Trainingsspiel in einer Hälfte, die Räume sind eng, die Zweikämpfe rasant und alle Beteiligten ständig in Bewegung: Die Fußballer des FC Schalke 04 arbeiten am Dienstagmittag mit hohem Engagement, sie wissen, dass sie einiges gutzumachen haben. Das erste Tor aber schießt einer, der das desillusionierende 0:4 am Samstag gegen den FC Bayern
nicht im Geringsten mitzuverantworten hatte: Gerald Asamoah, der ewige Schalker, der mit nun 35 Jahren die Perspektivspieler in der Regionalligamannschaft seines Herzensklubs anführen sollte und nun doch auch bei den Profis gebraucht wird.
Denn in der zweiten DFB-Pokalrunde an diesem Mittwoch wird Schalkes Trainer Jens Keller durch Verletzungen zur Rotation gezwungen, ausgerechnet in die starke Schalker Offensivreihe sind Lücken gerissen worden: Im Spiel beim ehrgeizigen Drittligisten Darmstadt 98 (20.30 Uhr/ARD live und bei uns im Ticker) werden Kevin-Prince Boateng und Julian Draxler fehlen, beide leiden unter Knieproblemen und konnten deshalb in dieser Woche noch nicht trainieren. „Ich gehe davon aus, dass sie am Samstag in Hoffenheim wieder dabei sind, aber auch das ist noch nicht hundertprozentig sicher“, berichtet Keller. „Wir gehen jetzt kein Risiko ein, weil sonst die Gefahr bestünde, dass sie länger ausfallen könnten.“
Fährmann statt Hildebrand im Schalker Tor
Vor allem Boatengs Verletzung sorgt für Verunsicherung bei den Fans. Am Trainingsplatz wurde schon besorgt darüber diskutiert, dass sich der Neuzugang bereits in seinen ersten Tagen auf Schalke immer wieder ans Knie gefasst und deshalb auch einen Länderspieleinsatz in Ghana abgeblasen hatte. Hatte Boateng sich trotz Schmerzen bis zum Bayern-Spiel durchgebissen? Wie schlimm steht es wirklich um ihn?

„Weitermachen“, hat Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nach der für die SPD suboptimal verlaufenen Bundestagswahl verkündet. Weitermachen – das ist auch das Motto des FC Schalke 04 nach der 0:4-Packung im verrutschten Augenhöhen-Duell mit dem FC Bayern München. Das Schöne am Fußball ist, dass man öfter als im Bundestag die Gelegenheit zur Rehabilitierung erhält: Die Königsblauen schon am Mittwoch (20.30 Uhr, live ARD) im DFB-Pokal beim SV Darmstadt 98, was aber alles andere als ein Spaziergang wird.
Und was der Bundesligist vermutlich mit verändertem Personal angehen wird. Fest steht, dass es im Tor einen turnusmäßigen Wechsel geben wird. Ralf Fährmann, der zumindest am Montag im Schusstraining von den Reservespielern einfach nicht zu überwinden war – was zu etlichen Straf-Liegestützen bei Goretzka, Meyer und Co. führte – wird den Platz von Timo Hildebrand einnehmen. Trainer Jens Keller sieht darin kein Misstrauensvotum an seiner Nummer eins, sondern betont die natürliche Rotation: „Ich möchte, dass Ralf mal wieder Wettkampfpraxis sammelt.“
Boateng, Draxler und Szalai fehlten im Training
Aber auch im Angriff wird es möglicherweise zu Veränderungen kommen (müssen). Am Montag pausierten Kevin-Prince Boateng und Julian Draxler, denen alte Kniebeschwerden zu schaffen machten. Auch Adam Szalai fehlte mit einer dicken Erkältung. So tauchte mal wieder einer beim Profi-Training auf, den manche seiner Schalke-Kollegen nur aus dem Fernsehen kennen: Gerald Asamoah.
Am Samstag noch war er in der Regionalliga der Lippstädter Jugend enteilt und hatte ein Traumtor zum 3:0-Sieg erzielt, Montag schon bereicherte er die Profirunde unter Jens Keller. Ist denn der bald 35-Jährige auch eine Option für das Darmstadt-Spiel? „Wir müssen abwarten, wie sich die Angeschlagenen bis dahin entwickeln“, wiegelt der Trainer noch ab. Und was meint der Spieler, ist er bereit? „Ich bin immer bereit“, meint der Ex-Nationalspieler mit dem berühmten breiten Grinsen nach seiner 55minütigen Trainingseinheit schweißglänzend.
