Zuallererst Kompliment nach Bayern bzw. Rimsting am Chiemsee an die Förderer der lokalen Historie Wolfgang Dettendorfer und DI Johann Nußbaum!
Jung-Theoderich um das Jahr 460 in Konstantinopel vor Kaiser Leo I.© Alle Bilder dieses Artikels: Jugend-Album, 29. Jg., Stuttgart o. J. (=1880)/W. Christian, Allgemeine Weltgeschichte, Fürth o. J. (=1898)/zitierte Zeitschrift. Repros: Iris Friedenberger
Jung-Theoderich um das Jahr 460 in Konstantinopel vor Kaiser Leo I.© Alle Bilder dieses Artikels: Jugend-Album, 29. Jg., Stuttgart o. J. (=1880)/W. Christian, Allgemeine Weltgeschichte, Fürth o. J. (=1898)/zitierte Zeitschrift. Repros: Iris Friedenberger
Und damit wandern wir bereits auf dem Rätselpfad, der sich durch diese Zeitreisengeschichte schlängelt; bei deren Titelzeile drängt sich ja die Frage auf, welcher Weg von Rimsting anno 2015 zu den Jahren 493ff und König Theoderich führt.
Mehr als den Tipp, dass der Germanenfürst bzw. Beherrscher Italiens nie über den Chiemsee nach Rimsting ruderte, gibt der Cicerone des Geschichtsfeuilletons freilich vorerst nicht. Indessen streut er weitere Stolpersteine und fragt hinterhältig zur Rätsel-Rallye: Welche Spur zieht sich von Rimsting nach Wien? Warum und wo ist der von Theoderich ermordete Odoaker in Wiens Stadtbild bis heute präsent? Kam Theoderich jemals an den Fluss Isonzo?
Anno 493 “beerbte” Theoderich (hier mit Schwester und Mutter) König Odoaker. – Unten: In Rimsting (Bayern) weiß man um Bezug zum Raum Wien, wo man aber einst . . .
Anno 493 “beerbte” Theoderich (hier mit Schwester und Mutter) König Odoaker. – Unten: In Rimsting (Bayern) weiß man um Bezug zum Raum Wien, wo man aber einst . . .
Aber, liebe Zeitreisende, keine Sorge! Diese Nüsse werden nach und nach in den folgenden Zeilen und Spalten geknackt. Gleich einmal zur Isonzo-Frage.
Vor 115 Jahren unternahm ein gewisser Professor Dr. Karl Moser einen kulturhistorischen Ausflug, den er am 9. Juni 1900 im “Wiener Zeitung”-Feuilleton Aus dem österreichischen Friaul breit schilderte.
In dem Bericht blickt Dr. Moser auch auf die alte Rocca (= Festung) bei Monfalcone nahe Triest. Er notiert: (…) wie imposant erhebt sich diese Veste, wenn man sie von Staranzano (dem Nachbarort, Anm.) aus sieht!Und: Sie soll vom Könige der Ostgothen Dietrich von Bern (…) erbaut (…) worden sein. Da dieser Sagenheld auf Theoderich zurückgeht (dessen Name mutierte zu “Dietrich”, das von ihm eroberte Verona zu “Bern”), würde die Rocca Werk der historischen Person sein. Beweisbar ist das nicht. Hingegen steht fest, dass der Ostgote anno 489 mit seinem Heer den Isonzo überschritt, der bei Monfalcone ins Meer mündet.
Jenseits des Isonzo sollte für den vielleicht anno 451 (oder etwas später) in Pannonien als Sohn des Ostgoten-Königs Theodemir geborenen Theoderich der politische Aufstieg beginnen.
Einiges hatte ihm schon das Schicksal in die Wiege gelegt; als Kronprinz war er auserkoren, einst sein Volk zu regieren und eventuell in fruchtbarere Lande zu führen. Mit etwa acht Jahren musste der Königsspross für ein Jahrzehnt als fürstliche Geisel zum oströmischen Kaiser Leo I. in Konstantinopel. Den Knaben mag das hart getroffen haben, der Jüngling aber lernte viel – griechische Sprache, Sitte, Kriegskunst. Nur mit Lesen und Schreiben haperte es.
Ob dem hohen Angehörigen des germanischen Stammes der Ostgoten die Buchstaben-Kritzelei als zu fremd, als verrucht römisch-griechisch galt? Wie auch immer, seinen Weg machte Theoderich auch ohne große Schreibereien.
Ums Jahr 474 übernahm er den Thron seines Vaters.
Darauf bedacht, nach außen stets als Verbündeter Ostroms aufzutreten (was er offensichtlich nur mimte), ging er daran, die ostgotische Position zu stärken.
Indirekt half ihm ein Germane anderen Stammes – der Skire Odoaker, der das Weströmische Reich 476 aufgelöst und sich zum König Italiens gemacht hatte. Ostrom war das ein Dorn im Auge, widerwillig anerkannte es Odoaker als “Patricius” (= Hochadliger ohne Königsrang) und wollte dessen Sturz. Anno 488 rief der Hof von Konstantinopel Theoderich zum Kampf gegen den Skiren auf. Ostrom hoffte wohl, im Krieg würden sich die Kontrahenten aufreiben.
Bekanntlich siegte aber der Ostgote, der mit seinem Volk nach Italien zog und 493 Odoaker erschlug.
Damit klappen wir das Kapitel rund um Roms Ende zu. Es folgt ein Zeitsprung.
Anno 1883 wurde der Skire in einem Vorort Wiens quasi wiederbelebt; man ehrte den Gemeuchelten und erklärte einen Verkehrsweg zur Odoakergasse. Denn die Gemeinderäte des Dorfes folgten uralten Spuren und glaubten, Theoderichs späteres Opfer habe ihren Ort als Odoakring (oder so ähnlich) gegründet.
Erst im 20. Jh. entdeckten Historiker, dass sich Ortsnamen im Chiemseegebiet auffallend im Raum Wien wiederholen. Was nahe dem See Burgersdorf, Siferling, Hitzing, Otterkring heißt, entspricht am Wienerwald Purkersdorf, Sievering, Hietzing, Ottakring. Heute weiß man um die Siedlungsbewegung aus Bayern im 9. oder 11. Jh. Bei Otterkring/Ottakring fand man eine extra Verbindung: Hier wie dort lebten im Mittelalter Familien namens Starchand/t.
Das bayerische Rimsting bzw. dessen Ortsteil Otterkring (unter 100 Bewohner) kennt den “Verwandten” Wien-Ottakring (ca. 100.000 Bewohner). Vor kurzem wies das “Rimstinger Gemeindeblatt” (Faksimiles l.) alle Bürger auf die alte Beziehung hin. Das ist Historie zum Angreifen. Ein Dankeschön dafür den beteiligten engagierten Rimstingern!
P.S. Odoaker blieb seine Gasse auch nach Ottakrings Aufgehen im Wiener Stadtverband bzw. nach neuen Fakten zur Ortsgründung erhalten. Theoderich brachte es nicht einmal zu einem Weg in Wien. Wenn das nicht eine kleine Rache der Geschichte für 493 ist…
Kopfnuss: Hätte Theoderich den Chiemsee durchrudert, welche drei Inseln hätte er gesehen? (Die geknackte Kopfnuss finden Sie auf der nächsten Seite.)