Mietpreisbremse heißt: Wird ein Mietvertrag neu unterschrieben, darf die Miete in den 144 ausgewählten Kommunen künftig nur maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ausgenommen von der Mietpreisbremse sind Neubauten und die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung. Nachdem das Gesetz im bayerischen Kabinett beschlossen war, erklärte Justizminister Winfried Bausback:
“Die Mietpreisbremse ist keine Allzweckwaffe gegen steigende Mieten. Sie ist aber ein wichtiger Baustein, der dazu beizutragen wird, dass Wohnraum für unsere Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleibt.”
Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU)
Mietpreisbremse – Pro und Contra
Wem nützt die Mietpreisbremse?
Eigentümerverband Haus und Grund Bayern: Die Mietpreisbremse soll einkommensschwächeren Haushalten helfen, eine für sie noch bezahlbare Wohnung zu finden. Von der Mietpreisbremse werden aber auch diejenigen profitieren, die ohnehin über ein hohes Einkommen verfügen. Für sie wird durch die gedrosselten Mietpreise noch mehr Wohnfläche erschwinglich. Folglich wird die Mietpreisbremse den Markt weiter verengen.
Mieterbund Landesverband Bayern: Die Mietpreisbremse nützt allen Mietern, in deren Heimatgemeinde die Mietpreisbremse gilt. Grund dafür ist, dass in diesen Gebieten die Wohnungsmärkte besonders angespannt sind und hier dringend die Mietpreisentwicklung gebremst werden muss.
Der Druck auf Mieter ist hoch, “Kröten” im Mietvertrag zu schlucken – hilft hier die neue Gesetzeslage?
Mieterbund: Die Mietpreisbremse wird in den 144 Gemeinden wirken, wenn die Mieter sie ziehen. Selbst wenn der Vermieter zu Mietvertragsbeginn eine höhere Miete als zulässig fordert, habe ich als Mieter das Recht umgehend nach Vertragsunterzeichnung die Höhe der Miete qualifiziert zu rügen und die überzahlten Mieten ab dem Rügezeitpunkt zurückzufordern. Allerdings ist zu prüfen, ob der abgeschlossene Vertrag von der Mietpreisbremse umfasst ist und nicht unter eine der Ausnahmen fällt.
Was spricht gegen die Mietpreisbremse?
Haus und Grund: Steigende Mieten resultieren im Wesentlichen aus der Wohnungsknappheit. Für ein größeres Angebot an Wohnraum sorgt die Mietpreisbremse aber nicht. Im Gegenteil: Die Mietpreisbremse bremst Investitionen in den Wohnungsneubau. Außerdem werden Vermieter Sanierungen und Modernisierungen auf das Notwendige beschränken müssen, wenn sie diese nicht durch die Miete refinanzieren können.
Sie gilt in 144 Kommunen. Welche Auswirkungen erwarten Sie – in ländlichen Gebieten und für große Städte?
Mieterbund: Die Geltendmachung ist in Gemeinden mit einem Mietspiegel wesentlich leichter, da hier die ortsübliche Vergleichsmiete anhand des Mietspiegels relativ leicht bestimmt werden kann. Da “auf dem Land” nur selten Mietspiegel existieren, ist es aufwendiger, dort die ortsübliche Vergleichmiete festzustellen und die Mietpreisbremse zu ziehen.
Haus und Grund: Durch die Mietpreisbremse darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen. Die ortsübliche Vergleichsmiete kann jedoch nur in wenigen Fällen zweifelsfrei festgestellt werden. Insbesondere haben die meisten der 144 von der Mietpreisbremse betroffenen Städte und Gemeinden in Bayern keinen Mietspiegel. Nur in Gemeinden mit einem Mietspiegel gibt es aber einen Anhaltspunkt für die ortsübliche Vergleichsmiete. Dies wird zu einer großen Zahl von Auseinandersetzungen führen. Letztendlich wird die ortsübliche Vergleichsmiete in vielen Fällen nur durch teure Sachverständigengutachten festgestellt werden können
Es gibt noch Schlupflöcher, die Vermieter und Makler nutzen; wo muss nachgebessert werden?
Mieterbund: Nachbesserungsbedarf besteht insofern, dass dringend mehr Mietspiegel benötigt werden und die Kommunen bei der Erstellung finanzielle Hilfen benötigen. Die Beweislast, dass die Miete überhöht ist, liegt derzeit beim Mieter und dieser muss sich auch auf die Überhöhung berufen. Den Vermieter treffen keine Sanktionen, wenn er eine zu hohe Miete verlangt. Er muss lediglich ab dem Rügezeitpunkt die Differenz der überhöhten MIete zur ortsüblichen Vergleichsmiete + 10 % an den Mieter zurückzahlen.
