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- Johann Westhausers Bergung aus der Riesendinghöhle hielt vor einem Jahr die ganze Welt in Atem.
- Nun ist er nach Berchtesgaden zurückgekehrt – für eine Tagung.
- Forschungstouren hat er seit seinem Unfall nicht mehr unternommen.
Bergdohlen kreisen um den Fels, ein leichter Wind pfeift durch die Latschen. Das Gras am Untersberg ist mittlerweile nachgewachsen, an manchen Stellen ist das Plateau vor der Riesendinghöhle zugewuchert. Hier, wo vergangenen Sommer Hunderte Berg- und Höhlenretter Zelte aufbauten und eine Seilkonstruktion über dem Eingang spannten, hat sich die Natur zurückgekämpft. Ein Stahlgitter versperrt jetzt den Zugang zur tiefsten Höhle Deutschlands.
15 Monate sind vergangen, seit die Welt nach Berchtesgaden blickte. Im Inneren des Untersbergs spielte sich im Juni 2014 eine Gruselgeschichte ab, über die selbst der US-Sender CNN in seinen Hauptnachrichten berichtete. Den Höhlenforscher Johann Westhauser hatte in 1000 Meter Tiefe ein Stein getroffen. Es folgte eine denkwürdige Rettungsaktion, von der Ärzte sich sicher waren, dass man sie mit einem Schädel-Hirn-Trauma kaum überstehen könnte: Westhauser hielt elf Tage lang durch, wurde acht Mal wiederbelebt, ehe ihn seine Kollegen aus der Höhle hievten. Und bis heute fragen sich die Menschen: Was muss das für ein Mann sein, der so eine Tortur übersteht?
Westhauser arbeitet in seinem alten Job
Im vernebelten Schönau am Königsee lässt sich in diesen Tagen nur erahnen, wo genau die Gipfel der Berchtesgadener Alpen in den Himmel ragen. Westhauser sitzt in Jeans und Halbschuhen an einem der Biertische beim Jahrestreffen des Verbands deutscher Höhlen- und Karstforscher (VdHK). Ein schwarzes Polohemd spannt über seinen kräftigen Oberarmen. Westhauser lacht und applaudiert. In den Pausen schüttelt er Bekannten die Hand. Ein paar Sätze, ein Klaps auf den Rücken.
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Westhauser hat seit dem Unfall kaum etwas von sich hören lassen, lediglich seine Video-Danksagung ging um die Welt. Seit Westhauser die Reha verlassen hat, meidet er Auftritte und TV-Studios. Der 55-Jährige lebt sein gewohntes Leben weiter, arbeitet wie vor dem Unfall als Techniker am Institut für Angewandte Physik des Karlsruher Instituts für Technologie. Zur Jahrestagung kehrt er dorthin zurück, wo der Untersberg seinen Schatten wirft.
Eine gute Freundin ist im Unterberg gestorben
Alles ist angerichtet für einen gemütlichen Vortragsabend. Bevor es am Sonntag rauf in die Höhlen gehen soll, sitzen Westhausers Forscherkollegen in Trekkinghosen und Fleecejacken bei Brotzeit und Bier. Dieses Wochenende soll sich normal anfühlen – vor allem für Westhauser. Interviews werde er keine geben, sagt die Pressebeauftragte. Westhauser soll ungestört mit Kollegen fachsimpeln können, wie sonst auch. Aber geht das so einfach? Nach all dem, was passiert ist?
Ein Raunen geht durch den Saal, als auf der Leinwand das Foto einer Frau mit Helm erscheint, aufgenommen während Westhausers Rettungsaktion in der Riesendinghöhle. Verstohlene Blicke mustern Westhauser, der einmal kräftig durchatmet. Erst zwei Monate ist es her, dass seiner guten Freundin Sabine Zimmerebner im Untersberg ebenfalls ein Stein auf den Kopf krachte. Helfen konnte seiner Retterin an diesem 7. Juli niemand mehr, die 45-Jährige starb noch am Höhleneingang. Es war der Tag, an dem Johann Westhauser 55 Jahre alt wurde.
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