Beruhigend hügelt die Landschaft vor sich hin. Über weite Wiesen, in die Gegend gestreut schmucke Häuser im Landhausstil. Eine Idylle, wie aus dem Bilderbuch ist diese Autofahrt nach Anzing, eine halbe Stunde hinter München. In ein Sportzentrum, das sich direkt anschmiegt an ein sich über viele Kilometer streckendes Waldgebiet. Vor dem Eingangstor steht die Aufschrift „Tennisparadies Sepp Maier“.
„Tja, mein Paradies“, erklärt Sepp Maier und schmunzelt, „der Name steht noch da, obwohl ich es schon vor Monaten verkauft habe. Der Aufwand war mir einfach zu viel geworden. Ich werde 70, da will ich mein Leben mehr genießen.“ Ab und zu aber schaut er gern noch mal vorbei in der Wirtsstube von seinem „Paradies“.
So wie heute. Es ist früh am Tag, vor dem Sepp duftet ein frischer Kaffee. Daneben griffbereit eine silberne Dose, gefüllt mit Schnupftabak, längst ein Stück Markenzeichen. Links von ihm, sauber nebeneinander gereiht auf einem langen Sideboard, jede Menge Pokale, Münzen und Urkunden. Zeugen seiner einmaligen Karriere. Würdigungen aus 49 Jahren für den FC Bayern, aus 15 Jahren mit 95 Länderspielen. Er war die „Katze von Anzing“.
„Jo mei“, sagt der Bayer, „ich hatte in meiner Karriere auch sehr viel Glück.“ Er blieb in über 17 Jahren mit tollkühnen Flugeinlagen im Strafraum, „meinem Wohnzimmer“ (Maier), ohne schwere Blessuren.
Aussetzen musste er nur ein einziges Mal, für drei Spiele, nach einer Innenbandverletzung in der Saison 1965/66: „Danach habe ich durchgespielt, dreizehn Jahre lang, 442-mal am Stück. Das ist bis heute Bundesligarekord.“
Das Ende für ihn kam mit 35. Und vielleicht hätte er auch mit 40 noch im Tor gestanden, wenn nicht dieser 14. Juli 1979 gewesen wäre. Auf der Heimfahrt vom Training verunglückte Maier mit dem Auto auf regennasser Straße.
Was zunächst nur mit „äußerlichen Verletzungen“ diagnostiziert worden war, entpuppte sich später als Lungenriss, Zwerchfellriss und Leberstauchung, Bruch der rechten Hand. Uli Hoeneß reagierte prompt – in einer Nacht- und Nebelaktion ordnete der Manager die Verlegung von einem Kreiskrankenhaus in eine Universitätsklinik an. Maier: „Der Uli hat mir das Leben gerettet.“
Danach war Schluss mit der Karriere als Spieler. Maier wurde Torwarttrainer beim FC Bayern und der Nationalmannschaft. Und so nebenbei erfüllte er sich den Kindheitstraum von der Schauspielerei. In diesem Hobby war das Münchner Original Karl Valentin sein Vorbild. Wie dieser in grotesken Sketschen menschliche Schwächen offenbart, ohne den Menschen als Schwächling bloßzulegen.
Die Torhüter des FC Bayern seit Sepp Maier
Die Torhüter des FC Bayern seit Sepp Maier
Humor war für Maier immer auch ein Stück Elixier. Aus der aktiven Zeit legendär sind seine Zauberkünste im Trainingslager. Ebenso unvergessen dieses Bild mit dem Hechtsprung nach einer Ente, die sich 1972 beim 2:0 der Bayern gegen den VfL Bochum in den Strafraum des Olympiastadions verirrt hatte – noch heute auf youtube ein Renner.
Erinnerungen, auf die er jetzt eher zurückhaltend reagiert. Es drängt ihn nicht mehr ins Rampenlicht: „Ich mag meine Ruhe.“ Deshalb macht Maier auch ein Geheimnis daraus, was nun an seinem 70. Geburtstag passiert. Vielleicht zieht er sich mit Ehefrau Monika zurück in die Stille der kleinen Gemeinde Dorf Tirol, seinem zweiten Wohnsitz.
Dort, hinter dem Brenner-Pass in der Nähe von Meran, schmückt man sich gern mit dem Gast aus Deutschland. Auf einer Urkunde im Flur vom „Tennisparadies“ steht: „Der Amateursportverein Tirol ernennt Sepp Maier in Anerkennung seiner hervorragenden sportlichen Leistungen zum Ehrenmitglied.“ Schmunzelnd meint Maier: „Na ja, die sind halt a bissel stolz auf mich.“
SID