Kolumnist Jörg Heinrich blickt zurück

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München – tz-Kolumnist Jörg Heinrich blickt auf das Sportjahr 2015 zurück. Mit dabei: Bastian Schweinsteiger, der FC Bayern, die Löwen und natürlich auch die FIFA.

tz-Kolumnist Jörg Heinrich blickt auf das Sportjahr 2015 zurück. Mit dabei: Bastian Schweinsteiger, der FC Bayern, die Löwen und natürlich auch die FIFA sowie der DFB.


O Pole mio

Der FC Bayern erlebte ein turbulentes Jahr. Wieder überragender Fußball, wieder Meister, wieder Aus im Champions-League-Halbfinale. Mit zahllosen Verletzten war gegen Barcelona am Ende die Messi gelesen – nichts zu Lazaretten für Pep. Dazu zwei schwere Abschiede: Dr. Müller-Wohlfahrt trat zurück. Der legendäre Medizinmann hatte eine schwere Seelenzerrung erlitten, wegen Pep. Bastian Schweinsteiger verliebte sich gleich zweimal neu – zuerst in Ana, dann in Louis. Er bewies: Wo ein Wille ist, ist auch ein weg. Schönstes Spiel: Sex-Eins gegen Porto. Nach einer Partie voller Höhepunkte luden Bayern-Fans die pornös schönen Tore auf die Schmuddel-Website YouPorn. Sensationellste Leistung: Robert Lewandowski traf innerhalb von neun Minuten fünfmal gegen Wolfsburg. O Pole mio!

The Walking Red

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Die erste Pep-Krise kam zur Wiesn-Zeit – als der Großtrainer seine Abneigung gegen Maßkrüge offenbarte, weil er Bier lieber aus fingerhutartigen Kleingefäßen trinkt. Da hatte man schon das ungute Gefühl: Wirklich angekommen ist der Mann nicht in München. Trotzdem gab Pep auch 2015 alles, grub gegen Leverkusen den Klappstuhl aus, coachte den FC Bayern gegen Porto mit zerrissener Hose ins Halbfinale. Doch am Ende nahm er Reißaus und soll bei Manchester City künftig 25 Millionen Euro im Jahr verdienen. Die Scheichs aus Moos-Britannien bezahlen ihn nicht in Pfund, das sind bereits Kilo! Ancelotti kommt, Pep geht – The Walking Red.

Siegertochter gesucht

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Im Mai schrieb der FC Bayern Fußballgeschichte: Zum ersten Mal bejubelten Männer und Frauen eines Vereins gemeinsam die Deutsche Meisterschaft. Karl-Heinz Rummenigge bei der Doppel-Feier auf dem Rathausbalkon: „Das versteht der FC Bayern unter Gleichberechtigung.“ Die Ladies in Red, die Elf(en) von Thomas Wörle blieben das komplette Jahr in der Bundesliga ungeschlagen. Damit sind die Bayern-Frauen jetzt Münchens zweiterfolgreichste Fußballmannschaft, vor den Löwen-Männern.

Fifty Shades Of Blue

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Beim TSV 1860 lief’s dieses Jahr super – beim Skifahren, wo Slalom-Löwe Linus Strasser den Durchbruch schaffte. Fußball war weniger super. Sechzig arbeitete weiter an seinem hauseigenen SM-Film „Fifty Shades Of Blue“ und peitschte seine letzten Fans fußballerisch aus. Analog zum Drei-Päpste-Jahr 1978 erlebten die Löwen ein Drei-Trainer-Jahr. Erst die Qualen mit von Ahlen. Nach der längsten Trainerentlassung der Welt wurde klar: Das Warten auf Godot war ein Quickie dagegen. Dann ließ der Fröhling sein blaues Band flattern – doch kieloben waren die Löwen nur kurz, nach dem Relegationswunder. Als auch Fröhling fällig war, stand fest: Selbst wenn die Urne von Max Merkel auf der Bank steht, kann’s nur besser werden. Statt der Merkel-Urne übernahm aber Möhlmann. Und niemand weiß momentan, ob das die bessere Idee war.

Supergeil! Superfeil!

Größtes Erfolgserlebnis 2015 für Jogi Löws Weltmeister: Marketinggenie Olli Bierhoff fand einen Namen für die deutsche Nationalmannschaft, analog zur „Seleção“ (Brasilien) oder zu „Die Brasilianer der Berge“ (Österreich). Bisher wusste man ja nie, wie man die Mannschaft nennen sollte: „Die Jogis“?, „Die, wo da Träna gern au mal popelt“? Bierhoff erfand für die Mannschaft die epochale Bezeichnung „Die Mannschaft©“ – kein Wunder, dass der Mann hochbezahlter Manager ist. Sportlich feilte Löw an seinen Nägeln (Supergeil! Superfeil!) und an der richtigen Aufstellung, doch Nummer 1 im Weltfußball ist Deutschland nicht mehr. Den Platz an der Sonne besetzt jetzt Belgien: Brüsseler Spitze!

