Bei der Befragung, die das spanische Verfassungsgericht untersagt hatte, votierten nach einer vorläufigen Auszählung 80,1 Prozent der Teilnehmer dafür, dass Katalonien einen eigenen Staat bilden und sich von Spanien abspalten sollte.
Trotz eines gerichtlichen Verbots hatten rund zwei Million Katalanen ihre Stimme bei einer Volksbefragung über die Unabhängigkeit ihrer Region im Nordosten Spaniens abgegeben. Bis 18.00 Uhr – zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale – beteiligten sich 1,98 Millionen Menschen an der unverbindlichen Befragung, teilte Kataloniens Vizeregierungschefin Joana Ortega in Barcelona mit.
Wie Tausende andere Katalanen stellte sich auch Pep Guardiola sich in eine Warteschlange. Der Trainer des deutschen Fußballmeisters Bayern München harrte vor einem Wahllokal in Barcelona aus, bis er seinen Stimmzettel in die Urne werfen konnte.
“Wenn so viele Menschen abstimmen wollen, gibt es keine Gesetze, die sie daran hindern können.”
Pep Guardiola, Trainer des FC Bayern München
Mehr als 40.000 freiwillige Helfer
Die Stimmabgabe verlief bis in die Abendstunden ohne größere Zwischenfälle. Die mehr als 1.300 Wahllokale in der Region seien wie geplant geöffnet worden, teilte die Regionalregierung mit. Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich lange Warteschlangen.
Mehr als 40.000 freiwillige Helfer hatten Urnen aufgestellt und nahmen die Stimmzettel entgegen. Rund 5,5 Millionen Stimmberechtigte über 16 Jahren konnten sich gegen Vorlage ihrer Personalausweise an der Befragung beteiligen. Sie konnten zwei Fragen beantworten: “Wollen Sie, dass Katalonien einen Staat bildet? Wenn ja, soll dieser Staat unabhängig sein?”
Spanisches Verfassungsgericht untersagt Referendum
Das spanische Verfassungsgericht hatte die Volksbefragung aufgrund einer Verfassungsklage der spanischen Zentralregierung eigentlich untersagt. Die Regionalregierung hielt trotzdem an der Abstimmung fest. Madrid hatte angekündigt, die Befragung zu tolerieren unter der Bedingung, dass die Regionalregierung sich nicht an der Organisation beteilige.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy betonte, die Befragung werde keinerlei Auswirkungen haben. “Solange ich Regierungschef bin, wird die Verfassung eingehalten”, bekräftigte er. “Niemand wird die Einheit Spaniens zerbrechen.” Die Staatsanwaltschaft in Katalonien leitete auf Geheiß des Madrider Generalstaatsanwalts Ermittlungen ein, ob das Öffnen von Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen für die Stimmabgabe einen Verstoß gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts darstellte.
Erste Ergebnisse für Montag erwartet
Der katalanische Regierungschef Artur Mas betonte, ein Vorgehen gegen die Befragung wäre ein “Angriff auf die Demokratie und auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung”. Seine Regionalregierung wollte die Auszählung der Stimmen vornehmen und das Ergebnis verkünden. Das Resultat wird am Montag erwartet.
In der Vergangenheit hatten an Befragungen dieser Art auf kommunaler Ebene überwiegend Katalanen teilgenommen, die ohnehin für eine Abspaltung der Region von Spanien waren. Deshalb richtete sich das Interesse vor allem auf die Beteiligung. Sollte sie sehr hoch ausfallen, würde dies die Position der Unabhängigkeitsbewegung stärken.
Angeregt vom Schottischen Referendum
Die Katalanen hatten eigentlich – ähnlich wie die Schotten – ein bindendes Referendum über die Unabhängigkeit abhalten wollen. Von diesem Vorhaben rückten sie aber nach einem Verbot des spanischen Verfassungsgerichts ab. Die spanische Zentralregierung lehnt eine Volksabstimmung strikt ab. Sie weist darauf hin, dass die Einheit des Landes in der Verfassung festgeschrieben sei. Über eine Änderung des Grundgesetzes könne nur das spanische Volk insgesamt entscheiden.
Katalonien ist mit 7,5 Millionen Einwohnern die wirtschaftsstärkste Region Spaniens. Sie verfügt über eine eigene Sprache und Kultur sowie über weitreichende Autonomierechte. Unter der Franco-Diktatur (1939-1975) war der Gebrauch des Katalanischen in der Öffentlichkeit unterdrückt worden. Jetzt ist die Sprache ebenso wie das Spanische Amtssprache in Katalonien.
Unterstützung aus dem Baskenland
Unterstützung erhielten die Katalanen von der Regierung der Autonomen Region des Baskenlandes. Die Abstimmung werde einen Meilenstein darstellen, der “hoffentlich eine Verhandlungsphase einleiten” und “einen wirksameren partizipativen Prozess” in ganz Spanien ermöglichen werde, sagte Regierungssprecher Josu Erkoreka in Bilbao.
Zu einer Kundgebung zur Unterstützung der Befragung kamen im baskischen San Sebastián nach Angaben der Organisatoren rund 10.000 Menschen zusammen. Mit Kleidungsstücken und Regenschirmen bildeten sie am Strand die Flaggen Kataloniens und Schottlands nach. Schottland hatte am 18. September gegen eine Abspaltung gestimmt. Auch im Baskenland gibt es starke Unabhängigkeitsbestrebungen.
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