Grenzöffnung die Wende im Leben – Main

Wargolshausen Ab diesem Mittwoch ist er wieder ZDF-Experte beim Biathlon in Bad Neustadts Partnerstadt Oberhof. Dort, wo seine erfolgreiche Karriere begann. Am letzten Sonntag vor der Jahreswende war Sven Fischer Überraschungsgast von Fredi Breunig beim kabarettistischen Frühschoppen in Wargolshausen. Und nach dieser „Weiterbildung“ (O-Ton Fischer) gab er ein Interview über sein Leben, das sich nach der Grenzöffnung vor 25 Jahren sportlich, privat und beruflich einen Steilanstieg gleichkam.

Wie hat sich Ihr sportliches Leben verändert?

Sven Fischer: „Ich bin jetzt 43, bei der Wende war ich 18. Zunächst mal bin ich froh, dass wir eine friedliche Wiedervereinigung erleben durften. Wenn ich allein sehe, was 2014 in der Welt alles los war, dürfen wir sogar stolz darauf sein. Wir leben in Freiheit und diskutieren auf einem hohen Niveau. Uns geht es sehr gut im Vergleich zu anderen Ländern. Natürlich habe ich durch die Wende auch eine neue sportliche Perspektive bekommen. Ich hatte eine schwere, man sagte mir irreparable Knieverletzung, die keinen Leistungssport mehr zulasse. Es standen eine Menge guter Nachwuchsathleten Gewehr bei Fuß, die aufgerückt wären. Es wäre also wahrscheinlich vorbei gewesen mit meiner sportlichen Zukunft. Durch die Wiedervereinigung bekam ich eine Chance, wurde in den C-Kader aufgenommen und durfte mich von ganz unten durch boxen. Es war kein einfacher Weg. 1992/93 kam ich dann bereits in der Nationalmannschaft an und wurde 1994 erstmals Olympiasieger in der Staffel. In der Nachbetrachtung war es schön, dass die deutsche Biathlonmannschaft, wir waren acht Athleten, diese Wiedervereinigung gelebt hat. Das war eine weise Entscheidung von den Bayern, Thüringern, Sachsen und Niedersachsen, dass wir den Schulterschluss machten.“

Sie wären also ohne die Wende nie Weltmeister und Olympiasieger geworden?

Fischer: „Es ist alles hypothetisch. Aber tendenziell ganz klar nein.“

Ihre Laufbahn nach dem Sport wäre ja auch vorgezeichnet, um nicht zu sagen vorbestimmt gewesen. So bekam Ihr privates und berufliches Leben durch die Wende gewiss auch neue Perspektiven.

Fischer: „Hundertprozentig. Beim ZDF in Mainz zu arbeiten, wäre damals natürlich nicht möglich gewesen, höchstens beim Hörfunk oder Fernsehen in Berlin irgendwas. Heinz Florian Oertel ist ja ein sehr guter, Bahn brechender Reporter gewesen. Aber diese Richtung hätte ich garantiert nicht eingeschlagen. Deshalb bin ich froh, dass ich diese Entwicklung nehmen durfte. Ich reise gerne, bin sehr gerne unterwegs, auch im Weltcup-Zirkus. In der Folge hat sich für mich und meine Familie privat ein besseres Leben ergeben, als es sonst möglich gewesen wäre. Ich möchte deshalb hier mal einen Spruch von meinem Großvater wiederholen, der Mitte der 80-er-Jahre mal gesagt hat: ‘Sven, wir waren eins, wir sind getrennt, aber du wirst sehen, wir werden wieder eins sein. Ich werde es freilich nicht mehr erleben.’ Ich bin froh, dass er es doch noch erleben durfte. Die alten Generationen haben zusammengehalten und da wäre es doch schlecht, wenn wir dieses Erbe nicht bewahren würden.“

Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit dem ZDF aus?

Fischer: „Hierdurch habe ich die Chance bekommen, meine Erfahrungen, als ehemaliger Nachwuchsathlet, als fast verloren gegangener Sportler, als einer, der sich durchgebissen hat und erfolgreich war, weitergeben. Ich habe Erfahrungen gemacht, Höhen und Tiefen, sportlich und auch privat durchgemacht und Informationen bekommen, von denen ich jetzt profitiere. Ich kann so auch transportieren, wie der Weg eines Athleten ist oder welche Schwierigkeiten er haben kann, wie er sich fühlt, wenn’s mal nicht so läuft oder wenn er auf dem Weg zum Siegerpodest ist. So kann man die Sportart besser erklären und ich denke, das ist gut für die Übertragung und die Zuschauer, nicht nur im Biathlon. Das ZDF jedenfalls hat klar und deutlich seinen Standpunkt ausgedrückt, indem es einen unabhängigen Experten will, das heißt, dass ich zum Beispiel nicht beim Skiverband arbeite, weil man sonst irgendwo parteiisch sein könnte.“

Womit beschäftigen Sie sich sonst noch, was zum Lebensunterhalt beiträgt?

Fischer: „Im Winter arbeite ich für das Fernsehen und das ist auch ein kompletter Tagesjob. Die freie Zeit, die im Frühjahr und im Sommer da ist, nutze ich, um Vorträge zu halten, um aus meinem Sport die Informationen weiterzureichen. Das wird sehr gerne genutzt in allen Bereichen, etwa der Politik, der Wirtschaft und der Bildung. Ich habe also einen sehr vollen Terminkalender, fahre als Selbstständiger quer durch Deutschland und halte Vorträge, die immer mit Motivation zu tun haben, mit Entscheidungen treffen, mit Ehrlichkeit im Sport und ob sich Leistung lohnt. So eine Abwechslung wie hier beim kabarettistischen Frühschoppen ist nicht nur schön, sondern sie dient mir selber als Weiterbildung. Ich gebe nicht nur Erfahrungen weiter, sondern ich lerne auch immer wieder, frei nach dem Spruch meines Großvaters: ‘Man wird alt wie ‘ne Kuh und lernt noch immer was dazu!“

Sven Fischers Erfolge

Olympischen Spiele: 4 Gold-, 2 Silber-, 2 Bronzemedaillen; damit erfolgreichster deutscher Sportler bei Olympischen Spielen;

Weltmeisterschaften: 7 Gold-, 6 Silber-, 7 Bronzemedaillen; Weltcup: 2 Gesamtweltcup-Siege, 4 Sprint-Gesamtsiege, 2 Massenstart- Gesamtsiege, 2 Verfolgungs-Gesamtsiege; 33 Einzel-Weltcupsiege; Sportler des Jahres 2006

Drittbester Biathlet der Welt aller Zeiten hinter Ole Einar Björndalen und Martin Fourcade; Rücktritt 2007

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