Dass er in seiner Freizeit einmal Klinken putzen und Spenden sammeln würde, hätte sich Kirchenmusikdirektor Rainer Goede nie träumen lassen. Doch dann kamen die Geldsorgen. Die Ansbacher Gesamtkirchengemeinde hatte mit sinkenden Mittelzuweisungen zu kämpfen. Auch Goedes Kirchenkonzerte waren in Gefahr. Da kam ihm eine Idee: Zusammen mit engagierten Gemeindegliedern gründete er die Stiftung Kirchenmusik Ansbach.
»Ich will eigentlich nur die Welt verbessern. Deswegen mache ich Musik«, sagt Kirchenmusikdirektor Rainer Goede: »Und Kirchenmusik ist die beste Musik, die man machen kann. Weil sie getragen ist. Weil sie die Menschen nicht nur unterhalten, sondern auch bessern soll.«
Kirchenmusik ist Goedes ganze Leidenschaft. »Das ist die beste Musik. Weil sie getragen ist. Weil sie nicht nur zur Unterhaltung da ist, sondern auch zur Besserung«, sagt er. Als Kirchenmusikdirektor hat er seine Passion zum Beruf gemacht. Alles was in der Gesamtkirchengemeinde mit Musik zu tun hat, fällt in sein Aufgabengebiet: Unter anderem leitet er die Kantorei und den liturgischen Chor, teilt die Orgeldienste ein und gibt selbst regelmäßig Konzerte an der Orgel.
Besonders stolz ist Goede auf seine umfangreiche Musikbibliothek aus dem Jahr 1806. Die Regale in seinem Büro sind voll mit Partituren und Notenheften. »Aus diesem Schatz führen wir gerne einiges auf«, sagt er.
Zu seinen Aufgaben gehört es allerdings auch, einen Finanzetat aufzustellen. Jedes Jahr muss er dem Kirchenvorstand einen Plan vorlegen, wie er die Kirchenkonzerte finanzieren will.
Ein kirchliches Konzert ist alles andere als billig. »Da wären zum einen das Orchester, die Vokalsolisten und unsere Chöre. Und zum anderen die Noten, die Reisekosten und die Unterbringung – da kommt einiges zusammen«, rechnet der Musiker vor. »Die Chöre und der Dirigent bekommen zwar kein Honorar, aber alle anderen. Das sind Profis, die leben davon. Niemand kann erwarten, dass sie kostenlos arbeiten.«
Drei Gründer der Stiftung Kirchenmusik Ansbach: Friedrich-Wilhelm Brumberg, Hiltrud Zimmermann und Kirchenmusikdirektor Rainer Goede (von links).
Ein Kantatenkonzert mit kleiner Besetzung koste etwa drei- bis viertausend Euro. Ein größeres Konzert mit Symphonieorchester schlage mit bis zu 15 000 Euro zu Buche. »Wir sind letztlich auch ein Wirtschaftsunternehmen«, meint der Musikdirektor. Doch der Zuschuss der Kirchengemeinde und die Eintrittsgelder reichen meist nicht aus, um die geplanten Konzerte vollständig zu finanzieren.
Goede muss die benötigten Mittel regelmäßig bei öffentlichen Kulturförderern wie dem Bezirk Mittelfranken oder der Stadt Ansbach beantragen. Für den studierten Musiker eine unliebsame Aufgabe. In den vergangenen Jahren beanspruchte die Finanzierung immer mehr Raum in seinem Terminkalender.
»Die Mittelzuweisungen für die Gesamtkirchengemeinden gehen seit Jahren zurück. Besonders deutlich spüren wir das seit 2012. Da sind unsere Gelder um mehr als die Hälfte gekürzt worden«, klagt er. Und der Grund? »Das ist die Politik der Landeskirche und hängt mit dem internen Verteilungsschlüssel für die Gelder zusammen.«
Das Grundproblem sei jedoch die sinkende Zahl der Gläubigen, vermutet er. »Nehmen Sie zum Beispiel die Konfirmanden. Vor 60 Jahren hatten wir 330 Jungen und Mädchen pro Jahr. Heute sind es nur noch 50«, stellt Goede fest. Und fügt resigniert hinzu: »Das sind die Größenordnungen, in denen sich Volkskirche heutzutage bewegt.«
Aber Kirchenmusikdirektor Goede ist nicht der Mann, der sich von trüben Zukunftsprognosen abschrecken ließe. Fieberhaft suchte er nach einer Lösung. Da hörte er vor zweieinhalb Jahren auf der Werkwoche der bayerischen Kirchenmusiker zufällig einen Vortrag über Stiftungen. »Ich dachte mir gleich: Das machen wir auch«, erinnert sich der Musiker. Seine Idee: Eine eigene Stiftung für die Ansbacher Kirchenmusik, um eines Tages die sinkenden kirchlichen Mittel mit Zuschüssen aus der Stiftung abfangen zu können.
Zurück in Ansbach machte er sich auf die Suche nach Mitstreitern. Er fand vier: den Ansbacher Dekan Hans Stiegler sowie die Gemeindeglieder Hiltrud Zimmermann, Barbara Danowski und Friedrich-Wilhelm Brumberg.
