<!– –>
Hannelore Kraft fällt am Rande der Alpen auf, was vielen Besuchern auffällt: “Schön hier”, sagt die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin. Da könnte man Urlaub machen, findet Deutschlands beliebteste Sozialdemokratin.
Kraft ist auf dem Weg auf den Auerberg im Pfaffenwinkel – einen 1055 Meter hohen und wegen seines Alpenpanoramas bei Landschaftsfotografen sehr beliebten Hügel. Der Blick schweift über Wiesen, Wälder, Seen und schmucke Dörfer, die dem Postkartenidyll recht nahe kommen. Im Süden ragen die Alpen in die Höhe, an klaren Tagen sieht man Schloss Neuschwanstein.
Kraft trägt Turnschuhe und Freizeitkleidung, doch sie ist nicht in der Sommerfrische, sondern im Wahlkampfeinsatz. Sie wird begleitet von etwa 100 Bürgern – zumeist Parteifreunde -, SPD-Politikern und Journalisten. Kraft versucht, eine junge Kuh zu streicheln, doch die beäugt die Wandergruppe skeptisch und weicht zurück. “Ihr müsst keine Angst haben vor der SPD”, sagt Kraft zu den Kühen.
Der Satz könnte auch für die Wähler im Oberland und im Allgäu gelten. Denn so idyllisch die Örtlichkeit, so schwierig das Terrain für die SPD. Südlich von München ist die Sozialdemokratie schon lange keine Volkspartei mehr. Bei Landtags- und Bundestagswahlen liegen SPD-Bewerber regelmäßig um die dreißig Prozentpunkte hinter ihren CSU-Konkurrenten. In der Berliner SPD-Parteizentrale galt der bayerische Landesverband lange als ebenso erfolgloser wie letztlich unbedeutender Haufen.
Genau daher tingelt Kraft nun hier durch die sozialdemokratische Diaspora. “Ich bin in NRW auch nicht nur in unseren Hochburgen unterwegs. Ich muss ja nicht nur unsere eigenen Leute überzeugen”, meint sie am Rande der Wanderung. “Es ist mir ein persönliches Anliegen, Christian Ude zu helfen”, sagt sie über den bayerischen Spitzenkandidaten. “Wir kennen uns lange und wir mögen uns.”
Auch ganz unabhängig von Krafts Zuneigung zu Ude schwärmen in diesen Wochen so viele SPD-Spitzenleute in Bayern aus wie noch nie. Dazu gehören auch die “Bayern bergauf”-Touren. Der bayerische SPD-Landesverband schleppt seit Jahren prominente Parteifreunde auf telegene Aussichtspunkte. Die Termine sind zumindest bei den Spitzengenossen sehr beliebt, die gerne zu Fuß unterwegs sind.
Und davon abgesehen ist der SPD-Spitze in Berlin aufgegangen, dass sie den Süden Deutschlands nicht länger vernachlässigen kann. In Baden-Württemberg sind die Grünen bereits an der SPD vorbeigezogen, und auch in Bayern scheint das mittelfristig nicht ausgeschlossen. Doch sollte die SPD südlich von Main und Neckar dauerhaft zur dritten Kraft absteigen, würden damit auch die Chancen schwinden, in Berlin je wieder eine Bundesregierung führen zu können.
Glaubt man den Umfragen, müsste die SPD die Wahlen eigentlich schon verloren geben – die Landtagswahl am 15. September ebenso wie die Bundestagswahl eine Woche darauf. Doch sie hofft auf die hohe Zahl Unentschlossener. “Die Erfahrung zeigt, dass die Erfahrung nichts wert ist”, sagt SPD-Landeschef Florian Pronold zu dem Umstand, dass die Demoskopen bei mehreren vergangenen Landtagswahlen daneben lagen.
Viele SPD-Politiker registrieren in diesen Tagen, dass auch die CSU Schwierigkeiten hat, ihre Anhänger zu mobilisieren – und dass die Bürger “freundlich unvoreingenommen” sind, wie es Spitzenkandidat Ude formuliert. Früher schlug SPD-Kandidaten von manchen Wählern offene Feindseligkeit entgegen. Davon sei dieses Mal nichts zu spüren, berichtet Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der Bayern-SPD. “Die Umfragen spiegeln nicht die Reaktionen der Bevölkerung.”
Dementsprechend spendet Kraft ihren bayerischen Zuhörern Trost: “Man kann auch bei solchen Umfragen noch Wahlen gewinnen”, sagt die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin in ihrer kurzen Rede, nachdem der Gipfel des Auerbergs und die Aussichtsterrasse des Wirtshauses erreicht sind. “Liebe Bayern, es geht.”
<!– –>