München – Bayerns früherer Torwart Jean-Marie Pfaff meint im tz-Interview: “Madrid wird sehr viel Angst haben vor den Bayern.”
Er war eine der schillerndsten Figuren des FC Bayern: Zwischen 1982 und 1988 holte Jean-Marie Pfaff dreimal die Meisterschaft, zweimal den DFB-Pokal, nur ein internationaler Titel blieb ihm verwehrt. Obwohl er im legendären Halbfinale 1987 Real Madrid zur Verzweiflung trieb – aber im Finale kam dann der FC Porto… Die tz sprach mit dem 60-Jährigen, der heute Vortragsredner und Motivationstrainer ist.
Herr Pfaff, das Halbfinale 1987 werden Sie nicht vergessen haben, oder?
Jean-Marie Pfaff: Meine Güte, natürlich, daran werde ich noch den Rest meines Lebens denken. Ich kriege immer noch Gänsehaut, das Rückspiel in Madrid war das vielleicht beste Spiel meiner Karriere. Daheim hatten wir 4:1 gewonnen, in Madrid schoss Santillana nach einer knappen halben Stunde das 1:0, zwei Minuten danach flog Augenthaler vom Platz, ein Revanchefoul gegen Hugo Sanchez.
Er sagte später, er habe in der Kabine vor Nervosität bis zum Abpfiff zehn Zigaretten geraucht.
Pfaff: Richtig, und wir standen derweil zu zehnt da. Eine Stunde Unterzahl, Wahnsinn. Ich habe gehalten, was zu halten war. Real hätte zwar 3:0 gewinnen müssen, aber nicht auszudenken, wenn die das zweite Tor geschossen hätten. Dann wären die alle durchgedreht. Das war eine der härtesten Europapokal-Schlachten aller Zeiten. Wir waren im Endspiel, aber leider haben wir das Finale gegen Porto in Wien verloren. Madjer, das Hackentor, o Gott , ich will gar nicht drüber sprechen.
Müssen Sie nicht, Herr Pfaff, reden wir wieder über Real. Die Atmosphäre im Bernabeu war damals eher aufgeladen, stimmt’s?
Pfaff: Das war blanker Hass. Gleich am Anfang flog eine Eisenstange knapp an meinem Kopf vorbei, ein Messer kam auch runter. Feuerwerkskörper, Steine, da war alles dabei. Die Spieler waren auch außer Rand und Band. Bei Eckbällen stand mir der Sanchez immer auf den Füßen. Sage ich zu ihm: „Was machst du, geh von meinen Zehen runter.“ Da spuckt er mir ins Gesicht. Dann ist mir einer in die Hüfte gesprungen, dass ich kaum weiterspielen konnte – gemeingefährlich.
“Das wird Neuers Spiel”
Manuel Neuer wird ähnlich gefordert sein wie Sie.
Pfaff: Das dürfen Sie annehmen. Das wird Neuers Spiel. Sein wichtigstes Spiel, sein größtes Spiel. Natürlich ist kein Spiel mit dem anderen zu vergleichen. Und im Vergleich zu meiner Karriere kann man eh den ganzen Fußball nicht mehr vergleichen, es ist eine ganz andere Zeit, es sind ganz andere Voraussetzungen.
Was meinen Sie damit?
Pfaff: Heute spielt nur noch Kapital gegen Kapital. Es ist nicht mehr so wie früher, wo man sagte: Hm, der und der Spieler, die kosten nicht viel Geld, die probieren wir mal aus. Heute kaufen die großen Mannschaften von vornherein Qualität. Real mit Ronaldo und vor allem Bale, der immer stärker wird. Sein Tor gegen Barcelona im Pokalfinale war ja unglaublich. Und Bayern mit – da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll – Martinez, Thiago, Götze, jetzt holen sie noch Lewandowski. Das ist einfach so, das Geld spielt mittlerweile die entscheidende Rolle.
“Zwei von drei Titeln realistisch”
Trauen Sie dieser Mannschaft das Triple zu? In der Liga gab es zwischendrin ein leichtes Schwächeln.
Pfaff: Das ist doch normal. Gegen Augsburg und gegen Dortmund, das war nicht schön, aber auch nicht mehr entscheidend. Das 5:1 im Pokal gegen Lautern war schon wieder recht gut, und auch der Sieg in Braunschweig war wichtig für die Psyche. Und zu Ihrer Triple-Frage, zwei von drei Titeln halte ich für realistisch.
Aha. Und welchen dann nicht?
Pfaff: Den DFB-Pokal. Meister sind sie schon, die Champions League werden sie nach meiner Einschätzung auch gewinnen. Das Problem ist, dass das Pokal-Endspiel eine Woche vor dem Finale der Champions League stattfindet. Für Dortmund ist das DFB-Finale das letzte Saisonspiel, die können sich voll reinhängen. Bayern hat aber immer den 24. Mai in Lissabon im Hinterkopf. Das könnte hemmen. Aber wie gesagt, ich hoffe, dass ich mich täusche und sie doch alle drei Titel holen.
“Auswärts taugt Real doch überhaupt nichts”
Dann ist Bayern also Favorit gegen Real?
Pfaff: Madrid wird sehr viel Angst haben vor den Bayern. Wenn die Bayern das Hinspiel in Madrid gut überstehen, dürfte es gelaufen sein. Auswärts taugt Real doch überhaupt nichts. Und im Finale Atletico oder Chelsea, beides machbar. Darum gehe ich fest davon aus, dass die Bayern den Triumph vom Vorjahr nun in Lissabon wiederholen können.
Ein Triumph, den Uli Hoeneß dann wohl in seiner Zelle miterleben wird.
Pfaff: Das ist sehr bitter und sehr tragisch. Jeder Mensch macht Fehler, und natürlich muss man auch dafür geradestehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie er leidet und seine Familie auch. Ich hoffe, er wird bald wieder zurückkehren. Bayern ohne Uli, das mag ich mir nicht vorstellen.
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Interview: F. Kinast