Die Rückkehr zur Souveränität der vorigen Triple-Saison machte beim FC Bayern den Streit um die von Sammer monierte fehlende Leidenschaft vergessen. „Das war unser bisher bestes Spiel in der Bundesliga“, kommentierte Chefcoach Guardiola voller Stolz, „wir haben die Partie komplett dominiert. In anderen Spielen waren es mal 30, 40 Minuten – heute 90 Minuten.“
Langsam aber sicher scheint das System des neuen Fußball-Lehrers zu greifen. 2:0 gegen Hannover, 3:0 über Moskau, 4:0 auf Schalke – nicht nur die jüngsten Ergebnisse dokumentieren den Aufwärtstrend. „Wir werden von Woche zu Woche besser“, kommentierte Abwehrspieler Jérôme Boateng, der das Duell mit seinem Halbbruder Kevin-Prince für sich entschied. Eine kleine brüderliche Geste gab den großen Unterschied zwischen beiden Teams wieder: In der 2. Halbzeit lehnte der Schalker Neuzugang den Kopf an die Schulter des Münchners – ganz so, als erwarte er Trost. „Für uns war es ein besonderes Ergebnis. Ich musste Kevin aber nicht trösten“, sagte Jérôme Boateng.
Am Ende fehlte nur ein einziges Tor, um an dem Titelrivalen aus Dortmund vorbeizuziehen und zum ersten Mal in dieser Saison die Tabellenführung zu erobern. Das konnte die gute Laune aller Beteiligten jedoch nicht trüben. Vor allem die Überlegenheit im zentralen Mittelfeld, in dem Rekonvaleszent Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und der erneut auf der Sechser-Position eingesetzte Philipp Lahm nach Belieben walteten, erinnerte an das Spielsystem des FC Barcelona. Von Vergleichen mit den Katalanen, denen Guardiola einst zu Weltruhm verhalf, hält der Münchner Kapitän jedoch wenig: „Das ist zu 100 Prozent der FC Bayern.“
Zwei Kopfbälle binnen 99 Sekunden von Schweinsteiger (21.) und Mario Mandzukic (22.) brachen den Widerstand der bis dahin gleichwertigen Schalker. In der überlegen geführten zweiten Halbzeit rundeten die Treffer von Franck Ribéry (75.) und Joker Claudio Pizarro (84.) den beeindruckenden Auftritt der Bayern ab. Regisseur Schweinsteiger fand lobende Worte für die Arbeit von Guardiola: „Der Trainer hat viele Varianten auf dem Platz. Wir sind sehr flexibel. Das macht es so schwer, uns auszurechnen.“
Wie der genesene und umsichtige Regisseur hatte auch Manuel Neuer allen Grund zur Freude. Auch in seinem fünften Spiel gegen den FC Schalke seit seinem Wechsel nach München blieb der Nationaltorhüter ohne Gegentor. Die Frage, ob er Mitleid mit seinen einstigen Weggefährten empfunden habe, quittierte er mit einem müden Lächeln: „Ich bin Profi durch und durch. Meinetwegen hätte es auch 5:0 oder 6:0 ausgehen können.“
Dass die Terminhatz weitergeht und bereits am Mittwoch im Pokal-Heimspiel gegen Hannover 96 die nächste Aufgabe ansteht, konnte Torschütze Ribéry angesichts des jüngsten Aufwärtstrends locker verschmerzen: „Das ist kein Problem für uns.“
Es passte ins Bild von bayerischer Glückseligkeit, dass nur wenige Stunden zuvor das Oktoberfest eröffnet worden war. In der vorigen Saison hatte der FC Bayern während der Wiesn alle vier Spiele gewonnen. Das 4:0 auf Schalke werteten alle Beteiligten als gutes Omen, dass ein ähnliches Kunststück auch in diesem Jahr gelingt. Um dieses Vorhaben umzusetzen, gab Wiesn-Neuling Guardiola seinen Profis eine Empfehlung: „Wir haben im Moment sehr viele Spiele. Deshalb werden wir wenig Bier und viel Wasser trinken.“ (dpa)