NZ-Redakteure erinnern sich an Franz Josef Strauß

“Sie sind bei der richtigen Zeitung”

vor 9 Stunden


NÜRNBERG 


Dieser Politiker hat niemanden kaltgelassen – weder zu seinen Lebzeiten, noch bei seinem Tod vor 25 Jahren. Auch in der NZ-Redaktion hat Franz Josef Strauß Spuren hinterlassen. Kollegen berichten von ihren ganz persönlichen Erfahrungen.

Bayerns Staatsregierung und die CSU erinnern heute zum 25. Todestag von Franz Josef Strauß an den früheren Ministerpräsidenten und CSU-Übervater.

Foto: dpa

Bayerns Staatsregierung und die CSU erinnern heute zum 25. Todestag von Franz Josef Strauß an den früheren Ministerpräsidenten und CSU-Übervater.

Stephan Sohr (Chefredaktion)

Dieser Appell am 3. Oktober 1988 war nicht wie jeder andere. Der Zugführer ließ zwar wie gewohnt vor der Mannschaftsunterkunft in der General-von-Steuben-Kaserne von Hemau antreten, doch sein Gesichtsausdruck verriet Betroffenheit. Sonst mit einer für einen Hauptmann eher piepsigen Stimme versehen, verlieh die Trauer seinem Organ sogar etwas Timbre. Ernst und bewegt teilte der Zugführer mit, dass der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß verstorben sei.

Zu Ehren des Toten ließ er den ganzen Zug strammstehen, die Fahnen Deutschlands und des Freistaats Bayern wehten auf Halbmast. Bis heute ist mir dieser Appell in Erinnerung geblieben. Die Kaserne gibt es schon einige Jahre nicht mehr, aus dem Munitionsdepot mitten im Wald, in dem wir, die Soldaten der Begleitbatterie 4, atomare Gefechtsfeldsprengköpfe bewachten, ist ein großer Solarpark geworden. Hemau bezeichnet sich heute als „Solarstadt“. Wahrlich, die Welt hat sich gewandelt seit dem Tod von Franz Josef Strauß.

Martin Schabenstiel (Politik)

Für die jungen Deutsch- und Sozialkundelehrer, die unser Gymnasium in den 70er Jahren von „verkrusteten Strukturen“ befreien wollten, war „FJS“ ein rotes Tuch. Kein Wunder, dass es uns Schüler juckte, diese gar so progressiven Pädagogen in ihren augebeulten Strickpullovern einem Toleranztest zu unterziehen. Wir gründeten mit großem Bohei einen Franz-Josef-Strauß-Fanclub, erschienen mit Krawatten im Unterricht und stellten schon mal die Frage, warum gerade Basisdemokraten mit dem erkennbaren Mehrheitswillen der Bayern so ein Problem hätten.

Als wir mit Strauß-Ansteckern am Sakko erschienen, erklärten ausgerechnet jene, die im Unterricht zur Wehrdienstverweigerung aufriefen, Politik habe in der Schule nichts zu suchen und drohten uns mit Rauswurf. Auch wenn mir die Bedeutung von Strauß noch gar nicht ganz klar war – über seine linken Gegner habe ich damals viel gelernt.

Christian Mückl (Feuilleton)

Drei von ihnen hießen selber Franz, einer Josef, entsprechende Köpfe hatten sie auf. So gockelten sie auf unserem Sofa – meine Verwandtschaft, jeden Sonntag wurde „politisiert“. Es waren die 80er Jahre, „FJS“ war der Autoaufkleber ihres Herzens und Strauß ihr Held.

Dagegen anzustinken, weil die WAA in Wackersdorf vor unserer Oberpfälzer Nase vielleicht doch keine so gute Idee sei, weil es uns dann womöglich wie den Tschernobyl-verseuchten Schwammerln ergehe, hieß allein zu stehen auf weiter Flur. Die Sorge, nachts „vom Russen“ geholt zu werden, saß noch tief.

25. Todestag von Franz Josef Strauß

25. Todestag von Franz Josef Strauß

25. Todestag von Franz Josef Strauß

Der Übervater der CSU, Franz Josef Strauß, war ein wandelnder Widerspruch: Kalter Krieger und Freund von Mao Tsetung, Machtmensch und Kleinbürger, Reaktionär und Entspannungspolitiker. Am 3. Oktober 1988 starb Franz Josef Strauß in Regensburg – und sein Erbe, sein Mythos ist nach wie vor umstrittenen. Bilder eines bewegten Lebens voller Glanz aber auch Schattenseiten.

Strauß war ihr Schutzengel, und anders zu denken kam einem Dachschaden in der Glockenkammer gleich. Mittendrin sah ich Hoffnung: Im Juli 1986 stand in Burglengenfeld das Anti-WAAhnsinns-Festival an. Gegen die Pläne der Strauß-Regierung. Gegen die WAA. Lindenberg, BAP, Haindling Co. sangen – meine Helden. 100000 kamen, nur einer nicht: ich. Die Rockliga hatte vergessen, meinen Tanzlehrer zu verständigen: Ich musste zum Tanzkursabschlussball. Wehrlos dachte ich beim Foxtrott an Niedecken, beim Walzer an Lindenberg, beim Tango an Campino. Allzu geduldig hörte sich meine arme Tanzpartnerin mein Gejammere an. Wenigstens wurde die WAA dann doch nicht gebaut, dem stiernackigen Politikstil von „FJS“ aber weine ich keine Träne nach. Nur um meine Tanzpartnerin, diese rotblonden Unschuld vom Land, tut es mir dann doch leid.

Ute Wolf (Lokales)

„Frau Wolf, Sie sind bei der richtigen Zeitung!“, sagt „FJS“ zu mir. Es folgt ein fester Händedruck. Mein erster Gedanke: Das träumst du nur! Doch da irrte ich, denn der Bayerische Ministerpräsident wandte sich dem nächsten NZ-Kollegen zu, der ihm vorgestellt wurde, und sagte auch zu dem ein paar warme Worte. – „FJS“ zu Besuch bei der NZ! Im September 1987 war das, ich volontierte damals noch. Der Begegnung mit dem übermächtigen CSU-Mann hatte ich mit gemischten Gefühlen entgegengeblickt.

Als Theaterwissenschaftlerin und Germanistin war ich wegen seiner „Ratten und Schmeißfliegen“-Verunglimpfung deutscher Schriftsteller entsetzt. Bei der hautnahen Begegnung entpuppte sich Strauß als relativ harmlos. Und wie gelassen er die Begegnung mit seinem „Double“ Siegfried Aigner nahm (damaliger Innenpolitik-Redakteur der NZ), hat mich dann sogar mit ihm versöhnt. Vielleicht war ich ja wirklich „bei der richtigen Zeitung“ gelandet. 

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