Ringen um die Stimme für die Kanzlerin

Die Union lehnt ab, die FDP klebt ihr Begehr auf die Wahlplakate: Nach dem Scheitern in Bayern hoffen die Liberalen auf Zweitstimmen konservativer Whler, um den Sprung in den Bundestag zu schaffen.

GUNTHER HARTWIG DIETER KELLER | 17.09.2013

Das Niedersachsen-Trauma sitzt immer noch tief bei der CDU. Als bei der Landtagswahl im Januar ihr durchaus populrer Ministerprsident David McAllister Opfer einer Last-Minute-Leihstimmenaktion fr den schwchelnden Koalitionspartner FDP wurde, war der Frust gro in der Union – und hlt bis heute an. Daher bereiten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, ihr Generalsekretr Hermann Grhe und Fraktionschef Volker Kauder die eigenen Anhnger seit Wochen darauf vor, dass bei der Bundestagswahl am 22. September “jede Partei fr sich allein kmpft”.

Die Botschaft der Parteispitze war schon vor der Bayern-Wahl klar: “Wir haben keine Stimme zu verschenken, die Union braucht beide – Erst- und Zweitstimme.” An dieser Parole hat sich nach dem Scheitern der Bayern-FDP an der Fnf-Prozent-Hrde nichts verndert. Kauder bekrftigte gestern: “Die Zweitstimme ist die Stimme fr Bundeskanzlerin Merkel.”

So vehement wie die FDP fr eine Zweitstimmen-Kampagne zugunsten des Juniorpartners der Union warb, so strikt lehnte es die CDU ab, den Berliner Regierungspartner entweder aus Sorge oder Mitleid huckepack zu nehmen und in den nchsten Bundestag zu hieven, weil sonst Schwarz-Gelb auf dem Spiel stnde. Auch Baden-Wrttembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl mochte der FDP keine Hilfe zusagen: “Beide Stimmen fr die CDU, so ist es richtig.” Allerdings verbreiteten CDU-Bundesvize Strobl und andere Prsidiumsmitglieder wie Julia Klckner, Armin Laschet und Philipp Mifelder die Zuversicht, “dass es die FDP am nchsten Sonntag aus eigener Kraft schafft”.

Die Liberalen mssten Nichtwhler zurckholen und frhere Whler anderer Parteien berzeugen, etwa der Piraten, meinte Strobl. Der Ministerprsident von Sachsen, Stanislaw Tillich, lehnte ebenfalls einen Zweitstimmenverzicht zugunsten der FDP ab: “Wir haben keine Stimme zu verschenken, und Mitleidsstimmen fr die FDP brauchen wir nicht.” Der CDU-Bezirkschef Wrttemberg-Hohenzollern, Thomas Barei, warnte die FDP vor einem “Spiel mit dem Feuer”.

Die Absage an FDP-Leihstimmen resultiert auch aus einer sprbaren Unsicherheit ber die Auswirkungen des neuen Wahlrechts. Das Parlament hatte auf Druck des Bundesverfassungsgerichts im Februar eine Reform beschlossen, nach der smtliche berhangmandate, die dadurch entstehen, dass eine Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr nach Zweitstimmen zustehen, durch Ausgleichsmandate fr andere Parteien kompensiert werden.

Der Bonner Politik-Professor Frank Decker sieht in dieser Neuregelung ein “eigentmliches Spannungsmoment”, weil unklar sei, wie viele berhang- und Ausgleichsmandate anfallen werden und welche Parteien davon profitieren. 2009 holte die Union smtliche 24 berhangmandate. Laut Bundeswahlleiter htte es vor vier Jahren auf Basis des neuen Wahlrechts 671 statt 622 Sitze im Bundestag gegeben. Andere Experten kamen zu widersprchlichen Kalkulationen.

Unterdessen hat die FDP die Losung “Jetzt geht”s ums Ganze” auf die Plakate fr die letzte Wahlkampfwoche gedruckt. Dazu zweimal die Aufforderung “Zweitstimme FDP”. Prsidiumsmitglied Wolfgang Kubicki sieht darin nichts Verwerfliches. “Eine Zweitstimmenkampagne machen alle Parteien”, verweist er auf viele Plakate in der Hauptstadt, etwa von den Grnen. “Wir betteln nicht um Stimmen, schon gar nicht um Stimmen der Union, sondern wir versuchen, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen”, betont Kubicki.

Die herbe Niederlage in Bayern hat die Spitzen-Liberalen schockiert. So dramatisch hatten sie den Absturz nicht erwartet. “Wir spren berall im Land: Die Menschen wissen, dass Bayern nicht der Bund ist”, versucht Generalsekretr Patrick Dring, sich selbst und den Seinen Mut zu machen. Spitzenkandidat Rainer Brderle sagt plakativ: “Wer Merkel haben will, muss FDP whlen.” Parteichef Philipp Rsler ist seinem SPD-Kollegen Sigmar Gabriel fast schon dankbar fr die Bemerkung, falls die Liberalen nicht in den Bundestag kmen, seien die Chancen fr Rot-Grn besser. Das motiviere fr einen Kampf bis zuletzt. In der Parteizentrale meldeten sich viele Anhnger, die noch Veranstaltungen oder Anzeigen organisieren wollen, berichtet Rsler.

Die Liberalen setzen bewusst auf das Stimmensplitting: Die Erststimme fr den rtlichen CDU-Kandidaten, die Zweitstimme fr die FDP. Vorgemacht hat das Ex-Parteichef Guido Westerwelle: In seinem Bonner Wahlkreis haben die Kreisvorsitzenden beider Parteien sogar schriftlich eine solche Absprache getroffen. Damit verzichtet der Auenminister auf die Chance, wie vor vier Jahren einen Achtungserfolg zu erzielen. Da holte er 19,1 Prozent der Erststimmen. Damit konnte Westerwelle freilich den CDU-Kandidaten nicht berflgeln, der 31,2 Prozent erreichte und damit das Direktmandat an SPD-Kandidat Ulrich Kelber verlor, der noch 2,1 Prozent mehr Erststimmen erhielt.

Westerwelles Beispiel sind bereits Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel in Heidelberg und Gesundheitsminister Daniel Bahr in Mnster gefolgt, wenn auch nicht ganz so offiziell. Dies soll laut FDP-Zentrale Schule machen: Sie hat 80 Wahlkreise ausgemacht, in denen es fr den Direktkandidaten der Union bei den Erststimmen ebenfalls knapp werden knnte. Dort erhielten alle FDP-Kandidaten gestern den Hinweis, eine Absprache zu versuchen: Der CDU-Kandidat wirbt offensiv um die Erststimme, die FDP um die Zweitstimme.

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