Makler versuchen nun, die Wohnungsbesichtigung als Auftrag zu deklarieren und so weiterhin vom Mieter die Provision zu kassieren. Dies ist unzulässig und muss von den Ordnungsämtern konsequent verfolgt werden. Verstöße gegen das Bestellerprinzip können mit Bußgeldern von bis zu 25.000 Euro geahndet werden.
Welche Alternativen wären effektiver, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?
Haus und Grund: Mit der Mietpreisbremse greift der Staat in einen einzelnen Markt ein. Renditen, auf die der Investor dringend angewiesen ist und mit denen er fest gerechnet hat, werden im Nachhinein begrenzt. (…) Viele Auflagen und Anforderungen an Wohngebäude führen seit Jahren zu einer Verteuerung des Wohnens. Dies schlägt sich in den Mieten nieder. Fördermaßnahmen, die Wiedereinführung der degressiven AfA, der Abbau des Vorschriftendschungels, der Ausweis von preisgünstigem Bauland und eine schnellere Baugenehmigung durch die Kommunen sind einfache Mittel, um dem Bauwilligen die Entscheidung für Investitionen in den Wohnungsbau zu erleichtern. Mehr Wohnungen führen dann automatisch auch zu sinkenden – oder zumindest gleichbleibenden – Preisen. Wirklich bedürftigen Mietern kann effektive Hilfe in Form von deutlich höherem Wohngeld gewährt werden. “Haus Grund Bayern” sammelt deshalb weiterhin Unterschriften für eine Petition, die sich gegen die Einführung der Mietpreisbremse in Bayern ausspricht.
Mieterbund: Bezahlbare Mieten können nur durch ein Zusammenwirken von Maßnahmen erhalten werden: Mietpreisbremse und Neubau.
Gesetz ist Gesetz, aber so ist München
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post hat das Gesetz im Bundestag mitverabschiedet. Bundesweit gelten die Mietpreisbremse sowie das begleitende Bestellerprinzip bereits seit 1. Juni; Bayern ließ sich also mit der Umsetzung zwei Monate Zeit. Wie der Zufall so spielt, suchte Florian Post Anfang Juni eine neue Wohnung in München. Nach 10 Jahren hatte seine bisherige Vermieterin die Wohnung verkauft und die neue Eigentümerin meldete Eigenbedarf an, er musste also raus, erzählt er im BR-Gespräch. Er wurde auch schnell fündig, musste dann aber die Schattenseiten der neuen Gesetzgebung kennenlernen:
“Wir (die Vermieterin und Post, Anm. der Red.) waren uns handelseinig, ich bin dann mit der Maklerin noch auf einen Kaffee gegangen, um letzte Details zu klären. Und dann kam sie noch auf ein kleines Problem, wie sie es nannte, zu sprechen: die Maklergebühr.”
Florian Post, Münchner Bundestagsabgeordneter
Wie sich herausstellte, weigerte sich die Eigentümerin, der Maklerin die Provision für die Vermittlung der Wohnung zu zahlen, die Kosten sollte – wie bisher – der neue Mieter tragen. “Die Vermieterin sieht das nicht ein”, zitiert Post die Maklerin. Um dieses „kleine Problem“ zu lösen, habe ihm die Maklerin vorgeschlagen, dass er nachträglich als ihr Auftraggeber auftreten solle und sie somit ihm die Rechnung zuschicken könne. Post wollte sich nicht darauf einlassen, worauf er zu hören bekam, “es gebe ja mehrere Interessenten für die Wohnung und es werde sich schon einer finden, der sich darauf einlassen würde.” Er nahm die Wohnung nicht.
“Das ist keine Gesetzeslücke, das ist Betrug.”
Florian Post, Münchner Bundestagsabgeordneter
Wohnhauszeile in München
Da sein Fall womöglich kein Einzelfall ist und das nicht nur in München vorkommen kann, sondern überall, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist, schlägt er folgendes vor: So tun, als ließe man sich darauf ein. Wichtig dabei: Alles von Anfang an dokumentieren.
“Eigentlich hätte ich hergehen können und unterschreiben, mich drauf einlassen, oder so zu tun, dann hätte ich die Wohnung bekommen, und irgendwann die Rechnung von der Maklerin, die ich dann nicht bezahlt hätte. Dann hätte mich die Maklerin verklagen müssen und vor Gericht hätte ich eindeutig beweisen können, wer den Makler beauftragt hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vor Gericht Recht bekommen hätte. Und die Maklerin hätte gar kein Geld bekommen.”
