GBW – Patrizia: Die Angst der Mieter vor dem Hai

Zuhause in einer Wohnung der Bayerischen Landesbank: Jahrelang war das eine sichere Sache. “Am Standort München sind keine Verkäufe geplant”, ließ die Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW) anderslautende Gerüchte 2011 dementieren. Noch Anfang 2013 herrschte auf der Website der Wohnungsgesellschaft business as usual. Unter der Rubrik “Wohnen” fanden sich Berichte über neue Ankäufe und das Servicethema “Finanzen im Griff”.

Sonst noch was?

Hinter verschlossenen Türen wurde zur gleichen Zeit der größte Immobiliendeal der jüngeren bayerischen Geschichte eingefädelt. Auf der einen Seite des Tisches saßen Vertreter der BayernLB, die nach existenzbedrohenden Verlusten und Staatsbeihilfen von zehn Milliarden Euro ihre Wohnungen abstoßen wollte. Auf der anderen Seite: Eine zweistellige Zahl von Kaufinteressenten, darunter etliche private Investoren und ein Konsortium der betroffenen Kommunen. Für die Bank ging es um Gewinne von mindestens zwei Milliarden Euro, für 80.000 GBW-Mieter zwischen Aschaffenburg und Traunstein um ihr Zuhause.

Infografik: Die Wohnungen der GBW-Gruppe in Bayern



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Zeitstrahl: Von der Landesbank-Krise zum Wohnungsverkauf



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Auftritt: Die Patrizia

Das Land Bayern hatte es abgelehnt, die Wohnungen seiner Landesbank zu übernehmen. Dass ein solcher Ankauf, wie von Finanzminister Markus Söder (CSU) behauptet, mit EU-Recht unvereinbar wäre, wird von der EU bestritten. Immerhin beteiligte sich ein Konsortium betroffener Kommunen unter Führung der Städte München und Nürnberg am Bieterwettbewerb.

“Unser Geschäftsmodell wäre gewesen, die GBW so zu betreiben, wie wir unsere eigenen Wohnungsbaugesellschaften betreiben, und daraus hat sich unser Preisangebot berechnet. Wer mehr zahlen kann, muss die GBW anders betreiben.”

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly am 9. April in der Bayern2RadioWelt. zurückzuzahlen.

Am Ende kommt der Meistbietende zum Zuge: ein milliardenschwerer Privatinvestor aus Augsburg.

Der Wohnungsdeal in “Quer”


00:05:18




Alternativlos?
Der Verkauf der GBW-Wohnungen



00:02:11




Markus Söder
GBW-Nachspiel?


Auf 2,456 Milliarden Euro beläuft sich das Gebot der Patrizia AG für ihren 92-Prozent-Anteil an den Wohnungen, nach Abzug der GBW-Verbindlichkeiten müssen die Augsburger noch 882 Millionen auf den Tisch.

Viel Geld – und doch ein Schnäppchen, wie “Quer” ausgerechnet hat: Im Schnitt zahlt die Patrizia 1.350 Euro pro Quadratmeter. In Bayerns Städten sind die Preise sonst auch bei einfachem Wohnstandard höher.

“Noch eine Erhöhung können wir nicht verkraften”

Die “verkauften” Mieter fühlen sich verraten. So wie Karl Reuther (65) aus München, der in seiner GBW-Wohnung lebt, seit er zehn war, und nun fürchtet, dass der “dicke Fisch” Patrizia sich als Immobilienhai entpuppt. Oder Gerda Nillius (72), deren ehedem günstige Miete schon vor dem Verkauf um 40 Prozent erhöht wurde. Zwei Drittel ihrer Rente gehen fürs Wohnen drauf.

“So wie mir geht es hier sehr vielen. Noch eine Erhöhung können wir nicht verkraften, dann heißt es ausziehen. Aber ich frag’ mich wohin in München.”

Gerda Nillius, Rentnerin, im BR-Magazin Geld Leben

Unbegründete Ängste? Auch in Baden-Württemberg hatte die Landesbank Wohnungen an die Patrizia verkauft, deren Mieten teils drastisch gestiegen sind.

Bayern 1 – München


00:03:19




Patrizia-Mieter in Allach
Die Wäsche hängt im Müll


“Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet, und dasselbe wird in Bayern passieren”, heißt es beim dortigen Mieterschutz. In München gehört der Patrizia die Siedlung Ludwigsfeld auf dem Areal des ehemaligen KZ-Außenlagers Allach. Äußerlich hat das Nachkriegsviertel gewonnen – dennoch sind die Mieter unzufrieden.

Finanzminister Markus Söder (CSU) beschwichtigt und verspricht umfassenden Mieterschutz. Mietervertreter bezweifeln, dass das Regelwerk als “Maulkorb für einen Hai” taugen würde – nicht zuletzt deshalb, weil es eine für den Mieter bislang nicht einklagbare Vereinbarung zwischen dem Verkäufer GBW und dem Käufer Patrizia ist. Dass die “Sozialcharta XXL” (Söder) in der Sprache der Patrizia “Projekt Oskar” heißt, trägt nicht unbedingt zur Beruhigung bei.

