Joseph von Westphalen: Die Missachtung des Trachtengebots

Wer hat das neue Heimatministerium erfunden? Wollte Seehofer etwas schaffen, das kein anderes Bundesland hat, und um das uns früher oder später alle beneiden? Weil Heimat nämlich Kult und retro ist. Oder war es eine Bitte oder Bedingung Söders, der das neu geschaffene Amt bekleidet? Ist es das Ergebnis längerer parteiinterer Beratungen oder war es eine launige Spontanidee: Ja super, Markus, den Job machst du! Sollte damit vielleicht Söders Image als böser Bube irgendwie neutralisiert werden? Weil einer, der mit Heimat zu tun hat, kein ganz finsterer Finger sein kann und dazu neigt, an traditionellen Festtagen wie Kirchweih und dem als bayerischen Feiertag wieder eingeführten Josefi am 19. März, Begnadigungen zu erlassen und aufsässigen Leuten die unverdiente Freiheit zu schenken, die wegen Missachtung des Gebots, die Innenstadt nur mit Janker oder Dirndl zu betreten, Haftstrafen verbüßten.

Auch über den Namen macht man sich anderswo lustig: „Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat“. Ist hier nicht der Genitiv dem „für“ sein Feind? Oder ist das altfränkische Syntax? Das neue dem Finanzministerium beigefügte Heimatministerium wird ja in Zukunft im fernen Nürnberg behaust sein, einerseits weniger peinlich für uns Münchner, andererseits stellt sich die Frage, ob ein Heimatministerium ausreicht.

Bayern ist groß, und Heimat ist schließlich etwas innig Beschränktes im allerbesten Sinn: ein Lindenbaum im Berchtesgadener Land, eine Waldlichtung im Dreiländereck hinter Passau: das sind die Orte, nach denen man sich schmerzhaft sehnt, wenn man fern so fern dem Heimatland im brennend heißen Wüstensand oder sonst wo herumtappt. Wie soll sich ein Franke in eine Voralpenseele hineinfühlen oder in jemand, der in einer glücklichen Köhlerfamilie im Bayerischen Wald aufwuchs und dort seine Wurzeln hat. Deswegen braucht mindestens jeder bayerische Regierungsbezirk sein eigenes Heimatministerium, schon zur gerechten Förderung guter Volksmusik.

Leider steht zu befürchten, dass das neue Ministerium vor allem dazu da ist, die abgelegenen Regionen unserer Heimat mit schnellem Internetzugang zu versorgen, weil man heute seine Heimat nur noch online lieben kann.

 

 

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