Florian Post, Münchner SPD-Politiker
Trotz seines Erlebnisses hält Post an dem Entschluss, die Mietpreisbremse zu beschließen, fest. Die Dynamik bei Wiedervermietungen soll gedrosselt werden; und nicht nur dort, wo Wohnungen eh schon mehr als rar sind, sondern auch im Umland. Der Großteil der 144 Kommunen, in denen die Mietpreisbremse zunächst greift, liegt in Oberbayern und wiederum davon die meisten im Großraum München: “Es ist eine Chance, wenn der öffentliche Nahverkehr entsprechend ausgebaut wird, dass die Kommunen im Umland interessant werden gerade auch für junge Menschen, die als Berufseinsteiger noch nicht so viel verdienen, aber auch für Familien.”
Wider den “Klau von Lebensenergie”
Ärger mit dem Vermieter haben die Bewohner des “Stattparks Olga” nur bedingt. Ihr Vermieter ist die Stadt München; sie stellt dem Stattpark ein Gelände im Schlachthofviertel zur Verfügung. Nicht mehr; gerade in München ist das aber schon viel wert. Über sich selbst schreiben sie auf der Stattpark-Olga-Website, sie empfinden sich “als Gegenpol in der Welt des Konsums”. Sie leben in ausrangierten und ausgebauten Postautos, Zirkuswagen oder Bauwagen. Auf kleinstem Raum – und doch mit viel Platz. Denn sie teilen vieles mit ihren Nachbarn: Es gibt eine Gemeinschaftsküche, einen Sanitär- und einen Werkstattwagen sowie mehrere Gärten, in denen sie Obst und Gemüse pflanzen.
“Es ist sehr selbstbestimmt, ich habe keinen Vermieter, den ich fragen muss, ob ich vielleicht die Borte noch bemalen darf.”
Sarah, Bewohnerin des Stattpark Olga
Martin und Sarah in ihrem Garten
Martin hat vor 12 Jahren seinen Zirkuswagen bezogen, gemeinsam mit Sarah ist er nun seit über vier Jahren Teil des Wohnraum-Projekts. Ihr gemeinsamer Sohn wurde kurz nach Einzug in den Stattpark geboren, sie leben die Idee – und können sich mittlerweile nicht mehr vorstellen, die Gemeinschaft wieder aufzugeben.
“Das Wohnen auf einem Wagenplatz ist wie auf einem Dorf, wo ich mir meine Mitbewohner mehr oder weniger aussuchen kann. Und ich kann jederzeit wieder wegziehen – mit meinem Haus.”
Martin, Bewohner des Stattpark Olga
Unweigerlich kommen im Gespräch auch die Wohnungsnot und die hohen Mieten aufs Tapet. Martin sagt: “Das ist ein Wahnsinn, wenn man in dieser Schleife steckt: Man arbeitet, aber ein Job reicht nicht mehr, um die Familie durchzubringen. Das klaut dir jede Lebensenergie. Viel Lebenslust geht da verloren.”
Der Stattpark Olga in der Nähe des Münchner Schlachthofs
Beim Stichwort Mietpreisbremse dreht er richtig auf. Es brauche mehr als eine “Bremse”, er fordert die Mietsenkung. Denn die Mieten seien bereits viel zu hoch. Sie steigen ja trotzdem weiter, wenn auch nicht mehr so exorbitant wie früher. Sarah kann nicht nachvollziehen, warum so viele Menschen hinnehmen, dass Wohnen – wie sie sagt – “zum Luxusgut” wird. Die Sehnsucht nach Alternativen scheint groß, der Mut auszubrechen aber weniger.
“Ich habe viele Kindergarteneltern, die in dieser Mühle drin sind, und die dann, wenn sie hier sind, erstmal aufatmen und sagen: ‘Puh, ist ja Wahnsinn, hier könnte man direkt aus diesem Teufelskreis rauskommen’.”
Sarah aus dem Stattpark Olga
Sie irritiert es, dass es dennoch als normal angesehen wird, nicht gegen diese “Teufelskreis Alltag” aufzubegehren. Sie gibt zu, eine einfache Lösung für das Problem habe sie auch nicht parat – außer vielleicht, “komplett diesen Zug aus „Höher, Schneller, Weiter“ anzuhalten”.
Das Büro und “Musikzimmer” von Martin und Sarah
Ganz entziehen können sich die Bewohner des Stattparks Olga diesem Zug nicht. Denn auch sie sind wieder auf Wohnungssuche, treffender Platzsuche. Denn die Stadt hat den Mietvertrag für ihr Gelände am Schlachthof nicht verlängert, es wurde quasi Eigenbedarf angemeldet: Dort soll demnächst eine Schule entstehen. Spätestens zum Jahreswechsel ist Umzug angesagt. Wohin weiß noch niemand, denn freie Flächen hat gerade in München niemand mehr zu verschenken.
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