Uli Hoeneß ist angeklagt wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Am Montag beginnt der Prozess gegen den Präsidenten des FC Bayern München.
Die bayerische Volksschauspielerin Uschi Glas, die man neben ihm als weiteren Talkgast platziert hatte, war entsetzt, Markus Lanz, der Namensgeber und Moderator der Sendung, sprachlos. Doch Helge Schneider kannte an diesem Abend kein Pardon. Ein Fettsack sei Uli Hoeneß, polterte der Musiker und Comedian im ZDF, dazu ein naiver Blödmann, der das jetzt halt ausbaden müsse und wegen der ganzen Angelegenheit sein Gesicht verloren habe. Idol? Von wegen. Und überhaupt: Ein Monat U-Haft bei Wasser und Brot, so Helge Schneider weiter, würde dem Steuerbetrüger, Wurstfabrikanten und Präsidenten des FC Bayern bestimmt nicht schaden. „Für die Scheiße, die er da gemacht hat.“ So humorlos hatte man das komische Genie aus Mülheim an der Ruhr zuvor noch nie gesehen. Danke. Bravo. Beste Fernsehunterhaltung. Das war im April 2013.
Zweimal großes Glück
Nun wird allerdings nicht ein Prominenter, sondern ein Profi, nämlich Richter Rupert Heindl, vor dem Landgericht München II ein statthaftes Urteil im Fall Uli Hoeneß fällen. Heindl gilt als harter Hund. Was im Besonderen den Boulevardmedien gefällt. Denn hart und damit unbarmherzig, das macht die Sache nur noch spannender. In jedem Fall wird Heindls Richterspruch eine Antwort geben: Fettsack mit verbrecherischer Ader oder Pfundskerl mit allzumenschlicher Schwäche? Knast oder Gnade? Alles oder nichts? Nur eins ist sicher: Ab Montag wird in vier Verhandlungstagen über nicht mehr und nicht weniger als über ein Leben entschieden. Über das 62 Jahre alte Leben von Ulrich „Uli“ Hoeneß, geboren in Ulm als Sohn des Metzgers Erwin Hoeneß und dessen Frau Paula, angeklagt von der Staatsanwaltschaft München im Juli 2013 wegen Steuerhinterziehung.
Schon zweimal hat Uli Hoeneß großes Glück gehabt. 1979, als er in der Blüte seiner Profikarriere nach einer Knieverletzung zum Sportinvaliden wurde und ihn Willi O. Hoffmann, der damalige Präsident des FC Bayern, sogleich zum Manager umfunktionierte. Und 1982, als er sich am 17. Februar gemeinsam mit drei Freunden in einer Piper PA-34 Seneca auf den Weg von München zu einem Länderspiel nach Hannover machte und schließlich im Heitlinger Moor nahe Osterwald als Einziger lebend aus dem verunglückten Kleinflugzeug kletterte. Jetzt braucht Uli Hoeneß wieder großes Glück – und einen guten Anwalt.
2001:
Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Uli Hoeneß 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto bei der Schweizer Bank Vontobel – „zum Zocken“, so Hoeneß.
Erst im Januar nahm er deshalb in der Besetzung seiner Verteidigung einen Wechsel vor. Für Werner Leitner rückte Hanns W. Feigen ins Team. Wohl auch, weil Feigen dem ebenfalls wegen eines Steuerdeliktes angeklagten Klaus Zumwinkel im Jahr 2008 mit dem Rat zum umfassenden Geständnis die Freiheit rettete. Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG kam mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davon.
Das Faktische im Fall Hoeneß ist trotz aller Bemühungen der Rechercheure für den Moment allerdings schwer zu greifen. Seine Selbstanzeige, erstellt mit Hilfe von befreundeten Experten in der schlaflosen Nacht vom 16. auf den 17. Januar 2013, soll lückenhaft und deshalb wertlos sein, hieß es. Und seine Steuerschuld soll bei 3,5 Millionen Euro liegen. Die Freiheit von Hoeneß ist damit ernsthaft bedroht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einer Steuerhinterziehung von mehr als einer Million eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verhängen.
Zuletzt hieß es aber auch, dass ein Großteil der von Hoeneß begangenen Taten verjährt sei. Hoeneß könnte also wie Zumwinkel vielleicht doch auf eine Bewährungsstrafe hoffen. Entscheidend dürfte bei der Beweisführung jedenfalls sein, ob der Impuls zur Selbstanzeige als freiwillig bezeichnet werden kann oder ob erst die Spurensuche eines Stern-Reporters und ein damit einhergehender Tipp eines Schweizer Bankangestellten den Prozess in Gang gesetzt hat.
Natürlich hat Hoeneß, getragen von der Unterstützung seiner Vereinsvasallen, zu denen erstaunlicherweise auch die hochkarätigen Aufsichtsratsmitglieder des FC Bayern zählen, zum Gegenschlag ausgeholt. Er hat im Sommer vergangenen Jahres gezielt Interviews gegeben, unter anderem eins mit dem Wochenmagazin Die Zeit, bei dem Hoeneß natürlich auch noch den Fragesteller bestimmte. Hoeneß gab dabei den reuigen Sünder, „Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch“, mimte darüber hinaus das bedrängte Familienoberhaupt. Und hatte ja gleich noch seine Frau Susi und seinen Sohn Florian mitgebracht. Susi, die sich eingedenk der gleich mehrere Jahre andauernden Midlife-Crisis ihres Mannes allemal eine Tapferkeitsmedaille verdient hat, und Florian, der von Papas Gnaden die Wurstfabrik in Nürnberg leiten darf.
Die Botschaft des Interviews sollte lauten: Treu sorgender Ehemann und Vater verwandelt sich in der Zeit der Börseneuphorie in einen maßlosen Zocker, gewinnt Unsummen, verliert Unsummen und schließlich auch noch den Überblick über seine Finanzen. Das Nichtversteuern der Kapitalerträge? Entschuldigung, ja, aber dieser Uli Hoeneß hat doch auch so viel Gutes getan.
Außerhalb der Uli-Hoeneß-Welt sind derartige Selbstverteidigungsversuche allerdings nicht nur ins Leere gelaufen, nein, sie gereichten dem Beschuldigten sogar zum Nachteil. Auch deshalb hat sich Hoeneß in den vergangenen Wochen zurückgehalten. Kein Wort zu seinem Club und seinem Team, obwohl er sich in Anbetracht der jüngsten Erfolge wahrscheinlich am liebsten täglich zum Protzen ins Schaufenster gestellt hätte. Und kein Wort mehr zu seinem Fall.
Das letzte mit Gewicht stammt somit aus einem kurzen Radiointerview, das Hoeneß während der Club-Weltmeisterschaft in Marokko Mitte Dezember dem Bayerischen Rundfunk gegeben hat. Dabei klagte er: „Ich bin der Einzige unter 70.000 Selbstanzeigern, der in epischer Breite in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Von einem Steuergeheimnis kann schon lange keine Rede mehr sein, ein Prominenten-Bonus ist weit und breit nicht zu sehen. Es ist von einem riesigen Prominenten-Malus zu sprechen.“ Unsinn. Als wüsste er schon, wie die Sache ausgeht.
In Deckung gehen, abtauchen, Kraft sammeln in der Welt der Bayern, in der er sich in den vergangenen 30 Jahren zum Fußballfürsten mit Allmachtsfantasien aufgeschwungen hat. Das ist die Taktik der vergangenen Tage. Kuscheln im schwarzen Filz, bevor es ernst wird.