Als der FC Bayern sich anschickte, auch den deutschen Basketball aufzumischen, war eines der selbsterklärten Ziele, zur ersten Adresse für junge deutsche Nationalspieler zu werden. Doch am Mittwoch, als die Münchner mit einem 83:73-Sieg das fünfte und entscheidende Meisterschaftsfinale bei Brose Bamberg an diesem Sonntag (15.00 Uhr) erzwangen, ließ Trainer Svetislav Pesic die Jungnationalspieler Robin Benzing und Lucca Staiger keine Sekunde mitspielen, und der hochbegabte Paul Zipser erzielte keinen einzigen Punkt. Diese Play-off-Runde, die vielleicht beste und packendste, die es bisher gab im deutschen Basketball, ist keine Bühne für flotte Jungs, sondern für gestandene Männer.
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Autor: Christian Eichler, Sportkorrespondent in München.
Die Bayern betrachten die Saison mit „all den Nackenschlägen“ (Geschäftsführer Marko Pesic), diese „wilde Achterbahnfahrt“ (Kapitän Bryce Taylor), als ultimative Charakterprobe. Dieses Gefühl hat sich in den vergangenen Tagen durch private Schicksalsschläge noch verstärkt. Am Freitag reiste Flügelspieler Dusko Savanovic zur Beerdigung seines Vaters nach Belgrad. Am selben Tag erhielt ein weiterer Spieler, Jan Jagla, der Schwiegersohn des Trainers, die Nachricht vom Tod seines Vaters.
„Wir sind noch enger zusammengerückt“, beteuert Taylor, neben dem unter den Körben dominanten amerikanischen Landsmann John Bryant mit 22 Punkten der entscheidende Mann beim Ausgleich zum 2:2. „Wir haben bisher so viele Probleme gemeistert, von denen die Leute gar nichts wissen.“ Die, von denen man wusste, waren mehr als ein Dutzend Ausfälle im Saisonverlauf, zuletzt der besonders schmerzliche von Spielmacher Anton Gavel, auf dessen Rückkehr am Sonntag die Bayern hoffen.
Im Schwitzkasten von Assistent Emir Mutapcic
Schon nach dem dramatischen Halbfinalsieg in der Verlängerung des fünften Spiels bei Alba Berlin hatte das Team eine mentale Wagenburg gebildet. Mehrere Spieler verbreiteten den Spruch „Unterschätze nie das Herz eines Champions“, ihre Version des bayrischen Klub-Mantras „Mia san mia“. Nun soll der Showdown in der ohrenbetäubenden „Frankenhölle“ von Bamberg den finalen Beweis liefern, dass man sich wirklich von nichts unterkriegen lässt. Es wäre im Sport nichts Neues, dass das Gefühl, die ganze Welt gegen sich zu haben, enorme Kräfte freisetzen kann – wie sie in einem solch engen Duell entscheidend sein können.
Ein Pesic-Team neigt ohnehin nicht dazu, sich aufzugeben. Der Trainerveteran impft seinen Mannschaften eine zähe Hartleibigkeit und listige Stressresistenz ein, wie er sie selbst ausstrahlt. Im Spiel wirkt er zwar manchmal am Rande des Kontrollverlustes, doch wird nie ganz klar, ob all das nur ein taktisches Manöver ist – so wie im vierten Spiel, als sein Assistent Emir Mutapcic ihn in den Schwitzkasten nahm, um ihn im Streit mit den Schiedsrichtern scheinbar von Schlimmerem abzuhalten als von Beschimpfungen. Die Bayern lagen da 13:19 hinten – machten dann zehn Punkte in Folge und gaben das Spiel nicht mehr aus der Hand. Es war, als habe der Trainer mit seinem Wutanfall genau den richtigen Impuls gesetzt.
Dieser Artikel ist aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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Auch vor dem Spiel hatte Pesic das richtige Gespür gezeigt und überraschend eine entscheidende Aufgabe einem jungen Spieler anvertraut – einen Großteil der Abwehrarbeit gegen den besten Bamberger, Brad Wanamaker. Der 21-jährige Vasilije Micic, dessen Schwester Nina als Snowboarderin bei den Olympischen Winterspielen 2014 startete und der selbst als Skifahrer viermal serbischer Jugendmeister war, zeigte sich seiner bisher schwierigsten Rolle als Basketballer nervlich gewachsen – und bestätigte die Menschenkenntnis seines Coaches.
Angesichts der Physis und Heimstärke der Bamberger, die in der Meisterschaft nur ein einziges Heimspiel verloren – das erste Play-off gegen die Bayern -, wird Pesic wohl auch am Sonntag bessere Ideen brauchen als sein italienischer Gegenspieler Andrea Trinchieri. Die Erfahrung spricht für den Serben. In 33 Jahren als Trainer errang er acht nationale Meisterschaften und alle internationalen Titel, die es gibt: die EuroLeague mit Barcelona, den Eurocup mit Girona, den Korac-Cup mit Berlin, die Europameisterschaft mit Deutschland und mit Jugoslawien die Europa- und die Weltmeisterschaft.
„Die Motivation ist auf jeden Fall da, auch bei den Spielern, die im Moment private Probleme und andere Gedanken haben“, sagte Pesic vor der Reise nach Bamberg. „Die Vorbereitung ist nicht so einfach, wie wir uns gewünscht hatten. Aber so ist das Leben.“ Wenn es einer kennt, dann er.