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Die Familie von Johann Mayer, dem einzigen Berufsfischer auf der bayerischen Donau, lebt seit dem 18. Jahrhundert vom Fischfang. Der 65-Jährige genießt an Bord seines Bootes die Vorzüge des Berufes: kein Druck, keine Hektik. Und die Nachfolge ist auch gesichert
Ruhig fließt die Donau dahin, kaum ein Wellenschlag ist in Sicht. Auwälder säumen das Ufer, Äste baumeln dicht über der Wasseroberfläche. Die Morgensonne spiegelt sich im glitzernden Wasser. Etwa fünf Kilometer Luftlinie nordwestlich der niederbayerischen Stadt Straubing, nur wenige Meter vom Ufer entfernt, tuckert die Zille von Johann Mayer den breiten Fluss entlang. Inzwischen ist Mayer der einzige Vollerwerbsberufsfischer auf der bayerischen Donau.
Gut sieben Meter ist das silberfarbene Aluboot lang. “Früher waren wir auf Holzbooten unterwegs”, erzählt Johann Mayer. Nicht selten bekamen sie Risse oder wurden undicht, sodass sie spätestens nach zwei Jahren erneuert werden mussten. Mayer sitzt auf der schmalen Alubank am hinteren Ende und steuert das Boot. Vorne an der Spitze steht sein Schwiegersohn Andreas Wolf oder “Anderl”, wie Mayer ihn nennt. Er hält Ausschau nach der Leine des Netzes. Jeden Morgen, von Montag bis Donnerstag, fahren die beiden gemeinsam raus aufs Wasser zum Fischen. Einige Bootslängen sind sie mittlerweile von der unauffälligen Einlassstelle entfernt. Das Auge reicht weit in die Ferne bis zum Bayerischen Wald.
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Heute zieht Johann Mayer vor allem Brassen, Nasen, Rotaugen und Barsche aus dem Wasser.
Bild: Armin Weigel
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Frischfisch: Mayer fuhr schon als Bub mit seinem Vater zum Fischfang auf die Donau hinaus.
Bild: Armin Weigel
Und da, plötzlich schimmert zwischen den Sträuchern am Rande des Ufers eine gelbe Leine durch das Grün. An ihr hängt ein 100 Meter langes Netz bis in die Mitte der Donau. “Die Bleileine zieht’s nach unten und der Kork an der anderen Seite hält’s oben”, erklärt Wolf. Während Mayer mit dem Elektromotor das Boot gegen die Strömung antreibt, holt sein Schwiegersohn Stück für Stück das Netz ein. “Das ist Teamarbeit”, sagt Mayer. Alleine fährt er nicht raus. Auf etwa 300 Hektar ober- und unterhalb von Straubing hat er Fischrechte auf der Donau und ihren Zuflüssen.
Am Tag zuvor, es war später Nachmittag, hatte er die Netze ausgeworfen. Was seitdem ins Netz gegangen ist? “Da haben wir eine Brasse, Nasen, Rotaugen, Barsch. Ein Hecht ist auch dabei”, mustert Wolf die Ausbeute. Mit gekonnten Handgriffen befreit er die Fische an Maul und Kiemen aus den Maschen und wirft sie in den Wassertrog in der Mitte des Bootes. Die meisten zappeln noch in seinen Händen. “Wir wollen die Fische ja lebend heimbringen”, erklärt Johann Mayer. Nur so bleiben sie möglichst lange frisch und verbessern sich im Geschmack, weiß der Fischer. Verkauft werden sie von seiner Frau und Tochter im heimischen Hofladen sowie auf dem Wochenmarkt in Straubing.
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Von klein auf fuhr Mayer mit seinem Vater zum Fischen auf die Donau hinaus. Er erinnert sich nicht mehr, wie alt er war, als er das erste Mal mitfahren durfte. “Aber Grundvoraussetzung war bei uns, dass man schwimmen konnte”, sagt Mayer. Die Flussfischerei hat in der Familie Mayer lange Tradition, bis 1720 in etwa lässt sie sich zurückverfolgen. Wie sein Großvater und Vater waren alle Vorfahren hauptberuflich Fischer. Im tiefsten Winter, wenn keine Fischerei möglich ist, arbeiteten sie in ihrem Zweitberuf als Schuster oder Maurer. Vor dem Krieg gab es rund zehn Berufsfischer in Straubing, erinnert sich Mayer. Über die Jahre hat die Konkurrenz stark abgenommen. Heute ist er der einzige auf der Donau, der noch im Vollerwerb ausschließlich von der Fischerei lebt. Im Winter greift er auf seine Vorräte zurück.
Leben lässt es sich gut, wenn man die Unkosten im Griff hat, meint Mayer. Aber: “Man muss auf dem Teppich bleiben.” Mal fällt jemand aus, mal fängt man nicht so viel wie gewünscht. Johann Mayer kann seinen Kunden nicht im Voraus Versprechungen machen. Man muss nehmen, was kommt. Für gewöhnlich “ist die Nachfrage immer größer als das Angebot”. Die Mehrheit der Abnehmer sind Stammkunden. Von Zeit zu Zeit fragt auch mal ein Wirtshaus an, das sich auf Fisch aus der Region spezialisiert hat. Hochwertiger Zander, Hecht oder Barsch stehen dann auf der Speisekarte.
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Mit dem Bau der Staudämme kurz vor der Jahrtausendwende sind viele Arten in der Donau ausgestorben. “Die Voraussetzungen sind nicht mehr gegeben”, sagt Mayer. Bei Wind und Wetter geht er mit seinem Schwiegersohn fischen, am ungemütlichsten ist es bei Minusgraden. Aber die beiden genießen auch die Vorzüge ihres Berufs. Kein Druck, keine Hektik. Sie mögen die Ruhe hier auf dem Wasser. “Ich war immer schon gern in der Natur”, erzählt Andreas Wolf. “Irgendwann habe ich dann mein Hobby zum Beruf gemacht.” Eines Tages wird er den Betrieb seines Schwiegervaters weiterführen. Im Moment sitzt Johann Mayer zufrieden auf seiner Zille. “Noch fühle ich mich fit”, sagt der 65-Jährige. Mit ihm geht die Familientradition nicht dem Ende zu.
Für die Tipps danken wir Petra Neuberger aus Straubing und Claudia Thun aus Geiselhöring.
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