Kraftakt Knast: Das erwartet Hoeneß in Landsberg


München – Dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung – in den kommenden Tagen muss Uli Hoeneß seine Strafe antreten. Was macht der Knast mit Hoeneß? Wie sehr leiden Körper und Seele? Der tz-Report:

Jetzt wird es endgültig ernst für Uli Hoeneß (62)! In den kommenden Tagen muss er seine Haftstrafe (3 Jahre, 6 Monate) in der JVA Landsberg antreten. Durfte er das Osterfest noch mit seiner Familie verbringen, wartet nun der Knast auf den Ex-Bayern-Boss, der Steuern in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro hinterzogen hat. Am 13. März fällte das Münchner Landgericht sein Urteil. Maximal sieben Wochen hat Richter Rupert Heindl Zeit, es schriftlich zu begründen, danach erhält Hoeneß die Ladung zum Haftantritt von der Staatsanwaltschaft. Was macht der Knast mit Hoeneß? Wie sehr leiden Körper und Seele? Der tz-Report:


Der Ex-Insasse: “Er ist Willkür ausgeliefert”


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Erst Millionär, dann der Absturz. Josef Müller saß 5 Jahre und 4 Monate wegen Steuerhinterziehung in den Gefängnissen Landsberg und Stadelheim. Aufstieg, Fall und Neuanfang: Darüber hat der Fürstenfeldbrucker das Buch Ziemlich bester Schurke geschrieben. „Wer Hoeneß verstehen will, muss Josef Müller lesen“, lautete eine ARD-Kritik.
Was waren die schlimmsten Momente im Gefängnis?

Josef Müller: Bitter war die Erkenntnis, am unwürdigsten Punkt des Lebens angekommen zu sein: im Knast. Dann das Getrenntsein vom Partner, von allem Vertrauten. Schlimmer war für mich aber, plötzlich komplett fremdbestimmt zu sein. Die ersten Tage waren ein Schock.

Wie schwer wird die Umstellung für Hoeneß?

Müller: In der JVA muss er sich schnell anpassen. Im Zellentrakt sagen ihm teils 20-jährige Bedienste, was er zu tun hat. Er ist Willkür ausgeliefert. Der eine wird ihn mögen, weil er Bayern-Fan ist, der andere sieht Hoeneß als Großkopferten und wartet nur darauf, dass er sich arrogant verhält. Sonderrechte kriegt auch er nicht.

Was passiert, wenn man sich nicht anpasst? 

Müller: Die Beamten sind gewohnt, gegen Querulanten Härte zu zeigen. Man muss wissen: Sie werden oft beleidigt und müssen durchgreifen. Ich teilte die Zelle mit einem Lufthansa-Kapitän, der den Aufstand probte. Am Ende hat er nur noch geweint.

Wie werden andere Häftlinge auf Hoeneß reagieren? 


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Müller: Dashängt stark davon ab, wie er ihnen gegenüber auftritt. Es gibt Gepöbel. Mit Übergriffen könnten sie sich profilieren – selbst habe ich das aber nie erlebt. Falls Probleme auftreten, wird er separiert: Es gibt die Möglichkeit, dass seine Tagesstruktur verändert wird. Hoeneß hätte dann etwa früher Hofgang als andere und würde zu anderen Zeiten duschen.
Wie problematisch ist ein prominenter Häftling?

Müller: Sehr. Gerade Hoeneß wird ja gesellschaftlich stark beobachtet – und zwar jeder seiner Schritte. Die JVA Landsberg steht automatisch mit im Fokus, jede Maßnahme wird bewertet. Ein Zwischenfall in der JVA wäre für die Anstalt ein Riesenproblem. Ich bin sicher, sie wollen ihn schnellstmöglich wieder loswerden.

Es gibt viele Spekulationen um einen offenen Vollzug. 

Müller: Ich bin sicher, dass er nur wenige Monate im Regelvollzug einsitzt. Als Ersttäter will man ihn auch schnell wieder sozial eingliedern.

Werden Wirtschaftskriminelle anders behandelt als übrige Straftäter?

Müller: Ich habe stark vermisst, dass man keine Therapie erhält – für Alkoholiker oder Sextäter gibt es diverse Trainings, Gespräche mit Psychologen und Kursangebote. Oft müssen sie diese Angebote sogar wahrnehmen. Mir blieb nur das Nachdenken in meiner Zelle.

Der Gefängnis-Arzt: Ins tiefe Loch

Wenn sich hinter Uli Hoeneß zum ersten Mal die Zellentür schließt, so der Gefängnisarzt Joe Bausch, „dann fällt er wahrscheinlich in ein tiefes Loch“. Der 60-jährige Mediziner, den man aus dem Kölner Tatort kennt und der im wahren Leben seit drei Jahrzehnten auch in der JVA Werl arbeitet, kennt den Gefängnis-Alltag wie kaum ein anderer.


