Schwarz-grüne Harmonie im weiß-blauen Süden

Von Michael Lehner

MÜNCHEN Verbrüderung am Tag der Deutschen Einheit: Ein paar Hundert Augenzeugen und ein Millionenpublikum am Fernseher erleben, dass die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg ziemlich gut miteinander können – obwohl der Stuttgarter Premier bei den Grünen ist und sein bayerischer Kollege bei den Schwarzen. Horst Seehofer und Winfried Kretschmann geben sich nicht nur beim Münchner Fernsehduell wie gute Freunde.

Sie waren miteinander auf dem Oktoberfest und haben Bier aus großen Gläsern getrunken. Im Käferzelt, wo sich sonst die Prominenten zum Jahrmarkt der Eitelkeiten treffen. Sie haben sich dutzendfach für die Fotografen zugeprostet. Nicht nur auf der Wiesn, sondern auch entlang der Party-Meile, auf der München den Tag der Einheit feiert. Und sie wirken dabei wie zwei Männer, die gut miteinander können.

Von Männerfreundschaft kann womöglich trotzdem noch nicht die Rede sein, gesteht Kretschmann. Wohl wissend, dass mit diesem Wort oft das nicht immer einfache Verhältnis zwischen dem Bayern Franz Josef Strauß und Altkanzler Helmut Kohl beschrieben wurde, sagt der Gast aus Stuttgart: „Jedenfalls verstehen wir uns gut.“ Und: „Ja, ich kann ihn leiden.“ Wer ein Streitgespräch erwartet hatte, wird auch von Seehofer enttäuscht: Der Kollege aus Stuttgart sei „ein Überzeugungstäter“, aber „kein Ideologe“: „Auf sein Wort kann man sich verlassen“.

Ebenfalls klar: Die beiden Alfa-Männer genießen die Neugier nach ihrem Miteinander. Auch im Zelt, das der Bundesrat im Münchner Hofgarten aufgestellt hat für eine symbolische Amtsübergabe. Kretschmann übernimmt von Seehofer die Präsidentschaft im Bundesrat – und beide halten Einzug wie zwei alte Freunde, die nicht nur das graue, etwas störrische Haupthaar und der Verzicht auf allzu modisches Outfit verbindet. Sie sind auch einig, wenn es um die Anliegen des deutschen Südens geht: „Wo wir gemeinsame Interessen haben, ziehen wir an einem Strang,“ sagt der Baden-Württemberger und der Bayer nickt beifällig zu solchen Worten.

„Die föderale Ordnung trägt dazu bei, die Pluralität der kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen der Länder in einem Gesamtstaat zu integrieren,“ sagt Kretschmann beim symbolischen Stabwechsel. Und dass er sich für den Bundesrat mehr öffentliche Wahrnehmung wünsche. Denn auch die Länder hätten Anteil an der politischen Gestaltung – etwa jetzt in der Eurokrise. Auch da nickt Seehofer zustimmend..

Logisch geht es bei soviel Einigkeit auch ums Geld, um sehr viel Geld: Der Länderfinanzausgleich, den Kretschmann schon mal „bescheuert“ nannte, muss nach dem Willen der Süd-Regierungschefs so reformiert werden, dass es wieder Leistungsanreize zwischen den Ländern gibt. Irgendwie klingt jetzt auch in München an, dass Kretschmann den Bayern gern den Vortritt lässt, wenn es um diesen Streit geht. Kein Wort sagt der Schwabe gegen Seehofers Pläne, auf Änderung dieses Finanzausgleichs zu klagen. Er merkt nur an, dass er grundsätzlich „kein großer Freund von Klagen“ sei.

Bei der Kritik an den Berliner Anstrengungen zur Umsetzung der versprochenen Energiewende geht es anders herum: Da sitzt Seehofer hauptsächlich schweigend und Zustimmung nickend daneben, wenn Kretschmann der Bundesregierung mangelnden Tatendrang vorwirft und zu dem Schluss kommt: „Die bekommen das nicht auf die Reihe.“ Fast alles, was der Grüne zu diesem Thema sagt, hat auch der bayerische Ministerpräsident in den letzten Wochen schon gesagt. Und beide lassen sich dennoch nicht lumpen, wenn es darum geht, der Bundeskanzlerin zu bestätigen, dass sie in der Euro-Krise einen tollen Job macht.

Differenzen? Ja, die gibt es auch. Aber eher auf der Ebene von zwei Musterschülern, die sich eigentlich mögen: „Sprüche machen können wir auch“, grummelt Kretschmann zu den CSU-Erfolgsmeldungen, dass Bayern das Nachbarland überholt hat – beim Sparen zum Beispiel oder beim Wirtschaftswachstum. Und die Sache mit seinem Spruch, dass weniger Autos mehr sein können, betont der Schwabe, werde wohl bewusst missverstanden: Es gehe nämlich nicht um noch mehr Autos für den Inlandsmarkt mit seinen verstopften Straßen, sondern um mehr sparsame und umweltfreundliche Autos, auch für den Export.

Zumindest sind die beiden Landesherren einig, dass sie eine Autoindustrie mit „Premium“-Herstellern vertreten und auf diese auch stolz sind, ein bisschen mehr oder weniger vielleicht. Und bei der symbolischen Amtsübergabe im Zelt des Bundesrats entsteht nicht einmal in kleinen Gesten der Eindruck, dass Seehofer beim bevorstehenden Wechsel im Vorsitz der Länderkammer um die Interessen des Südens bange sein könnte. Im Gegenteil: „In schweren Krisen“, hat Winfried Kretschmann gesagt, „muss man eher auf Konsens gehen.“ Nur der Frage, ob Schwarz-Grün eine politische Alternative sein könnte, weichen beide Ministerpräsidenten gerne aus. Offenbar sind sie sich auch an diesem Punkt einig, irgendwie.

(Erschienen: 04.10.2012 07:30)

This entry was posted in DE and tagged by News4Me. Bookmark the permalink.

About News4Me

Globe-informer on Argentinian, Bahraini, Bavarian, Bosnian, Briton, Cantonese, Catalan, Chilean, Congolese, Croat, Ethiopian, Finnish, Flemish, German, Hungarian, Icelandic, Indian, Irish, Israeli, Jordanian, Javanese, Kiwi, Kurd, Kurdish, Malawian, Malay, Malaysian, Mauritian, Mongolian, Mozambican, Nepali, Nigerian, Paki, Palestinian, Papuan, Senegalese, Sicilian, Singaporean, Slovenian, South African, Syrian, Tanzanian, Texan, Tibetan, Ukrainian, Valencian, Venetian, and Venezuelan news

Leave a Reply