Von Christian Hollmann, dpa
München (dpa) – Die Hoffnung der Bayern-Aufsichtsräte auf Ruhe in der Steueraffäre um Uli Hoeneß bleibt vor den Finalwochen der Münchner Rekordsaison fürs erste unerfüllt.
Mit ihrem bemerkenswerten 8:0-Votum für den geständigen Steuersünder an ihrer Spitze lösten die Kontrolleure des deutschen Fußball-Rekordmeisters eine Welle der Kritik aus. Spitzenpolitiker und Experten für saubere Unternehmensführung bewerteten das Festhalten an Hoeneß als Fehler und verpasste Chance. Erfahrene Beobachter unterstellen den Aufsichtsräten Instinktlosigkeit und die Missachtung eigener Regeln.
Dabei wollten die Räte eine neuerliche Debatte um den brisanten Fall eigentlich vermeiden. «Im Interesse des FC Bayern» habe man vor dem Champions-League-Finale am 25. Mai und dem DFB-Pokalfinale eine Woche später keinen Rückzug von Hoeneß erwirkt, erklärte das Gremium. Volle Konzentration aufs Triple, heißt die Devise. Für diesen Kurs aber erntete Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer, der auch Hoeneß-Vize im Bayern-Aufsichtsrat ist, prompt heftigen Widerspruch auf der Hauptversammlung des Sportartikelherstellers in Fürth.
Auch Timotheus Höttges, Finanzvorstand von Bayern-Hauptsponsor Telekom, musste sich bei einer Telefonkonferenz kritische Nachfragen zum Thema Hoeneß anhören – eine Stellungnahme lehnte er ab. Hainer verteidigte indes das Votum pro Hoeneß. «Wir sollten ihn nicht vorverurteilen, sondern abwarten, was Gerichte und Behörden beschließen», sagte der Adidas-Boss. Das Unternehmen hält 9,1 Prozent an der FC Bayern AG. Daneben ist auch Autobauer Audi an dem Club beteiligt. Neben dem Chef der VW-Tochter, Rupert Stadler, sitzt auch VW-Boss Martin Winterkorn im Aufsichtsrat des Vereins.
Aktionärsschützer beobachten das Vorgehen des Aufsichtsrats mit Sorge. Wie ein «dunkler Schatten» liege die Dauerdiskussion um Hoeneß über den Erfolgszahlen des Adidas-Konzerns, sagte Gerhard Jäger von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und forderte den Rücktritt des Bayern-Chefs von allen Ämtern.
Schwere Bedenken äußerten Compliance-Fachleute, die auf die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien in Unternehmen achten. «Es war auf alle Fälle eine problematische Entscheidung, Uli Hoeneß im Amt zu belassen», befand der Vorstand des Bundesverbands Compliance, Henning Herzog, im Deutschlandfunk.
Die Compliance-Kodizes von Firmen enthalten vielfach auch ethische Aspekte. Damit kommt es nicht allein auf eine Anklage oder Verurteilung vor Gericht an, auch moralisch fragwürdiges Verhalten erfordert im Sinne der Verhaltensregeln bereits ein Eingreifen.
Hoeneß hatte sich per Selbstanzeige zu seinem Steuervergehen bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ein Haftbefehl gegen ihn wurde außer Vollzug gesetzt. Die acht Mitglieder des Bayern-Aufsichtsrats hatten am Montag dennoch einstimmig beschlossen, dass Hoeneß sein Amt nicht ruhen lassen oder aufgeben soll