München/Düsseldorf: Uli Hoeneß spricht: "Zocken war der Kick" – RP ONLINE.DE


VON ROBERT PETERS – zuletzt aktualisiert: 03.05.2013

München/Düsseldorf (RP). Bayern Münchens Präsident meldet sich erstmals in der Steueraffäre mit einem Interview in der “Zeit” zu Wort.

Uli Hoeneß spielt seit mehr als 40 Jahren eine Hauptrolle im Profifußball – als Weltklassestürmer, als Weltmeister, als Manager, als Funktionär. Er ist eine öffentliche Figur. Nie war er das so sehr wie in diesen Wochen. Er ist das Thema der Hauptnachrichten im Fernsehen, Magazine schreiben ihre Titelgeschichten über Bayern Münchens Präsidenten, im Fußballstadion ist er das wichtigste Fotomotiv, seit die Staatsanwaltschaft München II gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Hoeneß hatte eine Selbstanzeige gestellt. Zu den Vorwürfen schwieg er zunächst. Bis diese Woche. Dem Wochenmagazin “Die Zeit” gab er ein Interview. Darin spricht er mit Cathrin, Gilbert, Stephan Lebert und Hans-Werner Kilz, über seinen “Riesenfehler”, jahrelanges exzessives Zocken mit großen Beträgen und sein Leiden an der Affäre. Ein Erklärungsversuch seiner wichtigsten Aussagen.

“Ich bereue das, unendlich. Ich habe eine große Torheit begangen, einen Riesenfehler, den ich so gut wie möglich korrigieren will.”

Vor der Affäre war Hoeneß das Sinnbild des rechtschaffenen, konservativen Moralisten, eines Geschäftsmanns mit Prinzipien. Er wetterte in der Öffentlichkeit gegen gesellschaftliche und geschäftliche Fehlentwicklungen, gegen Geldgier und asoziales Verhalten. Nun droht ihm sogar eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung. Dass er Reue zeigt, gehört deshalb auch zur Vorbereitung des Verfahrens.

“Ich schlafe sehr schlecht, ich wälze mich und wälze mich, ich schwitze sehr viel. Und denke nach und denke nach und verzweifle.”

Hoeneß ist ein emotionaler Mensch. Und er leidet natürlich nicht nur mit seinem Verein auf der Tribüne. Er leidet auch an seiner Schuld, die ihm bewusst ist. Deshalb leidet er an sich selbst, am Widerspruch zwischen der öffentlichen untadeligen Person mit dem großen moralischen Empfinden und dem Zocker, der alle Bedenken über Bord geworfen hat.

“Bis zum 19. März war ich fest davon überzeugt, dass ich durch die Selbstanzeige und die Bezahlung der Steuerschuld keine Strafverfolgung befürchten muss. Da läutete es an der Tür in meinem Haus am Tegernsee, ich war im Bademantel, und da stand die Staatsanwaltschaft. Da begann die Hölle für mich.”

Hoeneß und seine Steuerberater sind bestimmt nicht so naiv, dass ihnen die Folgen jahrelanger Steuerhinterziehung nicht geläufig wären. Sie haben nur auf das Steuerabkommen mit der Schweiz gesetzt. Die Schuld hätte anonym beglichen werden können. Als das Abkommen politisch scheiterte, gab Hoeneß eine Selbstanzeige ab. Vielleicht ist er danach tatsächlich wieder zur Tagesordnung übergegangen. Zumindest will er den Eindruck vermitteln, als habe er die Angelegenheit als abgeschlossen empfunden. Haftbefehl und Hausdurchsuchung rücken ihn jedoch ins kriminelle Milieu. Das ist tatsächlich die Hölle für einen, der stolz darauf ist, die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste erhalten zu haben, und der mit seinem guten Ruf auch gern mal hausieren ging. Für diesen Widerspruch zu seinem Image wurde er am härtesten kritisiert.

“Ich möchte keinen Prominenten-Bonus, aber ich möchte auch keinen Prominenten-Malus.”

Tausende von Selbstanzeigen bleiben anonym, weil das Steuergesetz es so vorschreibt. Der große Name Hoeneß allerdings kam ans Tageslicht. Das beklagt der Fußball-Funktionär zu Recht. Weil die Öffentlichkeit besonders genau zuschaut, werde er möglicherweise strenger behandelt als andere, meint Hoeneß. Auch dieser Hinweis gehört zur Prozesstaktik.

“In den Jahren 2002 bis 2006 habe ich richtig gezockt, ich habe teilweise Tag und Nacht gehandelt. Das war der Kick, das pure Adrenalin.”

Bislang wusste die Öffentlichkeit nichts von dieser Abhängigkeit. Vermutlich hätte es auch niemand glauben wollen. Zu sehr stand die Fassade des Biederen. Hoeneß lässt den Blick auf die abgründige Seite zu, damit er selbst eine Erklärung für die Hinterziehung von Steuern findet. Dass es ihm nicht um Gewinne, sondern um das Spiel an sich geht, ist schwer zu glauben, aber auch nicht zu widerlegen. So bleibt zumindest der Anspruch, der Gemeinschaft nur unbewusst vorenthalten zu haben, was ihr zusteht.

