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11. September 2013
“Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa”: Die große zweiteilige Historienschau in Mannheim.
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Ludwig der Kehlheimer (1173–1231), Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein Foto: dpa/museum
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Kurfürst Ottheinrich (1502–1559) Foto: BZ
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Am Anfang war, wie so oft, eine – ziemlich unscheinbare – Burg, Wittelsbach mit Namen, inzwischen ein überwachsener Steinhaufen. Eine Videoinstallation lässt das Gemäuer auferstehen: Schutz und Trutz – nichts Spektakuläres.
Als ein gewisser Otto dann mit dem Herzogtum Bayern belehnt wird, das Kaiser Barbarossa eben Heinrich dem Löwen weggenommen hat (worauf man dessen Raubkatze ins eigene Wappen transferiert), geht’s auf einmal steil bergauf mit den Wittelsbachern. Fehlen nur noch die weiss-blauen Rauten und fertig ist die berühmteste Familie Bayerns. Wirklich nur Bayerns? Bei den Wittelsbachern allein an Ludwig, Sissi und Schloss Neuschwanstein zu denken, hieße zu kurz greifen. Mitglieder des Geschlechts herrschten in Skandinavien und Griechenland, und – immerhin über 600 Jahre – auch am Rhein, über jenes Gebilde, das nur noch in den Köpfen weiterlebt und sich dort erstaunlich lange hält: die Kurpfalz.
1803 wurde sie durch einen Federstrich Napoleons von der politischen Landkarte getilgt, doch die Bewohner dieses Landstrichs wollten und wollen sich weder als Badener und erst recht nicht als Bayern fühlen – zu dem die linksrheinische Pfalz immerhin bis 1946 gehörte. Ihre über zweihundertjährige Treue zu einem verschwundenen Kleinstaat ist eine historische Kuriosität. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein zählte einst zu den Schlüssel-Territorien des römisch-deutschen Reiches. Eine “Innovationsregion”, würde Alfried Wieczorek sagen, der die Reihe seiner opulenten Historienschauen in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen jetzt mit der zweiteiligen Großausstellung ” Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa” fortsetzt.
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Mehr noch: Das Jahr 2013 wurde kurzerhand zum “Wittelsbacherjahr” erklärt, mit 300 Veranstaltungen (darunter sechs Ausstellungen) an 46 Orten in drei Bundesländern. Nun also, zum Ausklang und Höhepunkt: das Geschichts-Panorama im Zeughaus und im Residenzschloss Mannheim, das den Blau-Weißen 57 Jahre lang als Regierungssitz diente. Der Auszug des kunstsinnigen Kurfürsten Karl Theodor nach München, wo er das bayrische Erbe antrat und wo das Volk ihn hasste – trotz mitgebrachtem Mannheimer “Leberkäs” und Englischem Garten – bedeutete 1777 den Anfang vom Ende.
Startpunkt für die Wittelsbacher im deutschen Südwesten ist das Jahr 1213, als der Bayer Ludwig der Kehlheimer vom Staufer Friedrich II. auch noch die Pfalzgrafschaft am Rhein bekam. Zunächst blieben Pfalz und Bayern in einer Hand, 1329 wurden sie geteilt – und blieben es 448 Jahre lang. Der rheinische Vetter stellte den bayrischen in den Schatten – wurde er doch rangerhöht, zu einem der sieben Kurfürsten, die den römisch-deutschen Kaiser wählten. Ein Prestige-Amt in einer, dank des Rheins, prosperierenden Region. Fatal bergab ging es erst im 30-jährigen Krieg, als der protestantische Pfälzer Kurfürst als “Winterkönig” von Böhmen gegen den katholischen Kaiser rebellierte, und im Pfälzer Erbfolgekrieg, als der Franzose Ludwig XIV. seine Schwägerin Liselotte von der Pfalz vor seinen blutigen Karren spannte. Die alte Hauptstadt Heidelberg (samt Schloss), Speyer und Mannheim sanken in Trümmer. Die zweite Blüte kam im 18. Jahrhundert als unter der Regentschaft des “Pfälzer Glücksschweins” Karl Theodor die Mannheimer Hofkapelle aufspielte, Mozart auf eine Stelle hoffte und die Karriere Schillers mit der Uraufführung der “Räuber” im Mannheimer Nationaltheater begann. Genug Geschichte.
Bleibt die Frage, wie sich das alles in einer Ausstellung zusammenfassen und vermitteln lässt. Als wirklich innovativ könnte das Projekt am ehesten gelten, wenn, im Verzicht auf den chronologischen Herrscher-Parcours, strukturelle Schwerpunktthemen fokussiert worden wären. Doch gewiss, auf Persönlichkeiten wie Ruprecht, den einzigen (glücklosen) König der rheinischen Wittelsbacher lässt sich ebenso wenig verzichten wie auf Ottheinrich, schon weil der bibliomane Fettwanst aus Pfalz-Neuburg die Reformation einführte und auf dem Heidelberger Schloss die schönste Renaissance-Fassade nördlich der Alpen hochzog.
Woher der Reichtum
eigentlich floss
Warum aber dem “Landshuter Erbfolgekrieg” im Zeughaus eine ganze Etage einräumen – mit Stichwaffen, Sturmleitern und einer Rüstung des Götz von Berlichingen, der vor Landshut seine rechte Hand verlor? Weit interessanter als das Hauen und Stechen zwischen den rheinischen und bayrischen Vettern ist allemal das blühende (auch jüdische) Wirtschaftsleben am Rhein, in einer Kulturlandschaft, die auf die “Metropolregion Rhein-Neckar” voraus zu weisen scheint. Spannend auch, zu erfahren, woher der Reichtum der Pfalz eigentlich floss – zu einem Großteil aus den Rheinzöllen. Die Ausstellung nimmt in den lichten Raumfluchten des kurfürstlichen Schlosses deutlich Fahrt auf. Durchlaufen wird der Zeitraum von der Reformation bis 1803, wobei sich Konfliktlinien und kulturhistorische Eckpfeiler klarer abzeichnen. Die Kunst etwa öffnet sich zur Natur: Landschaften von Gillis van Coninxloo betonen die Rolle des Kunstzentrums Frankenthal als Ort wallonischer Glaubensflüchtlinge; 1755 etabliert Karl Theodor dort eine lukrative Porzellanmanufaktur. Kunst und Wissenschaften blühen im Reich des “Jägers aus Kurpfalz” und im Gästebuch der berühmten Mannheimer Sternwarte stehen illustre Namen: Voltaire, Mozart, Thomas Jefferson, Adolph von Knigge … Die Rhein-Neckar-Metropole – sie galt als Wunschziel auf der Tour d’ Europe: ein “Neckar-Florenz”.
Imponierend auch in dieser Ausstellung: die verblüffend detailscharfen Computer-Simulationen. Hier schwelt das Heidelberger Schloss, dort begleiten wir einen Kaufmann des 15. Jahrhunderts den Rhein hinab. Alles in allem eine höchst sehenswerte Ausstellung, weniger spektakulär als “Die Staufer” und “Alexander der Große”, doch gilt auch diesmal: Informativer und umfänglicher kann eine Historienschau nicht sein!
– Reiss-Engelhorn-Museum im Zeughaus und Residenzschloss Mannheim. Bis 2. März, täglich 11–18 Uhr.
Autor: Stefan Tolksdorf
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