Bayern – Leverkusen: Jörg Butt im kicker-Interview
kicker: Herr Butt, Ihre beiden Ex-Klubs sind mit je zwei Siegen in die Saison gestartet. Am Samstagabend treffen die Teams im Bundesliga-Topspiel aufeinander. Was erwarten Sie?
Butt: Es wird eine interessante Partie. Wegen des Heimspiels sehe ich den FC Bayern als Favorit. Leverkusen hat eine junge, gute Mannschaft, das haben sie am Mittwoch beim 3:0 gegen Rom bewiesen. Ich freue mich auf ein spannendes Spiel, glaube aber, dass Bayern die Nase vorn haben wird.
kicker: Sie sprechen Leverkusens Einzug in die Gruppenphase der Champions League an. Wie wichtig ist dieser Erfolg sportlich und finanziell für den Verein?
Butt: Das Sportliche steht ganz klar im Vordergrund, für Spieler und Verein. Mir wird oft zu viel über das Finanzielle geredet. Man muss sich auf den sportlichen Erfolg konzentrieren, er ist die Grundlage, dann kommt die wirtschaftliche Komponente von selbst hinzu.
kicker: Ist der Trainer Roger Schmidt der Richtige für eine sportlich erfolgreiche Zukunft?
Butt: Ja, ich denke schon. Roger Schmidt hat die Mannschaft kontinuierlich weiterentwickelt. Er macht einen unaufgeregten Eindruck und bringt alles mit, um über Jahre bei Bayer erfolgreich zu sein.
„Vidal kann bei Bayern ein Führungsspieler werden.“Jörg Butt
kicker: In zehn Jahren Allianz-Arena gelang dem Team lediglich ein Bundesligasieg im rotbeleuchteten Fußball-Tempel. Für wen schlägt Ihr Herz am Samstagabend?
Butt: Für die Bayern, ich drücke ihnen die Daumen. Ich habe dort meine Karriere beendet, wohne in München und besuche regelmäßig die Spiele.
kicker: Arturo Vidal stand ebenso wie Sie in der Bundesliga zuerst bei Leverkusen unter Vertrag, ehe er zum FC Bayern wechselte. Was dürfen sich die Münchner von ihm erwarten?
Butt: Vidal hat in Leverkusen die Möglichkeit erhalten, sich als Südamerikaner zu akklimatisieren und sich an den europäischen Fußball zu gewöhnen, was ihm gut gelang. Mit Juventus Turin feierte er dann viele Erfolge. Bei Bayern kann er ein Führungsspieler werden; über die Erfahrungswerte dafür verfügt er.
kicker: Hat dem FC Bayern in der vergangenen Saison ein Arturo Vidal gefehlt?
Butt: Das sehe ich nicht so. Die Erwartungshaltung in München ist riesig. Man ist unzufrieden, wenn man nur Deutscher Meister wird. Dabei sollte man berücksichtigen, dass es sich um eine Saison nach der Weltmeisterschaft gehandelt hat – da ist es normal, dass ein Philipp Lahm und ein Bastian Schweinsteiger nicht durchgehend auf Top-Niveau spielen können. Bayern litt zudem unter Verletzungspech. Vidal ist eine sehr gute Verstärkung, aber ich glaube nicht, dass es dem FC Bayern an Aggressivität gefehlt hat.
kicker: Am Samstag fehlen Jerome Boateng Gelb-Rot-gesperrt und Medhi Benatia verletzt. Sehen Sie noch Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt?
Butt: Nein. Boateng muss nur ein Spiel aussetzen. Zudem haben die Bayern genügend Innenverteidiger. Dante bleibt wohl, Holger Badstuber und der flexible Javi Martinez laufen schon wieder. Da gibt es keinen Anlass, um nochmals tätig zu werden.
„Auch mit De Bruyne würde es kein Selbstläufer für Wolfsburg werden, niemand garantiert, dass er erneut eine so starke Saison hinlegt.“Jörg Butt über den Verkauf von Kevin De Bruyne
kicker: Ergibt sich für Leverkusen zumindest eine Chance?
Butt: Obwohl Boateng eine Lücke hinterlässt, glaube ich nicht, dass es eine große Schwächung ist für den FCB.
kicker: Werden sich die Bayern ihre vierte Meisterschaft in Folge sichern?
Butt: Ja, davon gehe ich aus. Der Verein hat sich in den vergangenen Jahren super entwickelt. Bleiben die Spieler fit, werden sie auch in der Champions League einiges reißen können.
kicker: Würde sich der VfL Wolfsburg mit dem Verkauf von Kevin De Bruyne zu Manchester City aus dem Meisterschaftsrennen verabschieden?
Butt: Die Frage ist, was noch passiert. Er hatte großen Anteil am Erfolg der Wolfsburger in der vergangenen Saison. Sportlich wäre es ein herber Verlust. Der VfL täte gut daran, das Geld in den Kader zu investieren. Hinter den Bayern spielen Dortmund, Wolfsburg und Leverkusen um die Champions-League-Plätze. Auch mit De Bruyne würde es kein Selbstläufer für Wolfsburg werden, niemand garantiert, dass er erneut eine so starke Saison hinlegt.
kicker: Auch Bayer Leverkusen hat einen Offensivspieler in Richtung Insel ziehen lassen, Heung-Min Son.
Butt: Das ging ziemlich fix über die Bühne. Ich war selbst überrascht.
kicker: In München kommt es auch zum Duell zwischen zwei deutschen Top-Torhütern, Manuel Neuer und Bernd Leno. Ist Leverkusens Schlussmann Deutschlands Nummer zwei?
Butt: Hinter Manuel gibt es einige Torhüter, da gehört Leno auf jeden Fall dazu, genauso Marc-André ter Stegen. Entscheidend ist: Die Kandidaten müssen sich international zeigen können und konstant Leistung bringen.
kicker: Umso wichtiger für Leno, Champions League zu spielen…
Butt: …nicht nur für Leno, für alle Spieler, die den Anspruch haben, in der Nationalmannschaft zu spielen.
kicker: Was kann Neuer von Leno lernen?
Butt: Das ist der falsche Ansatz (lacht). Manuel spielt auf absolutem Top-Niveau, er braucht keine Ratschläge. Er entwickelt sich ohnehin stetig weiter, und ist allen anderen weit voraus.
„Für ter Stegen wird es schwierig, sich über Jahre durchsetzen zu können.“Jörg Butt über die Torhütersituation in der Primera Division
kicker: Wer ist besser: Ter Stegen oder Leno?
Butt: Leno hat nun die Chance, sich national und international zu beweisen. Für ter Stegen wäre es wichtig, sowohl in der Champions League als auch in der Liga zu spielen. In Spanien haben Torhüter einen anderen Stellenwert, dort ist es normal, dass rotiert wird. Es wird schwierig für ihn, sich als Ausländer über Jahre durchsetzen zu können. Für einen Nationaltorwart ist Spielpraxis enorm wichtig. In Deutschland stehen Torhüter meist in einer Führungsrolle, daran können sie wachsen. Für die Entwicklung eines Keepers ist die Bundesliga besser.
kicker: Wie lauten Ihre Prognosen für die Bundesligasaison 2015/16?
Butt: Bayern wird Meister. Leverkusen zählt für mich wie in den letzten Jahren zu den Top-Teams. Sie werden sich für die Königsklasse qualifizieren, weil in der Mannschaft ein Riesenpotenzial steckt. Am Samstag aber gewinnt der FC Bayern – vielleicht mit 2:1.
Interview: Georg Holzner
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