“Ich habe verdammt viel Steuern gezahlt. 50 Millionen Euro Steuern mindestens. Ich habe weit mehr Geld gespendet, als ich hinterzogen habe. Ich bin ein sehr sozialer Mensch, das lasse ich mir auch nicht nehmen.”

Ein wesentliches Argument für den erfolgreichen Geschäftsmann. Gerade wer weiß, dass Hoeneß schon viele Millionen gespendet hat, dass er nicht nur im Klub jedem zur Seite springt, der Probleme hat, ist von der Affäre so nachhaltig erschüttert. Genau dem führt der Funktionär noch einmal seine gesellschaftlichen Verdienste vor Augen. Auch der kämpferische Hoeneß ist dabei zu hören. “Das lasse ich mir nicht nehmen”, bedeutet: Niemand kann mich auf das Delikt in der Schweiz reduzieren. Die Anerkennung der gesellschaftlichen Verdienste soll zumindest bei der Betrachtung des Steuervergehens eine Rolle spielen.

“Es gibt eigentlich drei Uli Hoeneß. Einer ist der seriöse, konservative Geschäftsmann, beim FC Bayern, bei unserer Wurstfabrik. Der zweite Uli Hoeneß ist auch privat sehr konservativ, nur klassische Geldanlagen. Und dann gibt es den dritten Uli Hoeneß, der dem Kick nachgejagt ist, der ins große Risiko ging. Vielleicht steckt dahinter die Sehnsucht, die Wirklichkeit zu vergessen.”

Diesen dritten Hoeneß kennt nur seine Familie. Der Sohn des Bayern-Patrons bestätigt das als Gesprächsteilnehmer. Auch das gehört zur Verteidigungsstrategie. Der getriebene Zocker, das ist die Botschaft unter der Oberfläche, hat fast schon unbewusst gehandelt, “vielleicht, um die Wirklichkeit zu vergessen”. Von Geldgier ist ganz bewusst nicht die Rede. Hoeneß appelliert an Gefühle, deshalb spricht er von Sehnsucht, in erster Linie will er Mitleid.

“Ich fühlte mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu. Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch.”

Das ist die zentrale Stelle im Interview. Hoeneß fühlt sich zu Unrecht ins kriminelle Milieu gerückt. Er sieht sein Vergehen so, wie es der Sprachgebrauch ausdrückt: als Sünde. Dafür kann er in einer von christlichen Grundsätzen geprägten Gesellschaft Vergebung erwarten – vor allem, weil er Reue zeigt und weil er sein Leiden daran offenbart, plötzlich auf die böse, die schuldige Seite der Gesellschaft gerückt zu werden. Er bekennt seine Sünde vor allen. Und es ist ihm sehr wichtig, auf keinen Fall als schlechter Mensch wahrgenommen zu werden. Das würde sein ganzes Lebenswerk in Misskredit bringen. Er hat, das will er sagen, die Rolle des Wohltäters für seine Fußballfreunde, für kleinere Vereine und für Menschen in Not ja nicht gespielt. Das war er selbst, der wahre Uli Hoeneß. Dafür hat er große Anerkennung sogar bei seinen Gegnern erfahren. Und er würde es nicht ertragen, wenn ihm niedere Beweggründe unterstellt werden.

“Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens. Und leider gibt es nur einen, der schuld ist, ich selbst.”

Die Welt darf teilhaben an seiner Verzweiflung. Es ist ein glaubwürdiges Bekenntnis. Wieder tritt der reuige Sünder vor die Allgemeinheit. Und wenn schon nicht um Strafmilderung, so geht es doch um Mitgefühl.

“Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Person dem Verein schadet, werde ich Konsequenzen ziehen. Auf keinen Fall werde ich vor dem Champions-League-Finale zurücktreten.”

Der FC Bayern München ist sein Lebenswerk. Hoeneß hat in über 30 Jahren als Funktionär aus einem normalen Fußballverein ein Sport-Unternehmen mit Weltgeltung gemacht. Diesen Klub hat er Zeit seines Lebens mit Zähnen und Klauen gegen alle Widersacher verteidigt, er war für Hoeneß immer wichtiger als all die in ihm handelnden Personen. “Dem Klub”, hat er mal im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt, “werde ich immer dienen.” Er würde ihm sogar seine Ämter opfern. Darüber entscheidet er jedoch selbst, niemand würde es wagen, den Patron offen zum Rücktritt zu drängen. Den Tag des Champions-League-Finales nennt er nicht zufällig. Wenn seine Bayern die Fußballkrone Europas gewinnen, ist auch das Lebenswerk von Hoeneß in sportlicher Hinsicht vollendet. Es wäre der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt.

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