Kommentar Die Bayern haben ein seltsames Verständnis von Journalismus

Nach dem Rücktritt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt lässt der Klub kaum Fragen an Trainer Pep Guardiola zu dem unangenehmen Thema zu. Das zeigt, wie man in München Öffentlichkeit versteht.
17.04.15, 18:00
Kommentar
Nach dem Rücktritt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt lässt der Klub kaum Fragen an Trainer Pep Guardiola zu dem unangenehmen Thema zu. Das zeigt, wie man in München Öffentlichkeit versteht.
Von
Jörn Meyn
Foto: Bongarts/Getty Images

Pressekonferenz ohne Aufklärung: Bayerns Mediendirektor Markus Hoerwick (l.) lässt nur eine Frage nach dem Rücktritt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt an Cheftrainer Pep Guardiola zu
Pep Guardiola ist das Supermodel unter den Fußballtrainern. Eine Projektionsfläche, mit allerhand Mystik aufgeladen. Man sieht dem Trainer des FC Bayern gern zu, wie er im Anzug am Rasen steht. So erhaben. So edel. Selbst, wenn er nur auf einem Klappstuhl sitzt. Man hört ihm gern zu, diesem polyglotten Fachmann, selbst wenn man den Spanier auch nach zwei Jahren Deutschkurs nicht immer ganz versteht.
Doch beim Modeln geht es nun einmal um den schönen Schein – es geht ums Verkaufen. Deshalb ähnelt es dem Fußball. Auch dort wird ein Blick hinter die Kulissen ungern gewährt – und wenn doch, dann nur unter Bewachung, damit man nicht die schmuddeligen Ecken findet. Der schöne Schein darf nicht getrübt werden. The Show must go on!
Nun allerdings ist der schöne Schein getrübt beim FC Bayern. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt – das Supermodel unter den Mannschaftsärzten – hat nach 38 Jahren als Teamarzt hingeworfen. Das Ganze ist eine ziemlich unübersichtliche Angelegenheit.
Aber sie wirft erst einmal kein gutes Licht auf Guardiola, weil der Zwist zwischen beiden seit geraumer Zeit erkennbar war, und Müller-Wohlfahrt seinen Rücktritt damit begründete, dass es einen Vertrauensbruch gegeben habe. Die Schuld an den vielen Verletzten soll dem Arzt zugeschoben worden sein.
Öffentlichkeit als Kunden
Man würde das natürlich gern genauer wissen. Die Bayern verlieren mit Müller-Wohlfahrt ja einen gewissen Teil ihrer Identität – und nebenbei einen der Besten auf seinem Gebiet. Aber bei der Pressekonferenz am Freitag führte Markus Hörwick – so etwas wie das Supermodel unter den Pressesprechern – einen seltsamen Abwehrkampf auf, der einiges über das Verständnis seines Klubs von Journalismus verrät.
Nur eine Frage zum Thema Müller-Wohlfahrt, so leitete Hörwick ein. Bei jeder weiteren grätschte er dazwischen. Stattdessen durfte Guardiola Pathos präsentieren. Seine Spieler seien seine Helden – und so weiter. Aufklärung aber über die Sache mit Müller-Wohlfahrt unterband man.
Sportjournalisten begreifen ihre Aufgabe im besten Fall darin, die Öffentlichkeit zu informieren. Auch wenn es mal hässlich wird und der schöne Schein der Branche, zu der sie ja irgendwie selbst gehören, angekratzt wird. Aber was ist für Fußballklubs die Öffentlichkeit? Sie besteht aus Kunden. Ihnen soll stets ein blütenreines Produkt geboten werden – selbst wenn es gerade ein paar Flecken bekommen hat. Pep-Show must go on!
Die seltsame Pressekonferenz der Bayern belegt erneut, dass Fußballklubs Journalisten nur noch als Verteiler ihrer Ware dulden. Wer ausliefert, sollte keine kritischen Fragen stellen. So aber werden sie zum Laufsteg für die Supermodels.
