Während bei Anwohnern in der Erthalstraße die Sorge um die Zunahme von Saatkrähen und somit von Lärm und Schmutz wächst, sorgen sich die örtlichen Vogelschützer nach wie vor um diesen geschützten Vogel. Bernhard Neckermann vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) widerspricht Zahlen aus dem Bayerischen Umweltamt, die wir vor wenigen Tagen veröffentlichten. Demnach habe sich diese Vogelart mit 279 Brutpaaren im vergangenen Jahr auch in Würzburg erholt.
Neckermann nennt in einer Stellungnahme eigene Zahlen aus erster Hand, weil er selbst die Ansiedlungen der Saatkrähen rund um Würzburg an die Zentralstelle der Bayerischen Saatkrähenkartierung meldet. Demnach sei es positiv, dass 2012 im Vergleich zum Vorjahr die Bestände bayernweit um 11 Prozent zugenommen haben, nicht aber am Standort Würzburg. In den Beschwerden der Anwohner an der Erthalstraße dominierte wohl eine „gefühlte Zunahme“, meint er. Die dürfte von den Splitterkolonien herrühren. Vor der Abnahme von acht Nestern in der Erthalstraße in diesem Jahr habe er die Stadt vor einer Zersplitterung gewarnt. Nun gebe es vier Ansiedlungen in dem Stadtteil.
134 Brutpaare im Stadtgebiet
Er habe im gesamten Stadtgebiet von Würzburg heuer 134 Brutpaare festgestellt. Dazu komme eine Ansiedlung an der Randersackerer Schleuse mit 120 Brutpaaren. Eine Ansiedlung in Ochsenfurt habe sich aufgelöst, die Ansiedlungen am Teufelskeller sowie in Reichenberg seien vergrämt worden.
Neckermann erinnert daran, dass es 1898 in Bayern 10 425 Brutpaare in Bayern gegeben habe, 1955 waren es noch 600, weil die Krähen vom Menschen gezielt verfolgt wurden. Vielen Naturfreunden sei es zu verdanken, dass diese nützliche Vogelart als Brutvogel in Bayern nicht ausgestorben sei. Dennoch sei man auch im Jahr 2013 noch weit davon entfernt, die Zahlen von 1898 zu erreichen.
Eingriffe in die Brutkolonien, wie sie gefordert werden, führen zwar zur Abnahme der Brutpaarzahl in der jeweiligen Kolonie, sagt Bernhard Neckermann. Als Folge bilden sich jedoch neue Teilkolonien. Drastisch abzulesen sei ein solcher Vorgang in der Erthalstraße, wo es nun nach Wegnahme von Nestern am Wittelsbacherplatz und neu auch in der Seinsheimstraße Ansiedlungen gebe.
Da in neuen Kolonien die regulierende Konkurrenzsituation um geeignete Nistplätze noch nicht so ausgeprägt ist, wachsen die Teilkolonien zusammen schneller an als die ursprüngliche Stammkolonie. So könne aus dem Versuch einer Konfliktbewältigung eine Vervielfältigung des Problems werden.
Den Vogelschützern ist die Zersplitterung der Krähenkolonien ebenso bekannt wie deren Flucht in die Städte auch als Folge einer illegalen Verfolgung auf dem Land. Solange illegale Eingriffe nicht aufgedeckt und geahndet würden, ändere sich an der Entwicklung nichts. Es gebe in Bayern Saatkrähenansiedlungen mitten in Städten, die viel größer sind als in Würzburg seien; diese würden von den Anwohnern toleriert. Neckermann wirbt dafür, diese letzten Naturschauspiele inmitten der Städte zu schätzen und ein wenig Toleranz gegenüber der Natur zu üben. Saatkrähen hätten eine wichtige ökologische Funktion, weil sie neben Schädlingen wie Nacktschnecken und Larven von Käferarten auch Feld-, Spitz- und Schermäuse vertilgen.