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Die Politik schafft es nicht, die Krise des bayerischen Parlaments zu bewältigen. Deshalb schlägt jetzt die Stunde der Ermittler. Das Verfahren durch den Obersten Rechnungshof birgt gewaltige Sprengkraft. Und Ministerpräsident Seehofer muss sich auf böse Überraschungen in der heißen Wahlkampfphase einstellen.
Die Politik schafft es offenkundig nicht mehr, die Krise des bayerischen Parlaments zu bewältigen – nun schlägt die Stunde der Ermittler. Von der Justiz und vor allem vom Obersten Rechnungshof (ORH) wird nun eine Klärung der vielfältigen Vorwürfe erwartet, denen viele jetzige und frühere Abgeordnete des Landtags bis hinauf in die Staatsregierung ausgesetzt sind.
Der Rechnungshof will schon in der kommenden Woche mit einem sogenannten “Eröffnungsgespräch” bei Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) mit der Aufarbeitung beginnen. Zugleich kann die Augsburger Staatsanwaltschaft nun offiziell gegen den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid ermitteln. Der Landtag ließ seine Einspruchsfrist gegen einen Antrag der Justiz verstreichen, damit ist Schmids Immunität nun aufgehoben.
Nun muss sich Ministerpräsident Horst Seehofer darauf einstellen, dass der Rechnungshof auch während der heißen Wahlkampfphase die Materie am Kochen hält. Es soll zwar schnell geprüft werden, der ORH will sich aber nicht darauf festlegen, ob er das Verfahren vor der Sommerpause abschließt oder erst zur oder nach der Landtagswahl im September. In jedem Fall dürfte das öffentliche Interesse an dem Verfahren beispiellos sein.
Die keinerlei Weisungen unterworfenen Prüfer hatten sich nach einer kurzen internen Debatte auf eine Prüfung der kompletten Abgeordnetenfinanzierung verständigt. Das birgt erhebliche Sprengkraft. Denn damit steht nicht nur die umstrittene Finanzierung von Abgeordneten-Mitarbeitern auf dem Prüfstand, sondern auch die sogenannte Kostenpauschale. Jeder Abgeordnete bekommt für Spesen, Büroausgaben und ähnliches steuerfrei 3200 Euro monatlich, ohne Details nachweisen zu müssen und unabhängig davon, ob er das Geld auch verbraucht.
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Darüber gab es nun auch einen neuen Disput zwischen Landtagspräsidentin Stamm und dem Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim. Dieser hält die Pauschale für verfassungswidrig. Stamm kontert, das Bundesverfassungsgericht habe die Rechtmäßigkeit vor drei Jahren bestätigt. Arnim verweist dagegen darauf, Karlsruhe habe damals eine Beschwerde ausdrücklich ohne inhaltliche Prüfung zurückgewiesen. In jedem Fall gerät Stamm mit ihrem Landtagsamt auch in den Mittelpunkt der ORH-Prüfung. Es werde der Frage nachgegangen, ob der Landtag seine Kontrollaufgaben bei den Abgeordnetenbezügen ausreichend wahrgenommen habe, sagte ein Sprecher.
Stamm sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei gut, wenn der ORH Vorschläge mache. “Da muss man auch eigene Befindlichkeiten zurückstellen.” Sie verwies aber auch darauf, ein Abgeordnetengremium selbst habe als Vorgaben für das Landtagsamt formuliert, es habe Abrechnungen nur auf Plausibilität und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen, nicht aber auf inhaltliche und moralische Aspekte. Stamm: “Ich übernehme gerne Verantwortung, aber nur für das, wofür ich Verantwortung zu übernehmen habe.”
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