Mehrere Monate lang trafen sich die fünf und planten. Sie berieten sich mit Fachleuten vom Kompetenzzentrum Fundraising der Landeskirchenstelle Ansbach, klärten die wichtigsten juristischen Fragen, etwa wie die Satzung der Stiftung aussehen könnte, und sammelten sogar schon erste Spenden ein. Ein halbes Jahr später fand in der Ansbacher Kirche St. Johannis ein besonderer Kantatengottesdienst statt.
»Damals haben wir unsere Absicht, eine Stiftung zu gründen, musikalisch in die Öffentlichkeit getragen«, sagt Goede. »An diesem Tag musizierten die Solisten und das Kammerorchester für Gotteslohn. Sie wollten zeigen: Wir ziehen alle an einem Strang.«
Jetzt ging die Arbeit erst richtig los. »Nachdem die Leute vorbereitet waren, konnten wir sie persönlich auf Spenden ansprechen. Das war angenehmer, als mit der Tür ins Haus zu fallen«, meint Mitstifterin Hiltrud Zimmermann. Unzählige Besuche bei potenziellen Spendern folgten.
Doch dank der Unterstützung des stadtbekannten Dekans Stiegler öffnete sich den Stiftern manche Türe, die sonst vielleicht verschlossen geblieben wäre. »Wir hatten gute Gespräche. Außer einer Ablehnung ganz am Anfang war kein einziges Gespräch abweisend«, bilanziert Goede. Trotzdem sei es »ein Haufen Arbeit« gewesen.
Die fünf Stifter arbeiten ehrenamtlich und opfern dafür regelmäßig ihren Feierabend. Auf die Frage nach seiner Motivation entgegnet der Musikdirektor lächelnd: »Ein Christ ist immer im Dienst.« Offensichtlich half den Stiftungsgründern das Motto des früheren EKD-Ratsvorsitzenden Otto Dibelius, denn innerhalb eines knappen Jahres hatten sie das notwendige Mindestkapital von 51 000 Euro für den Grundstock der Stiftung zusammen.
Die Spenden stammen hauptsächlich von Privatleuten, nur ein Unternehmen war dabei. Mit diesem Stiftungsgrundstock gründete Dekan Stiegler nach einem Sonntagsgottesdienst Ende April 2013 die Stiftung Kirchenmusik Ansbach und setzte feierlich seine Unterschrift unter die Satzung. Als einzigen Stiftungszweck sieht sie die finanzielle Unterstützung von Kantatengottesdiensten und Oratorien vor.
Bislang ist die Kirchenmusikstiftung allerdings nur eine symbolische Einrichtung. Denn wie alle Stiftungen ist sie langfristig angelegt. Sie finanziert ihre Arbeit ausschließlich aus den jährlichen Zinsen, die das angelegte Grundstockvermögen einbringt, das Kapital wird grundsätzlich nicht angetastet.
Goede hofft daher auf weitere Zustiftungen, um eines Tages »nennenswerte« Zinserträge für die Stiftungsarbeit zu erhalten. Wann das soweit sein wird, kann der Stiftungsmitgründer allerdings nicht sagen.
Sogar die Fachleute vom Kompetenzzentrum Fundraising der Landeskirchenstelle können dazu keine genauen Angaben machen. »Das ist abhängig davon, wie sich die Ansbacher Stiftung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickelt. Ob beispielsweise Erbschaften zugestiftet werden oder sich andere größere Spender finden«, sagt Wilhelm Popp. Der Stiftungsreferent war als Berater beteiligt. Grundsätzlich rät er jeder Gemeinde, die es sich aktuell leisten kann, eine Stiftung zu errichten. »Das Stiftungsmodell lohnt sich schließlich auch für andere gemeinnützige Organisationen. Warum sollte nicht auch die Kirche davon profitieren?«, meint Popp.
Mit Unterstützung der Beratungsstelle, die gleichzeitig als Stiftungsaufsicht fungiert, werden in Bayern pro Jahr zehn neue Kirchenstiftungen errichtet. Mittlerweile gibt es 233 kirchliche Stiftungen in Bayern. Ein Vorteil kirchlicher Stiftungen liege in der direkten Unterstützung durch die Kirche. Auf Wunsch des Stifters kann die Gemeinde helfen, personelle Engpässe zu überbrücken oder im Todesfall einen neuen Stiftungsvorstand wählen. So stelle sich auch der finanzielle Erfolg ein: »Ich kenne einige Stiftungen, die mit einem Grundstock von 51 000 Euro begonnen haben und ihn im Laufe der Jahre erfolgreich auf 500 000 Euro erhöht haben. Bei einem momentan realistischen Zins von etwa zwei Prozent läge der jährliche Profit bei 10 000 Euro«, schätzt Popp.
Diese Aussicht lässt auch die Ansbacher hoffen. Trotzdem mahnt Kirchenmusikdirektor Goede zu vorsichtigem Optimismus: »Mit der Errichtung ist die Arbeit nicht zu Ende, im Gegenteil.« Zunächst werden die Erträge daher direkt in die Stiftung fließen, um den Grundstock weiter zu erhöhen. Als Dankeschön für die Stifter wird der Kirchenmusikdirektor in diesem Jahr am 13. Juli auf der Wiegleb-Orgel in St. Gumbertus spielen. Da kann Goede endlich wieder seiner eigentlichen Leidenschaft frönen: der Kirchenmusik.