Kapriolen aus Schwaben Die neu entdeckte Delikatesse Ziegenkäse


Ziege frisst BR-Mikro.

Jeden zweiten Tag steht Rudi Gmeiner in der Sellthürner Käskuche an einem kleinen, aber feinen Käsekessel:

“Für Ziegenmilch ham wir einen Extra-Kessel, da gand ungefähr 500 Liter nei. Und da wird der Ziegenschnittkäs gmacht, in den Formen, des is a Laibgröße von einem Kilogramm und des sind Schnittkäse, und dann wird eine Sorte veredelt mit Kräutern außenrum.”

Rudi Gmeiner

Was heute Routine ist, war für den erfahrenen Käsemeister, der vor über 20 Jahren die Sennerei in Sellthüren übernommen hat, anfangs selbst ungewohnt und exotisch.

“I bin von am Hof, Ziegen haben wir nie ghabt, kein Draht ghabt – das hat sich geändert; mit den Jahren lebt man sich rein in des Gschäft.”

Rudi Gmeiner

Auf dem Ziegenhof Mareth in Ziertheim geht es zickig zu.

Über 100.000 Liter Ziegenmilch hat Rudi Gmeiner im vergangenen Jahr verarbeitet – Rekord. Im Winter ist die Produktion geringer, weil die Ziegen Nachwuchs bekommen und weniger Milch geliefert wird. Dass er überhaupt damit angefangen hat, war Zufall:

“Am Anfang, muss i sagen, han i mi immer no a bissl gesträubt, aber der Milchlieferant hat nicht gewusst, wohin mit der Milch. Ma hat’s dann angfangen und dann hammer 2011 und 2009 hammer bei der Käseolympiade beim Ziegenfrischkäs die Goldmedaille gekriegt.”

Rudi Gmeiner

Die Herstellung unterscheidet sich kaum von der mit Kuhmilch; ein gewisser Zusatzaufwand entsteht durch den eigenen Produktionsprozess. Nach vier bis sechs Wochen Reifezeit kommt der Rotschmierziegenkäse in die Ladentheke. Dazu gibt es den Frischkäse und neuerdings einen Ziegencamembert. In der kleinen Sennerei im Weiler Sellthüren bei Günzach im Ostallgäu geben sich die Kunden die Klinke in die Hand. Der Ziegenkäse ist aber nicht jedermanns Sache

“Wir sind keine Ziegenkäseesser, des bockalet; aber andere Käse hervorragend, alle empfehlen. Die Verkäuferin? Hiemer Isolde. Ja, etwas Geschmackssache. Muss anders schmecken als Kuh. Aber relativ jung. Die Nachfrage steigt und ist ziemlich gut.”

Verkäuferin und Kundschaft

Ein Ziegenbock-Gschmäckle aber lässt sich wirklich nicht feststellen; mit einer sanften Würze und cremigen Vollmundigkeit erweitert der Ziegenkäse die regionale Geschmackspalette. Im Kräutermantel nimmt der Käse außerdem herbfrische Noten der Bergwiesen an. Für Hannes Feneberg, der den Sellthürner Ziegenkäse auch als „Von Hier“-Produkt in seinen Lebensmittelmärkten vertreibt, spielt dann noch die Verträglichkeit eine wichtige Rolle:

“Der Verbraucher wünscht sich diese Produkte. Ja, das sind hauptsächlich diese Laktoseintoleranz, unter der viele Menschen leiden. Es gibt ja bis zu 15% wo dieses Problem da is und die fragen nach den Ziegenprodukten verstärkt nach. Und natürlich ist es auch geschmacklich ein anderes Produkt. Macht Spaß, solche Produkte zu entwickeln.”

Hannes Feneberg

Das Ganze geschieht im regionalen Kreislauf, wo die Milcherzeuger Renate und Thomas Hosang auch nur ein paar Kilometer weiter entfernt leben, in Oy-Mittelberg.

“Wir haben angfangen 2008 mit 40 Stück, mit der eigenen Nachzucht ist die Herde größer gworden, jetzt sind es 136 Milchgeißen und ihr Nachwuchs.”

Thomas Hosang


Das sind die Ziegen von Renate und Thomas Hosang. | Bild: BR / Georg Bayerle

Der offene Stall der Hosangs sorgt dafür, dass der Ziegenkäse kein “Gschmäckle” annimmt.

Der Bauer Thomas Hosang ist ein Allgäuer ‚Mecheler‘ wie im Bilderbuch, also ein findiger Macher, was für einen Ziegenhalter wichtig ist. Denn weil das Geschäft klein ist, gibt es praktisch nichts von der Stange. Der hölzerne Ziegenstall ist Marke Eigenbau; baumstarke Dachbalken stammen vom eigenen Wald und lassen mit dem offenen Gebälk viel Luft und Licht herein.

“Gute Luft gibt a gute Milch; Geißamilch nimmt ziemlich schnell Umweltgeschmack an, und wenn’d Luft gut is, kann’s den nicht geben. Und Luft und Licht ist einfach Leben, wie beim Menschen auch.”

Thomas Hosang

So greift ein Rädchen ins andere bei einem Produkt, das ganz besonders natürlich geblieben ist. In Sellthüren in der Käskuche von Rudi Gmeiner hat sich der Ziegenkäse binnen weniger Jahre zum Renner entwickelt.

“Dann ham wir gsagt, jetzt muss man des Ganze weitermachen; aber es ist sehr interessant, und passt gut rein; also simmer froh, dass wir’s so gemacht haben.”

Thomas Hosang

So verfügt das Allgäu über ein weiteres Naturprodukt, das wirklich nicht „bockalet“, sondern die regionale Speisekarte mit einer feinen Würze bereichert.

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