Streit in Österreich und Bayern: Darf es Obergrenzen für Flüchtlinge geben?
WIEN. Trotz des Kälteeinbruchs mit Schnee bis zum Mittelmeer reißt der Flüchtlingsstrom auch zu Jahresbeginn nicht ab. Und damit geht in Österreich die Diskussion um eine Eindämmung, sprich Obergrenzen, weiter.
Nach dem Streit um Grenzzäune geht es jetzt um Höchstquoten für Asylwerber und um die Wiedereinführung von Einreisekontrollen
Der Druck innerhalb der Koalition kommt aus der ÖVP, die SPÖ lehnt Quoten abgesehen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl weiter ab.
Am Mittwoch forderte Niessls steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer (VP) eine Verschärfung: “Wir müssen die Dinge benennen, auch in Bezug auf die Frage, wie viele Flüchtlinge verträgt das Land, ohne dass wir den eigenen Kindern und Kindeskindern die Zukunft verbauen”, forderte Schützenhöfer im ORF einen restriktiveren Umgang vor allem mit Wirtschaftsmigranten. Kriegsflüchtlinge müssten weiter temporär einen Platz in Österreich finden.
Eine klare Linie dürfte es dazu aber auch innerhalb der ÖVP noch nicht geben. Parteichef Reinhold Mitterlehner hatte zuletzt von jährlich 90.000 bis 100.000 Asylanträgen als Kapazitätsgrenze gesprochen. Was Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (VP) wiederum zu viel wäre. Im Vorjahr wurden (ohne Dezember) 80.470 Anträge registriert.
Im benachbarten Bayern hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) “höchstens 200.000 Asylbewerber pro Jahr” als Obergrenze für Deutschland gefordert. Wie in Österreich Werner Faymann (SP) lehnt auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Quoten ab.
Heftige Kritik an der EU kam zuletzt aus Bayern und aus Österreich, weil die europäische Solidarität über Aufteilungsquoten für Flüchtlinge vorerst ein Papiertiger bleibt (siehe Kasten). Das sei “ein erschütterndes Zeichen”. Wenn das “2016 nicht besser wird, bleibt die Gefahr, dass die EU in sich zerfällt”, warnte Schützenhöfer. VP-Klubobmann Reinhold Lopatka will sich notfalls ein Beispiel an Schweden und Dänemark nehmen und auch in Österreich wieder Grenzkontrollen einführen.
Ein Ansinnen, das SP-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid unter dem Titel “Chaostage in der ÖVP” zurückwies. Schmid warf dem Koalitionspartner vor, mangels klarer Linie nur die Bevölkerung zu verunsichern.
Bekenntnis zur Reisefreiheit
Weil Brüssel den Kern des Schengenabkommens, die Reisefreiheit für alle EU-Bürger innerhalb der Union, bedroht sieht, hat EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos gestern Regierungsvertreter von Deutschland, Dänemark und Schweden zum Krisentreffen geladen. Denn “die Personenfreizügigkeit müsse gerettet werden”, verwies Avramopoulos auf die in Dänemark und Schweden zunächst temporär wiedereingeführten stichprobenartigen Grenzkontrollen.
Am Ende stand das Bekenntnis aller, Schengen retten zu wollen. Der deutsche Staatssekretär Ole Schröder verwies auf Merkel, die an einer “europäischen Lösung” arbeite. Das Problem sei der EU-Außengrenzschutz, der vor allem an der griechisch-türkischen Grenze nicht funktioniere.
Kaum Umverteilung innerhalb der EU
160.000 in Griechenland und Italien ankommende Flüchtlinge sollen innerhalb der Union umverteilt werden. Diese von den EU-Staaten Anfang Dezember beschlossene erste Quotenregelung ist noch weit weg von einer Umsetzung.
Bis Mittwoch waren es 272 Flüchtlinge, die direkt in anderen Mitgliedsstaaten untergebracht wurden, meldete die EU-Kommission.
Österreich hat sich im Rahmen dieser EU-Quote zur Aufnahme von 1953 Flüchtlingen verpflichtet. Mangels freier Plätze wurde bisher aber niemand übernommen.
Die wenigen Transfers aus Italien gingen bisher nach Finnland, Frankreich, Deutschland und Portugal. Schutzsuchende aus Griechenland landeten in Finnland, Deutschland, Litauen, Luxemburg und Portugal.
(luc)