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Bausch macht sich Sorgen um Hoeneß, denn Prominente hätten es besonders schwer: „Da achtet jeder eifersüchtig darauf, dass er keine Wurstscheibe mehr kriegt.“ Wenn sich das große Hallo der Mitgefangenen erst einmal gelegt hat, dann sei der Ex-Bayern-Präsident kein Star mehr, sondern nur einer von vielen. „Sich mit den Knast-Realitäten auseinanderzusetzen, kann Wochen und Monate dauern“, meint Bausch und warnt: „Ich habe berühmte Chefärzte erlebt, die sich im Gefängnis umgebracht haben.“
Der Aufenthalt im Gefängnis sei für alle Straftäter eine Extremsituation. Bausch über Hoeneß: „Ich kann nur hoffen, dass der Bursche die mentale Ausstattung hat, das unaufgeregt durchstehen zu können.“

Die Monotonie im Knast sei erdrückend „Persönliche Freiheiten und Privatsphäre sind enorm eingeschränkt, selbst im offenen Vollzug. Man kann sich in seiner Zelle kein Luxusquartier einrichten, nur weil man draußen viel Geld hat“. Das Dümmste wäre, wenn Hoeneß auf Sonderrechte pochen würde.

In seinem neuen Buch Knast schreibt Bausch über Promis hinter Gittern: „Ich versuche diesen Leuten gleich am Anfang klarzumachen, dass mich das nicht interessiert. Bei mir wird keine Extrawurst gebraten. Aber eine solche Haltung können sich nicht alle erlauben.“ Muss Uli Hoeneß Angst vor fiesen Intrigen seiner Mitgefangenen haben? „Ich glaube nicht“, sagt Joe Bausch. „Für einen Kriminellen ist er ein Exot. Und Exoten sind außerhalb jeder Hackordnung.“

Der Psychologe: “Die Haft ist nicht das Ende”

Wie wird Uli Hoeneß die Haft verkraften? Kaum jemand kann das besser beurteilen als Andreas Rose: Er ist Gutachter und Forensikbeauftragter der Bayerischen Psychotherapeutenkammer und hat zahlreiche Straftäter therapiert. Im tz-Interview gibt der Psychologe Einblicke in die Gefühlswelt von Häftlingen.

Wie einschneidend ist der Haftantritt? 

Andreas Rose: Meist werden Straftäter verhaftet, bevor die eigentliche Strafhaft beginnt. In U-Haft sind sie 23 Stunden am Tag eingeschlossen und erleben große Ungewissheit. Das ist eine starke Belastung. Auch die Festnahme an sich ist für viele ein Schock. Selbststeller haben es einfacher. Diese erhalten eine Ladung und müssen sich dann in der JVA melden. Darauf kann man sich vorbereiten.

Mit welcher Lebenssituation ist der Eintritt in die Haft zu vergleichen?

Rose: Ein biografisches Beispiel ist, wenn Kinder von den Eltern getrennt werden – etwa durch den Wechsel ins Kinderheim. Das kann als Schock empfunden werden. Es ist der Weg weg vom Vertrauten und von der Familie. Noch schwerer ist der Gang ins Altenheim oder ins Hospiz, da er oft endgültig ist. Bei der Haft hat man die Perspektive, dass diese Zeit vorübergeht.

Wie gehen Häftlinge mit ihrer Strafe um?


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Rose: Der eine nimmt es hin und akzeptiert es. Andere wehren oder schämen sich. Aber im Gefängnis macht es auf Dauer wenig Sinn zu rebellieren. Selbststeller passen sich bereits an und treten die Haft oft mit der Einstellung an, dass sie diese Zeit überstehen möchten. Man muss lernen, sich den Anweisungen der Beamten zu fügen, die manchmal sinnlos erscheinen.

Hoeneß als fremdbestimmter Häftling – eine krasse Umstellung…

Rose: Der Haftantritt ist ganz sicher ein schwerer Moment. Man gibt seine private Kleidung ab und muss die Anstaltskleidung tragen. Das ist ein symbolischer Akt, der zeigt: Es gibt keine Unterschiede zwischen Gefangenen.

Wie hart ist das? 

Rose: Es ist eine tiefe Erfahrung. Aber es hängt von der einzelnen Person ab, ob man sie als sehr negativ empfindet oder nicht. Wem Individualität sehr wichtig ist, dem wird etwas Elementares weggenommen – so ist es eine Entbehrung. Schwer wiegt sicher der Einschluss in die Zelle. Man ist plötzlich auf sich zurückgeworfen, verliert den Kontakt nach draußen und kann nicht mehr selbst entscheiden.

Rundgang durch das Hoeneß-Gefängnis: Bilder

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Wie viele Menschen zerbrechen daran?

Rose: Allein die Tatsache der Inhaftierung sehe ich nicht als traumatisch an. Eine Trennung ist oft schlimmer: Sie kann endgültig sein, während die Haft irgendwann endet. Und: Man kann den Haftverlauf beeinflussen und so die eigene Zukunft. Zudem erfahren viele Häftlinge Halt durch familiäre Unterstützung, etwa durch Briefe und Besuche.

Hoeneß ist nicht wie jeder andere Häftling, er hat eine enorme Fallhöhe. 

Rose: Vielleicht empfindet er das selbst gar nicht so und ist froh, dass nun alles so gekommen ist – das habe ich bei vielen Häftlingen erlebt. Sie wollen abschließen mit alten Mustern. Das kann einen Menschen verändern und im positiven Sinne demütiger machen. Oft ist das heilsam für alle Beteiligten.

A. Thieme, E. Unfried

 

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