Herzlich willkommen in der neuen Bundesliga – der einzigen Liga, in der das Mittelfeld schon auf Platz zwei anfängt. Und in der sich alle, bis hinunter auf Platz achtzehn, freuen, wenn die großen Bayern nett zu ihnen sind. Und das sind sie, es sind die nettesten Bayern, die es je gab. Selbst Thomas Tuchel, der Trainer des einzigen Herausforderers, den sie in diesem Jahrzehnt hatten, war am Sonntag froh, neben einer 1:5-Packung ein paar freundliche Worte von seinem Vorbild Pep Guardiola mit heimnehmen zu dürfen.

Autor: Christian Eichler, Sportkorrespondent in München.
Früher haben die Bayern Gegner vor und nach wichtigen Spielen gern verbal attackiert, sich einzelne Reizfiguren dafür herausgesucht, haben gestichelt, provoziert, sich arrogant gezeigt – das ganze Repertoire der Ära Hoeneß. Nun haben sie das nicht mehr nötig. Sie konzentrieren sich aufs Wesentliche, und das ist für Tuchel das eigentlich „Gefährliche“ an ihnen. All das Gerede und Geprotze lenkt ja nur ab, steigt einem schnell zu Kopf und dann auch in die Beine, die schnell mal einen Schritt weniger machen, wenn man sich überlegen fühlt. Zudem erlaubt der Verzicht aufs Provokante jedem Gegner, sein Gesicht gegen die Bayern zu wahren. Auch das nützt ihnen. Gegen sie darf man verlieren, man bekommt noch ein paar nette Worte hinterher.
Allzu harmonische Hackordnung
An diesen Bayern kann man sich nicht mehr reiben, sie sind zu perfekt. Und nun, da schon die Einzigen, die wirtschaftlich und sportlich das Zeug wenigstens zum Bayern-Ärgern hätten, Wolfsburg und Dortmund, mit zusammen zehn Toren vom Münchner Oktoberfest heimgeschickt wurden – nun werden alle anderen noch demütiger, kleinmütiger nach München reisen.
So hat die Bayern-Bundesliga eine allzu harmonische Hackordnung bekommen. Eine Stimmung, in der Münchner Gäste, Trainer, Spieler, manchmal gar Schiedsrichter, zufrieden scheinen, von den Super-Bayern nach Abpfiff ein Schulterklopfen und einen warmen Händedruck zu bekommen. In anderen Branchen mag das als Betriebsklima taugen, im Unterhaltungsgeschäft Fußball nicht.
Das Publikum will echte Konkurrenz sehen, will Aufbegehren gegen Übermacht, will Ungewissheit über den Ausgang. Das ist die Geschäftsgrundlage. Sie könnte erstmals brüchig werden in dieser Spielzeit, die nach weniger als einem Saisonviertel nicht nur auf den vierten Bayern-Titel in Serie zuläuft, sondern auch auf die vierte Deklassierung der 17 anderen. Die Bayern haben höchsten Schauwert, doch im Fußball gehören zum Unterhaltungswert immer zwei. Spätestens wenn die Verhandlungen über die neuen TV-Verträge beginnen, dürfte das zum Thema werden: Welche Anziehungskraft eine Liga hat, deren Gewinner immer derselbe ist.