Die staatlichen Vorgaben für den neuen Eigentümer

Finanzminister: “Sozialcharta XXL”

Als “Sozialcharta XXL plus Firewall” bezeichnet Finanzminister Markus Söder (CSU) sein Regelwerk für den neuen Eigentümer der GBW-Wohnungen. Für Mieter über 60 und Behinderte soll ein lebenslanger Kündigungsschutz gelten. Für alle anderen Mieter sehen die Auflagen zeitlich befristete Verbote von Kündigung, Luxussanierung und übermäßigen Mieterhöhungen vor. Bei Verstößen drohen dem Investor Geldstrafen, äußerstenfalls die Aufhebung des Vertrags.

Mietervertreter: “Eine Mogelpackung”

Michael Worm von der Erlanger Mieterinitiative hält das für Augenwischerei: “Die Auflagen sind auf ein paar Jahre begrenzt, und auch in dieser Zeit kann die Miete schon um 15 Prozent hochgehen. Hier wohnen viele ältere Leute, die haben das Geld nicht. Und sie wissen auch nicht, wohin.” Wie Wurm fordert auch Beatrix Zurek vom Münchner Mieterbund (Foto) daher Einzelverträge, die Mietwucher, Luxussanierung und Eigenbedarf auf Dauer ausschließen: “Nur so hat der Mieter einen direkten Anspruch gegenüber seinem Vermieter.”

Von der “Sozialcharta XXL” zum “Projekt Oskar”

Einen Sommer lang ist Ruhe im Karton. Doch ab dem Herbst quillt der “Kummerkasten” des Münchner Mieterbunds über. In anderen Städten ist es ähnlich. Einige Fälle:



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Puchheim bei München
GBW-Mieter fühlen sich verschaukelt


In Puchheim sollen in den nächsten Monaten 23 GBW-Wohnungen verkauft werden. Die Familien haben Angst vor steigenden Mieten. Die Angebote der GBW ihre Wohnungen selbst zu kaufen, empfinden sie als übereilt und nicht ernst gemeint.
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Mieterbeirat besorgt
Sind GBW-Mieter nach Verkauf ausgeliefert?


Unter Münchner GBW-Mietern herrscht große Unsicherheit: Ein halbes Jahr nachdem ein Konsortium unter Führung der Patrizia die GBW übernommen hat, gibt es Mieterhöhungen. Und: Einzelne Wohnungen werden verkauft.
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Der Funkstreifzug
Zumutungen für GBW-Mieter


Mieterhöhungen, Wohnungsverkäufe, teure Modernisierungen – für viele Mieter der 32.000 GBW-Wohnungen in Bayern bestätigen sich in diesen Wochen die schlimmsten Befürchtungen. Hinzu kommt die bittere Erkenntnis: Die Sozialcharta nützt kaum
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GBW
Mietersorgen


Es gibt eine positive Entwicklung bzw. Rückentwicklung für Mieter von GBW-Wohnungen in München: Eine Mieterhöhung wurde zurückgenommen, weil sie juristisch wohl eher unhaltbar wäre! In Nürnberg aber sorgen sich Betroffene …
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Nach heftiger Kritik
GBW-Mieter werden bessergestellt


Nach heftiger Kritik von Mieterbund und Opposition am Verkauf Bayerns größter Wohnungsgesellschaft GBW sollen die mehr als 80.000 Mieter bessergestellt werden. Das hat Bayerns Finanzminister Söder mitgeteilt.
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Einige rechtlich zweifelhafte Mieterhöhungen nimmt die Patrizia wieder zurück – so bei einer geförderten Wohnanlage in Schwabing. Ein Zufall, dass hier nun die Nebenkosten drastisch ansteigen? Viele Mieter bezweifeln, dass die Patrizia mit offenen Karten spielt. Sie verweisen auf das Kleingedruckte in der Sozialcharta, in der die Mietbegrenzungen “im Durchschnitt über den Bestand” gelten. Im Klartext: Von Fall zu Fall dürfen die Mieten auch überdurchschnittlich steigen. Für weitere Unruhe sorgt, dass die GBW auf einer außerordentlichen Hauptversammlung Ende November beschließt, Kleinaktionäre aus der Wohnungsgesellschaft herauszudrängen – darunter Privatanleger, die ihre Anteile als Altersvorsorge nutzen, und den Mieterverein.

Beckstein soll’s richten

Die Patrizia AG reagiert auf die anhaltende Kritik, indem sie ankündigt, unter den genehmigten Mietobergrenzen und dem Limit von 1.500 Wohnungsverkäufen pro Jahr zu bleiben. Zudem sollen die Bestimmungen der Sozialcharta ab Januar in die einzelnen Mietverträge aufgenommen werden. Und die Patrizia ernennt einen Ombudsmann: Der frühere bayerischen Ministerpräsident und BayernLB-Aufsichtsrat Günter Beckstein (CSU) soll sich im Auftrag des Unternehmens der Mieterbeschwerden annehmen. Im neuen Jahr dürfte einige Arbeit auf ihn zu kommen.

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