Der Stern, der alle Lahmen schlägt

Mercedes langweilte die Formel-1-Fans mit Dauersiegen, frei nach dem Motto: „Der Stern, der alle Lahmen schlägt.“ Louis Dreyfus, pardon, Lewis Bleifuß wurde wieder Weltmeister. Und wenigstens Ferraris neuer Liebling Sebastian Vettel sorgte für ein wenig Spannung, siegte dreimal. Italien war dermaßen begeistert, sogar die Kirchensteuer wurde ihm erlassen. Da wird Luca Toni neidisch!

Will i Michel?

Es war der Absturz des Jahres. Noch Ende 2014 hatte Joseph S. Blatter einen Platz in den Herzen aller Fußballfans, die ihn in den Stadien feierten, die Frauen ebenso wie die Männer: „Sepp, ich will ein Kind von Dir!“ Viele nannten ihn den Ü75-Justin-Bieber. Und heuer dann: das Ende. Der Sepp Store, der Selbstbedienungsladen von Zürich, wurde zwangsweise geschlossen. Zuletzt trat der Blattersepp als verwirrter und unrasierter Greis vor die Kameras, und drohte: „I’ll be back!“ Das erinnerte an die letzten Tage der DDR: „Den Weltfußball in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“ Spießgeselle Michel Platini träumt immer noch vom Job als Blatter-Nachfolger, doch das würde bedeuten: von der Traufe in den Regen. Die FIFA wird sich ganz genau überlegen: Will i Michel?

Die Gebrüder Schlimm

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Das hätte vor einem Jahr nicht einmal Franz Beckenbauer unterschrieben, dass das Sommermärchen heuer für so viel Ärger sorgt. Das WM-Turnier der Herzen war offensichtlich gekauft, diese Zweitausendsechs-Bombe erschütterte Deutschland. Mitten drin im Skandal, als Ober-Märchenerzähler – der Kaiser und DFB-Chef Wolfgang Niersbach als „Gebrüder Schlimm“. Tiefster Tiefpunkt: Dichtgestalt Beckenbauer enthüllte, dass er ohne Lesen alle Dokumente blanko unterschrieben hatte. Motto: Schau ma mal nicht! Der Kaiser konnte sich nicht mehr erinnern, was er alles unterschrieben hatte – womöglich auch den Westfälischen Frieden, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und den Kreuther Trennungsbeschluss der CSU. Wobei man sagen muss: Die WM 2006 war erstaunlich billig. Diese Super-Sause für nur 6,7 Millionen Euro Schmiergeld an Land gezogen – das Sommermärchen war ein Sommerschnäppchen! Zum Vergleich: Allein das Parkhaus an der Allianz Arena hat 50 Millionen Euro gekostet.

Dr. Meisenfaust

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Was passierte noch im Sport? Tennisliebling Boris Becker, der 48-jährige Leimener, erlebte mit drei Grand-Slam-Titeln das beste Jahr seiner Karriere. Viele nennen Trainer-Genie Boris bereits den „Jogi ohne Pony“ oder den „XXL-Guardiola“. Wobei man sagen muss: Novak Djokovic spielte auch nicht schlecht. Es sollte ein Festival der Hiebe werden – doch dann ließ sich Wladimir Klitschko („Dr. Meisenfaust“) vom zappeligen Engländer Tyson Fury vermöbeln. Briderchen Vitali reagierte mit Hiebesentzug: „Im Ring stand nicht mein Bruder.“ Hamburg sagte Nein zu Olympia 2024 – obwohl IOC-Funktionärin Carmen Knebel so attraktive Verträge vorgelegt hatte. Die supersympathische Kugelstoßerin Christina Schwanitz begoss den WM-Titel („Stößchen!“). Und Felix Neureuther erwies sich wieder als Meister der Schmerzen: Alles tat ihm weh, trotzdem holte er im WM-Slalom Bronze. Der junge Herr Neureuther ist ein Phänomen. Er hat so viel Rücken, viele nennen ihn schon den Slalom-Schlämmer. Trotzdem begeistert er immer wieder. Ja, ein kranker Rücken kann auch entzücken. Und Grund zum Trauern gab es auch: Mit Udo Lattek und Dettmar Cramer starben die großen Trainer, mit denen der FC Bayern 1974, 1975 und 1976 seine drei Europacup-Triumphe holte.

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