(Pressedienst 55/2015: Aktionstag bei bayerischen Automobilherstellern am 24. September 2015) Die IG Metall Bayern verstärkt ihren Einsatz gegen den Missbrauch von Werkverträgen für Lohndumping. Nach einer aktuellen Befragung der Betriebsräte von fast 600 Betrieben im Freistaat setzen bei steigender Tendenz derzeit knapp 80 Prozent der bayerischen Unternehmen Werkverträge ein.
IG Metall-Bezirksleiter Jürgen Wechsler fasst die Kritik an dieser Entwicklung zusammen: „Wir haben nichts gegen sachlich begründete Werkverträge, wenn beispielsweise ein Unternehmen seine Werkshallen von einer externen Firma neu streichen lässt. Aber die konkreten Zahlen lassen nur den Schluss zu, dass sich die Fremdvergabe als Instrument etabliert, Kosten zu senken und sich fairen Tarifverträgen zu entziehen – auf dem Rücken der Beschäftigten.“
Entgegen mancher Schutzbehauptungen von Arbeitgeberseite betrifft der Befragung zufolge ein Großteil der Werkverträge tatsächlich Tätigkeiten, die zur Kernkompetenz der Betriebe gehören: 32 Prozent setzen sie in der Produktion ein, 23 Prozent in der Montage und 52 Prozent in den Bereichen Logistik, Entwicklung oder Engineering. Durch dieses Vorgehen werden Tarifverträge unterlaufen, Beschäftigte um entsprechende Leistungen beispielsweise bei Entgelt oder Urlaub gebracht, sowie Belegschaften gespalten. Die oft von Arbeitgebern angeführte Möglichkeit eigener Tarifverträge der Dienstleister bleibt dabei theoretischer Natur, erklärt Wechsler: „44 Prozent der beauftragten Werkvertragsunternehmen haben offenbar keine Tarifverträge. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher, denn entgegen der Behauptungen mancher Arbeitgebervertreter haben die Betriebsräte keineswegs ein Informationsrecht über den Einsatz von Werkverträgen in ihrem Unternehmen. Auch das wollen wir durch einen gesetzlich definierten Anspruch auf Information grundlegend ändern.“
Aufgrund dieser Tatsache konnten fast 40 Prozent der befragten Betriebsräte keine Angaben dazu machen, ob die per Werkvertrag Beschäftigten einen Tarifvertrag haben. Hinzu kommt, dass solche Tarifverträge überwiegend deutlich schlechtere Bedingungen festlegen als die der IG Metall, so Wechsler: „Gar keinen Tarifvertrag oder bestenfalls einen mit weniger Geld, mehr Arbeit und weniger Urlaub – solche Beschäftigungsbedingungen sind eine Schande für die bayerische Industrie, deren wichtigstes Kapital hochqualifizierte und motivierte Beschäftigten sind. Tariflose und betriebsratsfreie Bereiche werden wir hier nicht akzeptieren.“ In diesem Zusammenhang lobt Wechsler eine im Juli 2015 bei BMW geschlossene Vereinbarung. Nach ihr setzt der bayerische Automobilbauer nur noch solche Dienstleister in der Kontraktlogistik ein, die einen Tarifvertrag mit der IG Metall geschlossen haben: „Das fordern wir auch von anderen Unternehmen!“
In der Automobilindustrie werden besonders viele Menschen über Werkverträge beschäftigt. Die IG Metall Bayern wird daher im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages am 24. September gegen den Missbrauch von Werkverträgen bei den Automobilherstellern mit Aktionen in München, Ingolstadt, Landshut und Dingolfing ein klares Signal an Audi, BMW und MAN senden. Gleichzeitig verstärkt sie damit die Aufforderung an die Politik, die im Koalitionsvertrag vereinbarte gesetzliche Regulierung gegen den Missbrauch von Werkverträgen konsequent umzusetzen: „Wir wollen eine klare Abgrenzung von Werkverträgen gegenüber anderen Formen der Arbeitnehmerüberlassung, umfassende Informations- und Vertretungsrechte für die Betriebsräte im Einsatzbetrieb, und wir wollen Mitwirkungsrechte ähnlich denen beim Einsatz von Leiharbeitern. Fremdvergaben darf es nur geben, wenn zuvor mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich faire Bedingungen vereinbart werden.“
Abschließend weist Wechsler auf versteckte Risiken der ausufernden Verwendung von Werkverträgen über die Benachteiligung der Betroffenen hinaus hin: „Je mehr seiner eigentlich ureigenen Aufgaben ein Unternehmen aus kurzfristigen Kostengründen nach außen vergibt, desto stärker nimmt es einen gefährlichen Kompetenzverlust in Kauf. Wer wesentliche Teile seiner Wertschöpfungskette wie Entwicklung und Produktion aufgibt, verliert auf Dauer lebenswichtiges Know how und damit letztlich auch Wettbewerbsfähigkeit.“