Pep deutet an: Pleite beeinflusst Kader-Planung


München – „Wunden lecken“ und „Nerven behalten“ – die Bayern müssen sich nach dem Schock gegen Real Madrid erst mal sammeln. Pep Guardiola lädt die Schuld auf seine Schultern. Und deutet an, dass neue Spieler nötig sein könnten.

Mit der Höllennacht, die sie eigentlich Real Madrid bereiten wollten, mussten die entthronten Münchner Champions erst mal jeder für sich fertig werden. Kein Training, keine Krisensitzung, kein Aktionismus – ohne spontane Aufarbeitung ließ Trainer Pep Guardiola seine gedemütigten Stars am Mittwoch die schmerzenden Wunden lecken, die ihnen bärenstarke „Königliche“ um Weltfußballer Cristiano Ronaldo beim 4:0-Triumphmarsch ins Champions-League-Finale zugefügt hatten.


Schock und Frust saßen und sitzen beim ruhmreichen Titelsammler FC Bayern tief. Entsprechend drastische Töne waren nach der höchsten Heimniederlage in der glorreichen Europapokal-Historie des Club-Weltmeisters in den Stadion-Katakomben zu vernehmen. Man habe „auf die Fresse bekommen“, stöhnte Arjen Robben. Und Thomas Müller machte für die Zeit nach dem Trauern eine deutliche Ansage: „Wir müssen schauen, dass wir den Arsch wieder hochkriegen!“

Bis zur Turbo-Meisterschaft im März wirkten die Bayern in dieser Saison unbezwingbar. Der Stecker, der auch von Trainer Pep Guardiola gezogen worden war, muss ganz schnell wieder rein. „Nach Hause gehen, akzeptieren, weinen, und dann geht das Leben weiter. Wir müssen den Kopf hochnehmen, wir haben noch ein Pokalfinale“, sagte Robben. Der Holländer warnte vor voreiligen Grundsatzdebatten und internen Zerreißproben: „Wir müssen zueinanderstehen jetzt!“

„Kurz schütteln“, „schnell Wunden lecken“ und „Nerven behalten“, lauteten die ersten Anweisungen der Chefetage um Karl-Heinz Rummenigge und Matthias Sammer nach der klar verpassten Endspiel-Teilnahme am 24. Mai in Lissabon. Adiós historische Titelverteidigung, adiós erneutes Triple: die Träume von einer weiteren Saison der Superlative verglühten in der „Hölle dahoam“.

Das nationale Titelduell gegen Borussia Dortmund am 17. Mai in Berlin muss nun darüber befinden, wie gut das erste Jahr unter Trainer Pep Guardiola ausfällt. Reicht es noch zum ehrenwerten Double? „Auf dem Pokalfinale liegt jetzt der Fokus“, kündigte Guardiola an, der die Schuld für den Untergang des gescheiterten Titelverteidigers auf seine Schultern lud. „Es war ein Riesenfehler des Trainers“, sagte der Spanier nach seiner höchsten Niederlage als Coach.

“Bei der Taktik vertan”

Guardiola philosophierte über Ballbesitz und Personal, er habe sich „bei der Taktik vertan“. Dabei waren es zwei Standards – eine Ecke und ein Freistoß – und weniger die richtige Spielphilosophie, die früh im Spiel das Halbfinal-Aus besiegelt hatte. Sergio Ramos (16./20. Minute) schlug zweimal mit dem Kopf zu. „Da steht es 0:2 – und du weißt, dass es vorbei ist“, sagte nicht nur Robben. Die Saisontore 15 und 16 des neuen Königsklassen-Rekordschützen Ronaldo (34./90.) machten das Debakel nur noch etwas schlimmer.

„Real Madrid setzt München in Brand“, titelte am Tag danach die spanische Zeitung „ABC“. Und die italienische „Gazzetta dello Sport“ urteilte vernichtend: „Ein großartiges Real Madrid macht Guardiolas Tiki-Taka lächerlich.“ Die Systemdebatte führte der 43 Jahre alte Katalane, der gegen Real als Trainer geerdet wurde, selbst. „Der Grund, warum wir verloren haben, ist: Wir hatten keinen Ballbesitz“, klagte Guardiola. Die Dominanz im Mittelfeld fehlte ihm. „Wenn du gegen diese tollen Spieler von Real keine Spielkontrolle hast, hast du keine Chance“, hieß sein Urteil.

Pep deutet an: Vielleicht neue Spieler nötig

Guardiola deutete an, dass „die heftige Nacht“ die Kaderplanung beeinflussen könnte. „Wir müssen uns Gedanken machen, ob das mit diesen Spielern das beste Rezept ist“, sagte er in Bezug auf seine Fußball-Philosophie. Das Triple, das sein Vorgänger Jupp Heynckes holte, hätte er „im Idealfall nur ausgleichen“ können. Dieser Druck ist nun raus, für Guardiola beginnt jetzt erst die Arbeit, ein echtes Pep-Team zu formen und zu entwickeln. „Wir werden die richtigen Antworten finden, um aus einer guten Saison mit dem Pokalsieg eine sehr gute zu machen. Das muss unser Ziel sein“, meinte Sammer.

Abwehrpatzer, Formschwächen etlicher Akteure und fehlgeleitete Energie wie beim übermotivierten Franck Ribéry, der in diesem Halbfinale mit einer Ohrfeige für Gegenspieler Daniel Carvajal den einzigen Bayern-Treffer setzte, führten im Halbfinale ins Verderben. „Wir haben in zwei Spielen keine Lösungen gefunden, das müssen wir uns vorwerfen“, kommentierte Torwart Manuel Neuer.

Vor einem Jahr beendete ein noch auf Wucht aufgebautes Bayern-Team mit einem 7:0 im Gesamtergebnis die Regentschaft des FC Barcelona in Europa. Jetzt wurde der Champion von 2013 von einem punktgenau topfitten und von Trainer Carlo Ancelotti zweimal glänzend eingestellten Real-Team entzaubert – mit 0:5 in der Addition. Philipp Lahm warnte dennoch davor, als Reaktion alles infrage zu stellen: „Jetzt wieder alles schlecht zu sehen, was wir in den letzten Wochen und Monaten getan haben – da mache ich nicht mit“, sagte der Kapitän. Abgerechnet wird zum Schluss – beim Pokalfinale in Berlin gegen Dortmund.

dpa

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