Zu gewinnen gibt es wenig, zu verlieren viel
Ein bisschen Routine könnte dem Kader nach dieser Negativ-Erfahrung vom Wochenende wohl nicht schaden. Die Aufgabe am Böllenfalltor erscheint kitzelig. Zu gewinnen gibt es wenig, wenn man vom erwarteten Einzug in die dritte Runde mal absieht, zu verlieren sehr viel.
Dass die kleine Erfolgsserie mit dem Spiel gegen München schon wieder zu Ende gegangen ist, daran glaubt Roman Neustädter nicht: „Wir wissen um unsere Qualitäten. Gegen die Bayern konnten wir sie ja auch die ersten 20 Minuten andeuten.“ Der Mittelfeldspieler weiß aber schon um seine Verantwortung für die Leistung vom Samstag, wenngleich er das kollektive Versagen der Mannschaft in den Vordergrund rückte.
Neustädter verspricht unbedingten Siegeswillen
Die ersten beiden Tore wären vermeidbar gewesen, „danach sind mir zwei, drei Fehlpässe unterlaufen, weil ich weiter nach vorne spielen wollte“, so seine Begründung zu seiner Leistung, die ihm die Auswechselung nach 45 Minuten gegen Marco Höger einbrachte. Viel risk – no fun.
Und in Darmstadt? „Wir müssen im Pokal den Kampf annehmen und unbedingen Siegeswillen zeigen“, verspricht Neustädter. Das wäre ein Anfang.
Christian Clemens, Max Meyer und Leon Goretzka bieten sich in Darmstadt als Vertreter der beiden etablierten Offensivkräfte an, möglicherweise fällt sogar noch ein weiterer Angreifer aus: Der grippegeschwächte Adam Szalai
, der seit Wochen den immer noch nicht schmerzfreien Klaas-Jan Huntelaar ersetzt, brach das Abschlusstraining nach 20 Minuten ab, bei ihm besteht aber noch Hoffnung auf einen Einsatz. Falls seine Kraft nachlassen sollte, käme der Routinier von der Bank, der im Mai 2010 beim 0:0 in Mainz zum letzten Mal für Schalkes Bundesligateam gespielt hatte. „Für ein Spiel von Anfang an ist Gerald Asamoah bei allem Respekt nicht in der körperlichen Verfassung, aber für die letzten 20 Minuten wäre er bereit“, erklärt Jens Keller, der einen Wechsel sogar freiwillig vornimmt: Im Tor darf Ralf Fährmann
ran, Timo Hildebrand bekommt eine Pause. Dies sei schon seit längerer Zeit vorgesehen gewesen, Fährmann benötige Spielpraxis. „Wir brauchen keine Torwartdiskussion aufzuziehen“, stellte Keller klar.
Darmstadt hofft auf weitere Pokal-Chance
Fährmann wird sich nicht auf einen beschäftigungslosen Abend einrichten können, Darmstadt wittert nach dem Erfolg im Elfmeterschießen in Runde eins gegen Gladbach
eine weitere Pokal-Chance. „Die sind sicher hungrig, den nächsten Bundesligisten rauszukegeln“, warnt Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes.
In der Dritten Liga schossen sich die Darmstädter schon mal warm: Sie rauschten mit 6:0 über Rostock hinweg, zuvor hatten sie bereits mit 4:0 in Duisburg triumphiert
. „Die werden alles reinwerfen, die sind voller Selbstvertrauen“, glaubt Jens Keller, der aber bekräftigt: „Trotzdem müssen wir als Bundesligist das Spiel für uns entscheiden.“
Das Stadion am Böllenfalltor, wo 78/79 und 81/82 auch mal Bundesligafußball zu besichtigen war, ist mit 16 500 Zuschauern ausverkauft, die große ARD-Bühne wird die Darmstädter zusätzlich anstacheln, auch wenn ihr Trainer Dirk Schuster sagt: „Alles andere als ein Weiterkommen der Königsblauen wäre eine Riesensensation.“ Der frühere Karlsruher und Kölner Bundesligaprofi nennt Schalke „die dritte Kraft in Deutschland“. Einen Blick auf die aktuelle Tabelle scheint er sich geschenkt zu haben.
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