Interview “Ich hoffe, es kehrt etwas Normalität ein”
Bayern-Profi Heiko Schaffartzik spricht über Anfeindungen von Alba-Fans und erzählt, warum seine Eltern nicht zum Spiel kommen
09.11.14, 02:50
Interview
Bayern-Profi Heiko Schaffartzik spricht über Anfeindungen von Alba-Fans und erzählt, warum seine Eltern nicht zum Spiel kommen
Von
Sebastian Arlt
Es wird sicherlich wieder sehr emotional, wenn sich in der Basketball-Bundesliga am Sonntag (17 Uhr, O2 World) Alba Berlin und Bayern München gegenüberstehen. In der Vergangenheit flogen oft verbale Giftpfeile hin und her. Es gab auch viel Theater um ein von Berliner Fans aufgehängtes Trikot des ehemaligen Alba-Profis Heiko Schaffartzik, 30, das als einfaches Metall-Gestänge, aber auch als Kreuz interpretiert wurde. Im Interview spricht Bayern-Spielmacher Schaffartzik über seine Gefühlslage.
Berliner Morgenpost:
Herr Schaffartzik, zum fünften Mal nach Ihrem Wechsel von Berlin nach München treten Sie am Sonntag mit dem FC Bayern bei Alba an. Hat das für Sie überhaupt noch etwas Besonderes?
Heiko Schaffartzik:
Natürlich ist es für mich etwas Besonderes, in Berlin zu spielen. Vor allem ist es aber sportlich interessant. Wir haben in der Bundesliga schon einmal verloren, Alba nicht. Wenn wir gewinnen, würden wir mit Alba gleichziehen. Es wird ein Spiel auf hohem Niveau und für uns eine sehr schwierige Aufgabe.
Zwischen den Klubs besteht eine besondere Rivalität. Nicht zuletzt, weil viele ehemalige Berliner – Spieler wie Trainer oder Funktionäre – nun in München arbeiten.
Bei uns war das eigentlich nie ein großes Thema. Es gehört zum Geschäft und ist doch auch im Berufsleben so, dass man bei unterschiedlichen Unternehmen arbeitet, bei uns sind es eben Vereine. Aber ich hoffe, dass jetzt wirklich etwas Normalität in die ganze Sache einkehrt. Dass eher das Sportliche im Vordergrund stehen wird als das andere Drumherum.
Was für Reaktionen des Berliner Publikums erwarten speziell Sie? Sie scheinen ja der besondere Buhmann zu sein.
Na ja, im Play-off-Finale war es schon auf einem sehr intensiven Level. Ich glaube aber, dass es sich langsam beruhigen und normalisieren wird.
Was glauben Sie, warum reagieren Alba-Fans auf Sie so besonders negativ?
Es gibt viele Theorien, ich will da nicht spekulieren. Man muss eher die Leute fragen, die ein Problem mit mir haben.
Eine Theorie von uns: Der Berliner Junge Heiko Schaffartzik hat die Liebe der Fans besonders enttäuscht, weil gerade er zu den Bayern gewechselt ist.
Das ist schon möglich. Aber wie gesagt: Es gibt viele Theorien…
Sind die ganzen Anfeindungen an Ihnen abgeprallt oder haben sie auch wehgetan?
Sicher sind Emotionen im Spiel, das gehört sowieso zum Sport dazu. Abgeprallt? Wehgetan? Ich habe es einfach akzeptiert als etwas, was dazugehört. Wenn, dann war es eher motivierend.
Sven Schultze, Ihr ehemaliger Kollege bei Alba, hat mal erzählt, wie schwer es für seine Eltern gewesen ist, als er im Berliner Trikot als gebürtiger Bamberger bei Spielen in der Heimat niedergemacht wurde. Wie empfinden Ihre Eltern als Zuschauer die Schmähungen gegen ihren Sohn?
Meine Eltern kommen nicht mehr in die O2 World.
Wieso?
Vor dem ersten Spiel, als ich mit München nach meinem Wechsel nach Berlin zurückkam, waren meine Eltern von Alba eingeladen worden. Ich fand das eine ganz tolle Geste. Leider gab es dann die unrühmliche Geschichte mit dem Kreuz. Das war nicht in Ordnung – und seitdem gehen meine Eltern nicht mehr dorthin.
Sie sind als Profi viel herumgekommen bei Klubs in Deutschland, Sie haben auch in Ankara gespielt. Haben Sie jemals erlebt, dass eine Mannschaft – wie jetzt die Bayern – so viel Antipathie auf sich zieht?
Nein, so etwas habe ich wirklich noch nirgends erlebt. Und ich glaube auch nicht, dass es woanders so etwas gibt. Die Antipathie ist natürlich da, das wird sich wahrscheinlich auch nie legen. Aber ich habe dennoch den Eindruck, dass es in dieser Saison nicht mehr so heftig ist, wie es noch im vergangenen Jahr der Fall gewesen ist.
Erneut sind Theorien gefragt: Was meinen Sie, woran könnte das liegen?
Ich könnte mir vorstellen, dass die Leute zähneknirschend respektieren, dass wir den Meistertitel geholt und sehr viel Arbeit dafür reingesteckt haben. Vielleicht sehen uns nun einige etwas anders und es trägt dazu bei, dass die Antipathie nicht mehr ganz so heftig ausfällt wie vorher.
Beim Fußball wird immer über diese ganz besondere “Mia san mia”-Mentalität des FC Bayern gesprochen, über dieses unerschütterliche Selbstbewusstsein. Haben Sie das als Basketballteam auch schon aufgesogen?
Vielleicht ein bisschen. Aber wir sind natürlich noch weit entfernt von diesem Selbstverständnis, mit dem die Fußballer das betreiben. Das ist schon ein sehr hohes Niveau, auch an Selbstvertrauen und Konzentration. Wie die auflaufen, ist sehr beeindruckend. Bei uns ist das noch nicht der Fall.
Berlin dürfte wieder einer Ihrer Hauptkonkurrenten sein. Wie schätzen Sie denn Alba 2014/2015 ein?
Alba hat eine klare Rollenverteilung innerhalb der Mannschaft. Sie haben sehr gute Spieler, sie spielen als Mannschaft sehr gut zusammen. Die Verteidigung ist natürlich sehr gut, sie spielen sehr aggressiv. Und sie spielen humorlos.