben ein atemberaubendes Tempo erreicht. Jeden anderen Parteichef würde es aus der Kurve tragen. Seehofer nicht. Bislang.
Es ist eine Show, eine perfekte Show, die Horst Seehofer da abzieht. Die Studiengebühren werden abgeschafft, entweder vom Volk oder vom Landtag. Das hat Horst Seehofer gesagt, bevor die nötigen Unterschriften zusammengekommen sind und das sagt er jetzt, nachdem das Quorum für die Abschaffung der Uni-Maut locker erreicht wurde.
Der Ministerpräsident hat also mit seiner Prognose Recht behalten. Wieder einmal. Wieder einmal? Es ist genau dieses “Wieder einmal”, das in Bayern wie selbstverständlich mitzuklingen scheint bei solchen Sätzen. Dabei ist es kaum logisch erklärbar.
Zur Erinnerung. Eingeführt hat die Studiengebühren im Jahr 2007: die CSU. Als wäre alles andere des Teufels hat die Gebühren fünf Jahre lang verteidigt: die CSU. Und das Volksbegehren gegen die Gebühren mit allen Mitteln verhindern wollte: die CSU.
Erst nachdem die Freien Wähler bei Gericht die Volksbefragung durchgesetzt hatten, die Umfragen einen Erfolg prophezeiten, da schwenkte die Partei um. Und Seehofer erklärt jetzt jedem, den er zu fassen bekommt, dass er von den Gebühren ja noch nie etwas gehalten hat. Das stimmt. Aber unternommen hat er, der mächtige Ministerpräsident, der seine Partei eigentlich so gut im Griff hat, nichts dagegen.
Anzeige
Das Ergebnis des Bürgerbegehrens ist deshalb eine heftige Watschn. Für die schwarz-gelbe Regierung in Bayern, die miserabel da steht. Für die FDP, die immer noch an den Studiengebühren festhalten will. Aber auch für die CSU und ihren Chef.
Und es ist nicht der einzige Schlag, den die CSU einstecken musste in den letzten Jahren. Es wurde kräftig gerüttelt am Watschenbaum: Rauchverbot, Atomausstieg, die dritte Startbahn des Münchner Flughafen. Donauausbau, Alkoholausschank an Tankstellen, die Liste ließe sich beliebig erweitern. Alles Themen, die die Menschen im Land bewegen. Alles Themen, bei denen die Möchtegern-Volkspartei CSU eine Beton-Meinung vertrat, mit der sie nicht auf der Seite des Volkes war. Bei diesen Themen lag sie schlicht neben dem, was die Menschen in Bayern wollen.
Umso atemberaubender erscheint es, wie es Seehofer im Wahljahr 2013 schafft, all diese Themen abzuräumen. Er legt ein Wendemanöver nach dem anderen hin, bei denen es jeden anderen Parteichef in Deutschland mit voller Wucht aus der Kurve tragen würde.
Doch Seehofer kommt zwar durch die Wucht der eigenen Wendeanstrengungen ständig von dem Weg ab, der in der CSU über Jahrzehnte als der einzig gangbare galt. Trotzdem gelingt dem Ministerpräsidenten immer wieder, den neuen Weg als den viel schöneren zu verkaufen.
In der Partei nehmen ihm das einige übel. Aufzumucken traut sich aber keiner, auch, weil dieser Populismus offenbar bei den Wählern verfängt. In Bayern, das zeigen aktuelle Umfragen, scheint sogar wieder eine CSU-Alleinregierung möglich. Obwohl Seehofer seine Partei der Beliebigkeit preisgegeben hat? Oder genau deswegen?
Seehofer gibt den Landesvater, gibt vor, sich um die Probleme der Menschen zu kümmern. Dabei kümmert er sich vor allem um seine Partei. Tatsächlich ist es ihm gelungen, die CSU, die an der Schmach von 2008 zu zerbrechen drohte, zu reparieren. Inhaltlich wird dagegen kaum etwas bleiben von Seehofers erster Amtszeit, außer dem umstrittenen Betreuungsgeld.
Genau deshalb ist Horst Seehofer noch lange nicht am Ziel. Sein Wahlsieg ist nicht sicher. Denn wenn es der im Moment noch viel zu zaghaft agierenden Opposition gelingt, den Erfolg des gewonnenen Bürgerbegehrens für eine schlagkräftige Attacke zu nutzen, wenn sie es endlich schafft, aus der Defensive herauszukommen, die CSU bei wichtigen Themen zu stellen und irgendwann sogar noch Rückenwind aus Berlin bekommt – dann ist sogar in Bayern alles möglich. Auch das Ende der Seehofer-Show. Das Ende des “Wieder einmal” – des wieder einmal CSU.