Regnitzlosauer wollen nicht klein beigeben

Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, wie die Bürger mit der Ansiedlung von Neonazis in Oberprex umgehen sollen. Eine Infoveranstaltung soll Klarheit bringen und verhindern, dass sich eine Kluft zwischen den Bürgern bildet.

REGNITZLOSAU Die letzten Stühle werden in die völlig überfüllte Gaststätte “Zur Linde” in Oberprex hereingetragen, als Gerhard Strunz die Veranstaltungsteilnehmer begrüßt. Er ist Sozialsekretär beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (kda), der zu der Informationsveranstaltung zum Thema “Rechtsextremismus – was ich schon immer mal darüber wissen wollte”, eingeladen hatte.

Es herrschen Angst und Ratlosigkeit

Gleich in seiner Anmoderation wird klar, was die unerwünschte Ansiedlung von Neonazis in Oberprex 47 ausgelöst hat: Ratlosigkeit, Angst und Spaltung. Während manche Regnitzlosauer meinen, “die tun doch nichts”, man müsse sie als Nachbarn akzeptieren, man solle den “Ball flach halten” und ihnen durch Medienberichte keine Plattform bieten, treten andere dafür ein, Flagge zu zeigen und das Thema nicht tot zu schweigen. Die Veranstaltung soll, laut Strunz, dazu beitragen, einer Spaltung innerhalb der politischen und der Kirchengemeinde wegen Oberprex 47 entgegenzuwirken. Deswegen wolle man Fachleute mit Informationen und Fakten zu Wort kommen lassen.

Vor rund 70 interessierten Versammlungsteilnehmern präsentiert dann Stefan Handl von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) aus München Daten und Fakten zu den in Bayern auf 2 350 geschätzten Anhängern von NPD und freien rechtsextremistischen Kameradschaften. Er beleuchtet insbesondere den psychologischen Aspekt des Zugangs von Jugendlichen zu rechtsextremistischen Gruppierungen.

Erste Kontakte zur Szene ergäben sich häufig über Musik, Freunde, Internet und Freizeitangebote der Neonazis, erklärt Handl. Gezielt angeworben würden junge Menschen bereits im Alter von 14 Jahren, die auf der Suche nach sich selbst und ihrer Rolle in dieser Welt sind. Für die Jugendlichen stehe dabei selten eine politische Überzeugung im Vordergrund. Es gehe vielmehr um ganz normale Wünsche und Bedürfnisse von jungen Menschen: um Stärke und Sicherheit in einer Gruppe und eine (scheinbar) sinnvolle Aufgabe und Beschäftigung. Ein Stück Abenteuer und Provokation gehöre sicher auch dazu, meint der Experte

Den Nährboden liefere ein Zusammenspiel verschiedener Persönlichkeitsmerkmale und Sozialisationserfahrungen, wie zum Beispiel eine geringe Lebenszufriedenheit, Probleme im Elternhaus und eine wenig ausgeprägte Fähigkeit, individuelle Krisen konstruktiv bewältigen zu können. Eingehend auf die Situation vor Ort stelle die BIGE in ihren Dokumentationen fest, dass Aktivisten der “Freien Nationalisten Hof” vor allem durch Kundgebungen und Flugblattaktionen öffentlich in Erscheinung treten. Die Gruppierung sei Teil des “Freien Netz Süd”, einem überregionalen Netzwerk von NPD-kritischen Neonazis und Kameradschaften. Diese nicht fest strukturierte Gruppe sei derzeit das größte von vier kameradschaftsübergreifenden Netzwerken von Neonazis in Bayern mit Aktionsschwerpunkt in Franken und in der Oberpfalz.

Die Empfehlung der BIGE, wie Kommunen dem Rechtsextremismus entgegenwirken können, laute: Jugendarbeit in Vereinen stärken, Flagge zeigen für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung, Information und Bildungsarbeit, so Handl.

Nur die Spitze des Eisbergs

Der zweite Referent des Abends, Martin Becher, Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus im Bildungszentrum Bad Alexandersbad, stellt fest, dass die zirka 2 500 aktiven Rechtsextremisten in Bayern lediglich die Spitze des Eisbergs des Extremismus darstellten. Unterhalb der gedachten Wasseroberfläche gebe es eine große Zahl von Menschen mit entsprechenden Einstellungen und Haltungen. Deswegen sei es wichtig, zu unterscheiden zwischen Rechtsextremisten und Rechtsextremismus, so Becher. Zu bekämpfen seien nicht die Menschen, sondern das extremistische Gedankengut. Den betroffenen Menschen müsse auch die Chance zum Ausstieg aus der Szene geboten werden, so der Leiter der Projektstelle.

Becher setzt sich auch für die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Angst ein. Natürlich habe man Angst, Flagge zu zeigen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, den Extremisten den Raum zu überlassen. Nein, gemeinsam müsse man deutlich machen “bei uns ist kein Platz für Nazis” und den demokratischen Rechtsstaat aktiv gestalten und gegen Angriffe verteidigen. “Wie zeigt man Flagge ?”, fragt der Moderator. Sein Vorschlag ist, einen Themengottesdienst in Oberprex zu gestalten, auch wenn es dazu Gegenstimmen aus dem Ort gibt.

Bürgermeister Hans-Jürgen Kropf weist in seinem Diskussionsbeitrag darauf hin, dass aus der Mitte der Regnitzlosauer seit der Ansiedlung der Neonazis eine Vielzahl von Aktionen durchgeführt worden seien. Neben der Gründung eines Runden Tisches für Demokratie mit entsprechenden Aktivitäten erwähnt er den Schwerpunkt Jugendarbeit. Die Gemeinde sei glücklich, dass im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit Kirche und Landkreis ab November eine Fachkraft dafür zur Verfügung stehe, nämlich Diakonin Sabine Dresel.

Ein Diskussionsteilnehmer lobt die vielfältigen Präventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus in Regnitzlosau, regt aber gleichzeitig an, mit geeigneten Aktionen und positiven Presseberichten zur Imageverbesserung der Gemeinde beizutragen.

“Ich bin ein Oberprexer”, bemerkt Gemeinderat Werner Schnabel und appelliert an das Wir-Gefühl aller Regnitzlosauer, Arm in Arm mit den Oberprexern solidarisch Flagge zu zeigen. Kein Oberprexer und kein Regnitzlosauer sei schuld an dieser Situation, sondern allein die Nutzer des Gebäudes Nr. 47 würden dazu beitragen, dass sich mit dem Namen Oberprex ein negatives Image verbinde.

In einem sind sich die meisten einig: Ängstlichkeiten im Umgang mit dem Problem Oberprex 47 müssen überwunden werden. Dies gelte auch für die politischen Repräsentanten der Gemeinde. Außerdem wird es für notwendig gehalten, das Thema auch mit Lehrkräften und Eltern der Regnitzlosauer Schulkinder zu kommunizieren.

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