Reiseverkehr in Bayern: Stau-Schau: Der Urlaubs-Verkehr rund um München …

Robert Schwind ist einer von drei Stauberatern, die zusammen mit einem Piloten in der Luft auf Stau-Suche gehen. In der Sommerzeit, wenn die Urlauber sich über die Autobahnen drängen, ist das Team der Stauberater jeden Samstag und Sonntag unterwegs. Und das quasi ehrenamtlich: „Es gibt zwar eine kleine Aufwandsentschädigung“, sagt Robert Schwind. „Aber eigentlich machen wir das, weil es eine sehr schöne Aufgabe ist.“

Robert Schwind ist 46, wohnt in Aying und arbeitet im Büro einer Druckerei. Sein heutiger Pilot, Thomas Engel (43), kommt aus München und ist Brillenhersteller. Um zehn Uhr am Vormittag sind die beiden heute abgehoben, von dem kleinen Flugplatz Ellermühle westlich von Landshut. Mit der viersitzigen Cessna ging es erst über die Hopfenfelder der Hallertau bis zur Nürnberger Autobahn A 9 nördlich von München, wo seit langem eine Baustelle für sehr stockenden Verkehrsfluss sorgt.

Dann sind die beiden Richtung München geflogen, übers Kreuz-Nord und die Fröttmaninger Arena weiter auf die Ostumfahrung A 99, von dort Richtung Süden zur A 8 nach Salzburg. Sie haben einen Stau nach einem Unfall nahe Ismaning bemerkt und gemeldet, ebenso wie einen weiteren kleinen Stau nahe Brunnthal.

Jetzt fliegen sie am Chiemsee über die A 8, und während er sich noch über den Staun-Stau unter ihm amüsiert, erklärt Robert Schwind dem Reporter auf dem Rücksitz, welche Arten von Staus er noch beobachtet: „Staus gibt es oft an Baustellen und nach Unfällen, aber nicht unbedingt, wegen der Behinderung selbst. Sehr oft bremsen die Leute, um zu gaffen.“ Aber soll man an solchen Stellen nicht bremsen, der Sicherheit halber? „Schon, aber Schrittgeschwindigkeit würde es da nicht brauchen. Viele meinen halt, sie müssten sich das ausgiebig anschauen.“ Und wenn ein paar Autofahrer bremsen, folgt im dichten Verkehrsfluss der Ferienzeit eine Kettenreaktion. Auf diese Weise entsteht so ein Wurm aus Autos, der sich hinten zusammen und vorne auseinander zu schieben scheint.

Wenig später entdecken die ADAC-Flieger eine eher seltene Ursache für einen Stau: In Wimpasing bei Siegsdorf brennt ein großes Gehöft. Der Rauch drückt sich in so dichten, dunklen Schwaden in Richtung der gut einen Kilometer entfernten A 8, dass sich dort ein Stau wegen schlechter Sicht bildet.

Der Pilot Thomas Engel fliegt etwas tiefer, damit Robert Schwind telefonieren kann. Er gibt nicht nur seinen Kollegen im Auto Bescheid, sondern auch einer Radiostation. Der Privatsender, der mit „Bayerns schnellstem Verkehrsservice“ wirbt, bezahlt dafür, exklusiv Anrufe direkt aus dem Stauflieger zu erhalten. Robert Schwinds Berichte werden dann aufgezeichnet und gesendet. Gehört hat er sich selbst noch nie im Radio, der öffentliche Auftritt gibt ihm wenig.

 Er liebt andere Seiten seiner Freizeit-Aufgabe: Die Aussicht beim Fliegen, klar, aber auch die netten Begegnungen am Boden. Robert Schwind ist nämlich auch als Stauberater mit dem Motorrad und dem Auto unterwegs. „Da bin ich dann das Mädchen für alles: Kleinere Pannen beseitigen, die Leute über Staus und Umleitungen informieren, Unfallstellen absichern, Erste Hilfe leisten und natürlich Staus melden.“ Seit elf Jahren macht er das, seit acht Jahren im Flieger.

Es ist Nachmittag geworden und Thomas Engel steuert die Cessna wieder Richtung Nordwesten. Am Kreuz München-Süd, das viele noch als Brunnthal-Dreieck kennen, sieht Robert Schwind einen kleineren Stau, auch auf der Ostumfahrung fließt der Verkehr zäh. Er greift wieder zum Telefon. Währenddessen funkt der Pilot mit dem Tower des Münchner Flughafens. Die Stauberater haben eine Sondererlaubnis, in der Sicherheitszone des Flughafens unter den startenden und landenden Flugzeugen durchfliegen zu dürfen. Von der südlichen Startbahn im Erdinger Moos steigt gerade eine große Boeing steil in den Himmel über den Staufliegern.

Gegen halb vier tauchen am Boden wieder die Hopfenfelder der Hallertau auf, im Osten verschwimmt der Backsteinturm der Landshuter Martinskirche im diesigen Nachmittagslicht. Wenig später setzt die Cessna am Flugplatz Ellermühle auf. Robert Schwind nimmt sein Handy, um sein Staufazit für den bisherigen Tag durchzugeben: „Eher ruhig – es zeigt sich, dass der Samstag der schlimmere Stau-Tag ist.“

Zumindest bisher.

Denn das große Finale der Heimreisewelle haben die Stauflieger heuer immer noch vor sich.

 

 

 

 

 

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