Kein Trinkwasser, kein Strom und braune Brühe im Keller: Das Hochwasser hat weite Teile im Süden und Osten der Bundesrepublik in Katastrophenregionen verwandelt. In der bayerischen “Drei-Flüsse-Stadt” Passau – gelegenen an Donau, Inn und Ilz – wurde ein neuer Rekord gemessen. Die Donau erreichte dort den höchsten Wasserstand seit mehr als 500 Jahren. Vielerorts in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt galt Katastrophenalarm. Zehntausende Menschen in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei mussten ihre Häuser verlassen. In reißenden Bächen und Flüssen starben in Deutschland, Tschechien und Österreich mehrere Personen.
Die Europäische Kommission will den Opfern der Überschwemmungen mit Millionenbeträgen aus dem europäischen Solidaritätsfonds helfen. Der Fonds war nach dem “Jahrhunderthochwasser” 2002 gegründet worden. Er soll beim Wiederaufbau in den geschädigten Regionen helfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte den Menschen in den am stärksten betroffenen Bundesländern “volle Unterstützung” zu. An diesem Dienstag wird die Kanzlerin im Brennpunkt Passau erwartet. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich besuchte mehrere vom Hochwasser betroffene Orte. Auch andere Politiker aus Bund und Ländern fuhren in die Krisengebiete oder kündigten ihren Besuch an. Vor Ort sind in den Überflutungsgebieten Soldaten der Bundeswehr im Einsatz, um Feuerwehr, technisches Hilfswerk (THW) und private Helfer zu unterstützen.
Die überflutete Autobahn A8 zwischen München und Salzburg
Passauer Innenstadt versinkt in den Fluten
Nach tagelangem Dauerregen wurde in Passau ein neuer Hochwasser-Rekord gemessen: Das Wasser der Donau stand 12,50 Meter hoch, der Pegelstand des Inn stieg auf 9,60 Meter. Nur aus dem Jahr 1501 ist ein höherer Wert überliefert. Beim “Jahrhunderthochwasser” 2002 lag der Wasserstand der Donau in Passau bei 10,81 Meter. Normal für die Jahreszeit wäre ein Pegelstand bis zu 4,50 Metern, sagte ein Sprecher des lokalen Krisenstabs. In der Altstadt und anderen Bereichen des Zentrums stieg die schmutzige Brühe teilweise bis zum ersten Stockwerk der Häuser. Die Trinkwasserversorgung wurde eingestellt, in der Altstadt gab es zum Teil keinen Strom. Die Scheitelwelle des Hochwassers wird Dienstag erwartet.
Auch in anderen bayerischen Gemeinden ist die Lage dramatisch. Am Alpenrand fielen in den letzten vier Tagen mehr als 400 Liter Regen pro Quadratmeter. Weite Teile der Region um Rosenheim haben sich in eine Seenplatte verwandelt.
Eine Insel: das Rathaus von Grimma
Im Osten Deutschlands sieht es vergleichbar schlimm aus. Im sächsischen Grimma steht das Wasser der Mulde meterhoch in der Altstadt. In Dresden wurde angesichts der weiter anschwellenden Elbe die Evakuierung von flussnahen Wohngebieten vorbereitet. An den Grenzen zwischen Thüringen und Sachsen trat die Weiße Elster flächendeckend über die Deiche. Die Pegel der Flüsse steigen stündlich weiter bedrohlich an. In den thüringischen Kreisen Greiz und Altenburger Land sind mehr als 12.000 Haushalte ohne Strom. Auch das “Stadion der Freundschaft” im flussnahen Hofwiesenpark von Gera wurde überflutet. Der bereits am Wochenende evakuierte Ort Serbitz steht noch immer komplett unter Wasser. Die Stadt Halle befürchtet nach eigenen Angaben das schlimmste Hochwasser seit 70 Jahren. In Sachsen-Anhalts einwohnerstärkster Kommune fließt die Weiße Elster in die Saale, die bereits jetzt einen Wasserstand von über sieben Metern hat. Normal sind knapp zwei Meter.
Auch den Nachbarn stehen die Pegel-Höchststände noch bevor
In Tschechien rief die Regierung wegen der Überflutungen für fast alle Regionen des Landes den Notstand aus. In der Hauptstadt Prag errichtete die Feuerwehr mobile Hochwasserbarrieren, um die Altstadt zu schützen. Der U-Bahn-Verkehr im Zentrum der Millionenstadt wurde aus Sicherheitsgründen eingestellt. Die slowakische Hauptstadt Bratislava bereitet sich auf die nahende Donau-Flutwelle vor. Der Wetterdienst rief die höchste Warnstufe aus. Der Schiffsverkehr auf der Donau wurde eingestellt.
Anders als in Tschechien dürfte die österreichische Hauptstadt trotz stetig steigender Pegelstände wohl von Überflutungen verschont bleiben: In Wien entlastet das in den 1970er Jahren ausgehobene Großprojekt “Neue Donau” die Stadt von den Fluten. Der künstlich geschaffene Donau-Seitenarm leitet die Wassermassen um und ist nach Aussage der Behörden groß genug. In Niederösterreich spitzt sich die Situation allerdings weiter zu. Vielerorts wurden Evakuierungen angeordnet.
Einen Lichtblick gibt es: Die Meteorologen rechnen damit, dass der Regen in den kommenden Tagen fast überall nachlässt.
qu/kle (dpa, afp)