Sebastian Kurz: "Der Islam gehört zu Europa"

In New York hielt der Außenminister seine erste Rede vor dem UN-  Sicherheitsrat. In München  sprach er auf dem CSU-Zukunftskongress.

KURIER:  Herr Kurz, Sie haben in vier Tagen 15.562 Flugkilometer zurückgelegt und einen Termin-Marathon in Kiew, New York und München absolviert.  Kann man bei diplomatischen Gesprächen, die maximal 30 Minuten dauern, wirklich zu konkreten Abschlüssen kommen?

Sebastian Kurz: Es ist üblich, 30- bis 60-minütige Termine zu machen, wobei ich nichts von endlos langen Terminen und noch weniger von langen Reden halte. Manchmal erfährt man in zweiminütigen Vier-Augen-Gesprächen mehr als in langen Konferenzen. Ich bin ein Verfechter von prägnanten Sätzen, wo man sehr schnell am Punkt bringt, worum es geht. Bei Auslandsbesuchen treffe ich immer, wenn möglich, Wirtschaftstreibende aus Österreich, die mir ihre Probleme schildern. Bei Petro Poroschenko habe ich die Sorgen der österreichischen Wirtschaft gleich angesprochen und in einem konkreten Fall etwas in Bewegung gebracht.

Sie forderten vor dem UN-Sicherheitsrat, dass die UNO im Kampf gegen den IS-Terror aktiver wird. Hat die UNO hier die dramatische Entwicklung verschlafen?
Verschlafen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Die UNO hat die Schwäche, teilweise sehr starre Strukturen zu besitzen, und hat dadurch oftmals einen nur begrenzten Handlungsspielraum. Am Freitag hat aber ein erster wichtiger Schritt bei der UN-Sicherheitsratssitzung stattgefunden. Die Verbrechen in Syrien müssen an den Internationalen Strafgerichtshof verwiesen werden. Was hier passiert, ist ein Genozid. Es sind zehn Millionen Menschen auf der Flucht und 20  Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das darf nicht ungestraft bleiben.

Sie hatten auch einen Termin mit UN-Generalsekretär  Ban Ki-moon. Er sagt gerne, dass er eine Hälfte seines Herzens in Wien gelassen hat. Spürt man das bei den Gesprächen?
Ja, das spürt man etwa daran, dass Ban Ki-moon die einleitenden Sätze immer auf Deutsch spricht.  Er macht sich für Österreich als Amtssitz für internationale Organisationen stark. Das schafft eine Umwegrentabilität von mehreren  Hundert Millionen Euro und sichert zahlreiche Arbeitsplätze.   Er plant, auch zu den Feierlichkeiten „60 Jahre Österreich in der UNO“ wieder zu Besuch zu kommen.

Die UN-Sicherheitskonferenz stand unter dem Thema Religionsfreiheit. Wie wichtig ist Ihnen persönlich der Glaube?
Ich bin ein gläubiger Mensch. Der Glaube ist mir wichtig.

Sie hatten nun knapp 1,5 Jahre Zeit,  sich in das  Amt einzugewöhnen. Welche Vision haben Sie für das Außenministerium?
Als mir das Amt von Michael Spindelegger angeboten wurde, habe ich ihn gefragt: „Wie soll ich in die Breite an Themen und auch in die geografische Breite des Ministeriums hineinfinden?“ Seine Antwort war: „Das Ministerium ist zwar thematisch sehr breit, aber es gibt selten große Krisen.“ Wenige Wochen später  war die Ukraine-Krise am Höhepunkt. Ich bin mir daher nicht sicher, ob ich eine Eingewöhnungsphase hatte. Es war ein intensives Jahr. Es war gleichzeitig ein Jahr, wo ich mit meinem Zielen vorangekommen bin: Erstens dem Schwerpunkt auf dem Westbalkan. Wir sind keine Supermacht, aber wir können in geografischen und thematischen Nischen unseren Beitrag leisten wie etwa am Westbalkan, beim Religionsdialog und dem Islamgesetz. Außerdem ist es meine Zielsetzung, den Servicecharakter des Außenministeriums auszubauen. Unser Motto ist: Weltweit für Sie da. Die Strukturreform wird  diese Entwicklung beschleunigen.  

Sie hatten ein Treffen mit Ex-Boxer Vitali Klitschko und Ex-Schachweltmeister  und Kreml-Gegner Garri Kasparow. Trifft da politischer Bauchmensch Klitschko auf den messerscharfen Analytiker?
Das sind  zwei unterschiedliche Politiker-Typen. Klitschko ist in der Ukraine  erfolgreich, weil er für eine neue  Politikergeneration steht. Er ist ohne Korruption oder Oligarchentum zu Geld gekommen ist. Er ist natürlich auch jemand, der ganz klar westlich sozialisiert ist und eine harte Linie gegen Russland einfordert. Und Kasparow ist ein genialer Redner,   den ich sehr schätze.  

Sie haben zu Ukraines Präsident Poroschenko ein sehr amikales Verhältnis. Wie kam es dazu?
Bei meinem ersten Ukraine-Besuch habe ich Petro Poroschenko kennengelernt, da wusste im Ausland noch kaum jemand, wer er ist. Damals wechselten wir Handynummern, und seither führen wir regelmäßig intensive Gespräche.

Sie sind gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine, aber sehen auch keinen Platz in der EU. Wo sehen Sie die Zukunft der Ukraine?
Ich halte nichts von einer Entweder-oder-Entscheidung bei der Ukraine. Wir müssen zu einer Sowohl-als-auch-Entscheidung kommen. Derzeit gibt es wohl keine Option auf einen NATO-Beitritt. Deswegen halte ich vom ständigen Liebäugeln nichts, denn das wird von russischer Seite wiederum als Entschuldigung für weitere Provokationen gesehen.

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