Stimmen die Prognosen, dann muss Deutschland in diesem Jahr mit doppelt so viel Asylbewerbern rechnen wie 2014. Entsprechende Berechnungen des Bundesamtes für Migration könnten durchaus zutreffen, denn auch Entwicklungshilfeminister Gerd Müller bestätigt die Zahlen. Nach seinem Besuch bei der Kabinettssitzung in München spricht er von bis zu 400.000 Flüchtlingen:
“Wenn wir die Quartalszahlen hochrechnen, müssen wir mit 300.000 bis 400.000 Asylbewerbern rechnen. Wir müssen auch diferenzieren: 60 Prozent der ankommenden Asylbewerber kommen aus den Balkanländern. Wir müssen dazu kommen, diese Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen.”
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller
Der Bundesminister will darum die EU Fördermittel für Balkanstaaten komplett auf den Prüfstand stellen. Die Länder gelten als sicher. Die Anerkennungsquote liegt bei Null, sagt Müller und fordert, man muss nachdenken, ob hier etwas korrigiert werden kann.
“Es stellt sich an dieser Stelle auch die Frage, ob die Milliardenprogramme der EU in den letzten 15 Jahren auf dem Balkan wirklich wirksam waren.”
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller
“Wir brauchen ein Rückführungsprogramm”
Was das Gesamtproblem betrifft, so ist Müller in München, um auch die Positionen der CSU Staatsregierung zu untermauern und die heißt: Gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa, die Einrichtung eines Flüchtlingsbeauftragten bei der Europäischen Kommission und Geld für ein EU Rückführungsprogramm für Menschen, die derzeit gerade in Libyen auf die Ausreise warten. Bis zu 800.000 sollen es sein:
“Dazu ist es notwendig, dass die EU nicht nur Hilfsmaßnahmen im Mittelmeer ergreift, sondern auch auch ein Rückführungsprogramm der Flüchtlinge in diese Länder finanziert”
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller
Der Bundesminister will auch, dass die EU 10 Milliarden Euro als Aufbauhilfe in den Herkunftsländern der Flüchtlinge investiert, damit die Menschen erst gar nicht weggehen. Sein Ministerium liefert dazu ein konkretes Beispiel wie es funktionieren könnte. So habe man gerade mit Ghana ein 16 Millionen Euro Programm verabredet, um jungen Afrikanern in ihrer Heimat eine Ausbildung in einem Handwerk oder in Gesundheitsberufen zu ermöglichen. Dass das ein Weg ist, bestätigt auch Beate Merk. Die bayerische Europaministerin hat sich in den letzten Monaten in die Materie eingearbeitet, hat Flüchtlingslager im Nahen Osten oder auf Lampedusa besucht und sagt nun, dass auch Bayern helfen wird – ganz konkret in Tunesien zu dem man eine Partnerschaft pflegt. Was Bayern macht könnten doch auch andere Bundesländer tun, schlägt die Landesministerin vor:
“Wir können uns hier auf einen Staat konzentrieren, für Bayern wäre das Tunesien. Mit dem Land haben wir eine sehr gut funktionierende Regierungskommission”
Die bayerische Europaministerin Beate Merk
Weil das Thema nicht einfach in schwarz und weiß zu teilen und zu erklären ist, stützen auch die bayerische SPD oder die Grünen den Kurs. So pflichtet etwa SPD-Fraktionschef Rinderspacher dem CSU Minister Müller bei und verlangt mehr Solidarität in Europa.
“Viele Länder machen sich einen schlanken Fuß, um das etwas salopp zu formulieren. Das darf so nicht bleiben.”
Bayerns SPD-Fraktionschef Rinderspacher
Doch Deutschland könnte auch selbst noch viel mehr tun, finden die Grünen. Fraktionschefin Margarete Bause denkt an mehr Engagement bei der Unterbringung und der Rettung:
“Im Bezug auf unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft haben wir noch sehr viel mehr Möglichkeiten und auch die moralische Verantwortung”
Bayerns Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause
Bause fordert auch mehr Geld für die Seenotrettung. Militärische Aktionen gegen die Schleuser lehnt sie aber wie auch die SPD oder der Entwicklungshilfeminister aus Berlin. Gerd Müller sagt unmissverständlich, dass er von einer Zerstörung der Schlepperboote, wie sie derzeit diskutiert wird, nichts hält.